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13.04.2008

Vier schlechte Designs

Schlechter Inhalt, schlechte Links, schlechte Navigation, schlechte Kategorieseiten... Was ist am schlimmsten fürs Geschäft? Bei den folgenden Beispielen gewinnt schlechter Inhalt die Zitrone als grösster Geschäftsverderber.

 

by Jakob Nielsen (deutsche Übersetzung) - 14.04.2008

 

Jedes Jahr sehe ich in Nutzerstudien wie auch im alltäglichen Leben tausende von Designfehlern. Die Krux, wenn man mit Don Norman zusammenarbeitet, ist, dass ich mich in jedem zweiten Aufzug über die Knöpfe ärgere: Warum können die Kerle nicht tun, was Don Norman ihnen seit 20 Jahren predigt?

Andererseits: Webdesigner tun auch nicht, was ich ihnen seit 13 Jahren predige, also warum wundere ich mich? Das Folgende ist eine kleine Ernte von Design-Dummheiten, denen ich kürzlich begegnet bin.

Schlechter Inhalt: Jazz im Lincoln Center

Als ich wegen meiner Usability-Konferenz in New York war, wollte ich mit den Sprechern zu einem Jazz-Abend ausgehen. Hier die Information, die ich über eine Veranstaltung von "Jazz at Lincoln Center" gefunden habe:

 

Webseite zur Veranstaltung von

Informationen? Die Website liefert die Namen der Musiker und ein Foto des führenden Trompeters; das ist alles. Keine Musikerbiographien, keine Beschreibung des Jazz-Stils, der gespielt werden soll, keine Zitate oder Links zu unabhängigen Besprechungen, keine Audio-Clips zum Hineinhören.

Der Fairness halber sei gesagt, dass jalc.org durchaus Musik-Chips für einige seiner Veranstaltungen anbietet. Musikproben-Clips sind eine naheliegende Multimedia-Methode für Websites, die mit Musik zu tun haben; man kann Musik viel leichter durch Audio-Clips erläutern als mit Worten. Hören Sie sich die Clips auf der Website der Metropolitan Opera an, dann verstehen Sie den Unterschied zwischen einer umstrittenen Tan-Dun-Oper und entzückender Mozart-Klassik in weniger als einer Minute.

Dennoch prangt auf der obigen Seite in grossen Buchstaben die hoffnungsvolle Aufforderung, man möge Karten reservieren lassen, ohne etwas über das Konzert zu wissen. Das ist unwahrscheinlich, es sei denn, Sie sind mit der Band bereits gut bekannt.

Die Seite bietet durchaus nette Funktionen an, zum Beispiel die Möglichkeit, sie per E-Mail an Freunde zu senden oder sie als reinen Text im mobilen Endgerät anzuschauen. Etwas mehr Inhalt anzubieten wäre allerdings netter.

Links ohne Informationsfährte: New York Times

Die Website nytimes.com bietet unterhalb jedes Artikels einen Link an:

Link auf der Seite der nytimes.com

Wer mag wohl auf "Next Article in Business" ("Weiterer Artikel über Wirtschaft") klicken? Vielleicht ein paar Leute mehr als das eifrige Publikum des "Artikels Nr. 19", aber bestimmt nicht viele.

Ich dachte, die Zeiten von Links auf Artikel, die nicht mehr Informationen enthalten als eine Nummer, seien vorbei - ein Design, das ich schon vor 12 Jahren in meinem Bericht über Slate.com verrissen habe. Links brauchen eine Informationsfährte, die den Leuten einen Hinweis darauf gibt, was sie erwartet, wenn sie darauf klicken. Die Leute haben keine Zeit, alles und jedes anzuklicken.

Die Times mag ihr Design mit dem Hinweis auf die Webstatistik verteidigen: Der obskure Link bekommt vielleicht trotz meines vernichtenden Urteils ein paar Klicks ab. Klar, wenn man Millionen von Nutzern hat, trifft auch die dümmste Design-Idee auf ein paar Anwender. Genau diese Design-Philosophie führt zu überfüllten Websites, die in ihrem atemlosen Angriff auf die Sinne an den Times Square erinnern.

Das Problem ist, dass jedes Extra-Design-Element von anderen Design-Elementen der Seite ablenkt. Wenn Sie den Leuten irrelevante Links vor die Nase halten, bringen Sie ihnen bei, die zu ignorieren, auf die es ankommt.

(Aktualisierung: Die Times hat ihre Website neu gestaltet. Jetzt liest man unterhalb eines Artikels so etwas wie "More Articles in Technology" ("Weitere Artikel über Technik"). Das ist etwas besser, aber immer noch nicht grossartig. Ich halte an meiner Kritik fest, weil die Website das schlechte Design über ein Jahr lang gezeigt hat - und in jedem Fall können Sie aus dem früheren Fehler noch daraus lernen, auch wenn er inzwischen [teilweise] behoben wurde.)

Interne Flash-Intros: Christopher Norman Chocolates

In eine Christopher-Norman-Schokolade zu beissen, ist eine köstliches Erlebnis. Sich durch ihre Website hindurchzuknabbern, schmeckt weniger gut. Wenn man in der hauptnavigation eine Kategorie auswählt, kommt man nicht auf eine Seite, die die passenden Produkte auflistet. Stattdessen erscheint eine Flash-Intro-Seite wie die folgende für "Geometrics & Fruits":

Flash-Intro auf der Christopher-Norman-Schokoladen-Webseite

Normale Nutzer dürften annehmen, dass diese Kategorie nur die beiden angezeigten Produkte enthält, und würden sie verlassen, wenn sie weder die Birnen noch die Dominosteine haben möchten. In Wirklichkeit müssen sich die Nutzer durch diese Seite hindurchklicken, um die wirkliche Kategorieseite mit sämtlichen Produkten zu sehen.

Flash-Intros sind schlimm genug, wenn sie vor der Startseite der Website stehen, aber wenigstens begegnen die Nutzer ihnen dann nur einmal. Wenn vor jeder Kategorie eine Introseite steht, müssen sich die Nutzer durch viele Extraseiten durchklicken, um alle Produkte zu Gesicht zu bekommen.

Eine Metapher läuft Amok: Specialized Bicycles

Der Fahrradverkäufer specialized.com verwendet auf seiner Kategorieseite für Ersatzteile eine Museumsmetapher:

Kategorien-Site von specialized.com

Ich muss sagen, dass mir das "Walskelett" aus Fahrradteilen gefällt. Dennoch ist es eine Qual, sich durch diese simulierte 3D-Umwelt hindurchzubewegen, um einen näheren Blick auf die diversen Ersatzteile zu werfen.

3D-Navigationen sind fast immer schlecht. Sie sind schwerer zu handhaben, sie zeigen die Optionen nicht so gut an wie eine 2D-Oberfläche, und sie sind tendenziell langsamer in der Bedienung.

Metaphern machen es manchmal leichter, eine Nutzeroberfläche zu erlernen, weil sie den Nutzern ermöglichen, ihre existierenden Kenntnisse auf ein neues Gebiet zu übertragen. In diesem Fall allerdings würde Ihnen Ihre Kenntnis im Umgang mit Naturkundemuseen kaum helfen, Fahrradteile zu finden. Wenn Websites Metaphern verwenden, geraten sie fast immer auf Abwege und reduzieren am Ende ihre Usability. Anscheinend wird die Metapher zu einer Art böser Attraktion, die die Aufmerksamkeit des Designteams von den tatsächlichen Inhalten abzieht, die es eigentlich kommunizieren soll.

Die wirtschaftlichen Kosten von schlechtem Design

Wie viel kosten diese schlechten Design-Ideen am Ende die Website-Betreiber?

Die New York Times verliert wahrscheinlich am wenigsten Geld; die meisten Nutzer werden den Link ohne Fährte einfach überspringen. Zugleich allerdings hat dieser generische Link Alternativkosten [Opportunitätskosten]: An seiner Stelle könnte die Zeitung einen Link anbieten, der einen direkten Bezug zum jeweiligen Artikel hat. Leute, die den Artikel wirklich bis zum Seitenende gelesen haben, würden mit hoher Wahrscheinlichkeit den Link anklicken. Auf diese Weise könnte die Website möglicherweise 2-5% mehr Seitenabrufe erzielen durch eine bessere Ausnutzung dieses Raumes.

Mein Tipp für den grössten wirtschaftlichen Verlust ist die inhaltsarme Jazz-Seite. Unsere Nutzertests mit Produktseiten haben ergeben, dass die Leute mit viel höherer Wahrscheinlichkeit etwas kaufen, wenn die Seite ihre Fragen zu den Angeboten beantwortet. Hier, wo so gut wie keine Informationen gegeben werden, ist wohl garantiert, dass diese Jazz-at-Lincoln-Center-Seite nur mit einigen überzeugten Fans ins Geschäft kommt, die jedes Konzert von Wycliffe Gordon besuchen würden.

Ich vermute, dass die Website, wenn sie weitere Informationen hinzufügt, wenigstens fünf Mal so viele Tickets an Nicht-Fans verkaufen könnte. Bei Untersuchungen der Rendite von Usability-Verbesserungen finden wir manchmal heraus, dass die Verkäufe um 1000 und mehr Prozent zunehmen. Mithin könnte die Seite, mit sinnvollen Inhalten versehen, sogar ein Verzehnfacher für nicht-fanatische Kunden sein. Wie stark die Verkäufe steigen würden, hängt von dem Verhältnis zwischen der Anzahl heftiger Anhänger jenes Musikers und der Anzahl derjenigen Leute ab, die einfach ab und zu mal ein bisschen Jazz hören wollen. Ich vermute, dass die zweite Gruppe viel grösser ist, so dass bessere Inhalte die Verkäufe explodieren lassen könnten.

Die letzten beiden Websites liegen irgendwo dazwischen. Bei grossen Websites ist eine hinderliche Navigation ein sicheres Rezept für den Untergang: Die Leute würden zwischengeschaltete Flash-Intros oder aufgeblasene Metaphern nicht lange ertragen, wenn sie sich zwischen 10.000 Produkten und mehr orientieren müssen. Wenn man aber nur mit einer Handvoll Produkten handelt - wie es bei Christopher Norman und Specialized der Fall ist -, kommen motivierte Nutzer auch mit einer schlechten Navigation klar. Wenn die Website relativ wenige Seiten hat, ist es unwahrscheinlich, dass sich die Leute hoffnungslos verirren.

Weniger motivierte Nutzer allerdings verlassen die Website schon bei der ersten kleinen Schwierigkeit. Schlechtes Design kostet Geld, egal wie klein die Website ist.

 

© Deutsche Version von Jakob Nielsens Alertbox. Institut für Software-Ergonomie und Usability AG. Alle Rechte vorbehalten.

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