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02.12.2012

Die Intranet-Nutzer waten weiter durch niedrige Produktivität

Zwar hat sich das Intranet-Design verbessert, aber es hält nicht Schritt mit der immer höheren Komplexität der Anforderungen im Unternehmen, daher sinkt die messbare Usability leicht.

Frau mit Stromkabel und Sparschwein

© Picture-Factory - Fotolia.com

 

by Jakob Nielsen (deutsche Übersetzung) - 03.12.2012

 

Unsere letzte Nutzerstudie zu Intranets zeichnet ein trauriges Bild der Computerarbeit in den Unternehmen: Im Vergleich mit unserer Intranet-Studie vor zehn Jahren massen wir eine leicht verschlechterte Usability.

Die durchschnittlichen Erfolgsraten der Angestellten bei der Ausführung einfacher Intranet-Aufgaben:

  • vor zehn Jahren: 75%
  • heute: 74%

Zum Vergleich: Heute liegt die durchschnittliche Erfolgsrate auf öffentlichen Websites bei etwa 80%. Die Usability bei Websites hat sich in den letzten zehn Jahren dramatisch verbessert, daher sieht es nun so aus:

  • vor zehn Jahren: Intranets sind besser als Websites.
  • heute: Intranets sind schlechter als Websites.

Theoretisch müssten Intranets aus mehreren Gründen eine höhere Usability als Websites aufweisen:

  • Sie haben die volle Kontrolle über die Umgebung.
  • Sie kennen Ihre Nutzer genau - es sind die Menschen im Büro nebenan - und auch alle ihre Eigenschaften. Die Durchführung einer Feldstudie ist kinderleicht zu realisieren (Sie klopfen einfach an besagte Türen nebenan), und somit stehen Ihnen auch alle Daten zu Verfügung, die Sie benötigen, um für alle Hauptnutzergruppen genaue Profile anzulegen. (In unserem Forschungsbericht haben wir 7 Profile bzw. Personas beschrieben, die die verschiedenen Intranet-Nutzertypen abdecken, die wir im Feld beobachten konnten. Ein einzelnes Unternehmen benötigt wahrscheinlich weniger Profile/Personas.)
  • Jede Verbesserung der Usability bringt Ihrem Unternehmen bares Geld, denn schliesslich bezahlen Sie für die Zeit, die die Nutzer mit dem Intranet verbringen. Daher steht die Rendite ausser Frage. (Bei der Usability des Online-Handels ist die Rendite noch eindeutiger, da es hier um konkrete Einnahmen geht. Allerdings ist eine gesparte Million auch eine verdiente Million, also ist die Rendite von eingesparten Kosten auch nicht zu verachten.)

Warum Intranets eine schlechtere Usability haben

Es ist definitiv nicht der Fall, dass die Intranets von heute ein schlechteres Design hätten als die Intranets vor zehn Jahren. Die Screenshots aus unserer ersten Studie sind wirklich keine Konkurrenz für die Neuen. Die Screenshots der aktuellen Intranets sehen nicht nur besser aus; sie halten sich auch, was wichtiger ist, mehr an die empfohlenen Richtlinien für verwendbares Design und bringen dazu noch überlegene Funktionen mit.

Besseres Design, schlechtere Usability - wie kann das sein? Der Hauptgrund liegt darin, dass die Probleme, die ein Intranet lösen soll, immer komplexer werden. Moderne Intranets weisen viel mehr Funktionen auf als die Intranets der früheren Generation. Mit steigender Anzahl der Funktionen werden auch die Anforderungen strenger, die die Nutzer an das Intranet stellen, um sich dort zurechtzufinden.

Usability ist eine Angelegenheit des messbaren Nutzererlebnisses; dazu gehört die Zeit, die ein durchschnittlicher Angestellter benötigt, um eine Aufgabe durchzuführen. Zum Beispiel betrug in unserer ersten Studie die Zeit, die man benötigte, um Informationen über den Leiter der Abteilung oder des Teams zu finden, 2:19 (Minuten:Sekunden). In unserer dritten Forschungsrunde betrug die Zeit 2:46. Mit anderen Worten, heutzutage braucht man für die gleiche Aufgabe 27 Sekunden länger als noch vor zehn Jahren.

Natürlich ist eine halbe Minute mehr Zeitaufwand für eine einzelne Aufgabe noch keine Usability-Katastrophe, aber das Problem wird deutlicher, wenn wir die einzelne Aufgabe hochrechnen auf das gesamte Unternehmen.

Multiplizieren Sie jede Aufgabe mit der Anzahl der Dinge, welche die Menschen jedes Jahr im Intranet erledigen und multiplizieren Sie dieses Ergebnis wiederum mit der Anzahl der Angestellten, die das Intranet verwenden. Solche Produktivitätsrechnungen zeigen oft, wie viele Mannjahre durch suboptimales Design des Intranets verloren gehen.

Heute können die Angestellten viel mit dem Intranet erledigen, aber diese zusätzlichen Möglichkeiten kosten auf der anderen Seite zusätzliche Zeit für jede Aufgabe und bergen das Risiko des misslungenen Versuchs - es sei denn, das Design konzentriert sich auf Nutzerfreundlichkeit und nicht nur auf zusätzliche Funktionen.

Ein weiterer Grund, warum die Intranet-Usability nicht Schritt halten konnte mit den Funktionen des Intranets, besteht darin, dass man sich immer mehr auf das vorgefertigte Design von kompletten Intranet-Paketlösungen verlässt. Nachdem wir über viele Jahre die Gewinner des jährlichen Intranet-Design-Preises untersucht haben, wurde klar, dass grossartiges Intranet-Design davon abhängt, dass die Unternehmen die fertigen Pakete an ihre speziellen Bedürfnisse anpassen.

Die Standard-Nutzeroberfläche wird Ihnen da nicht viel bringen. Es ist natürlich schöner, fertige Software zu verwenden, anstatt alles selbst zu programmieren, aber Ihre Verantwortung liegt beim Nutzererlebnis; daher müssen Sie eine Nutzeroberfläche gestalten, die über den Standard hinausgeht. Ansonsten werden Ihre Mitarbeiter sich im Allzweck-Intranet-Design sehr wahrscheinlich verzetteln und Zeit verlieren, wenn sie ihre Aufgaben erledigen. (Aus Usability-Sicht ist ein Allzweck-Design eigentlich ein Null-Zweck-Design, da es den Nutzern keine ausreichende Unterstützung bietet.)

Nutzerforschung: Wie die Mitarbeiter eines Unternehmens das Intranet wirklich verwenden

Es ist jetzt das dritte Mal, dass wir eine weitreichende Reihe von Usability-Studien mit einer grossen Anzahl an Firmen-Intranets durchgeführt haben. Im Lauf der drei Forschungsrunden haben wir insgesamt 42 unterschiedliche Intranets verschiedener Organisationen getestet:

  • 30 in den USA;
  • 1 in Kanada;
  • 10 in Europa (davon 5 in Grossbritannien, 1 in Finnland und jeweils 2 in den Niederlanden und der Schweiz); und
  • 2 in Asien (Hongkong und Vereinigte Arabische Emirate).

(Es gab 43 Orte, da wir das Intranet einer multinationalen Organisation auf zwei verschiedenen Kontinenten getestet haben, um auch die internationale Usability bewerten zu können.) Ausserdem haben wir beobachtende Feldstudien - manchmal auch Ethnographien genannt - an 19 verschiedenen Orten durchgeführt.

Von den Testnutzern verwenden 71% das Intranet jeden Tag und der Rest verwendet es weniger häufig. Man könnte meinen, dass die täglichen Nutzer zu Experten in der Verwendung des Intranets geworden seien, aber das konnten wir nicht bestätigen. In der Regel ist es so, dass die Menschen nur mit einer oder zwei Funktionen des Intranets arbeiten wie zum Beispiel dem Mitarbeiterverzeichnis, um Telefonnummern nachzuschlagen, oder sie lesen die Neuigkeiten auf der Startseite.

Diese Studien untermauern daher zwei wichtige Punkte:

  • Wir wissen dadurch, wie echte Angestellte, die in einer Vielzahl von Abteilungen arbeiten, die Intranet-Funktionen verwenden und welche Designelemente die Produktivität der Nutzer im Arbeitsumfeld unterstützen oder behindern.
  • Wir können die Erkenntnisse über Unternehmen, Branchen, Länder und Sprachen hinweg verallgemeinern. Zwar hat jede Firma ihre eigenen Besonderheiten, aber es gibt auch viele Gemeinsamkeiten. Allerdings haben die Designer, die an einem einzelnen Intranet arbeiten normalerweise keinen Zugriff auf Daten der Intranets anderer Unternehmen.

Höhere Anforderungen an Intranet-Usability

Einen (zugegeben sehr einfach gestrickten) Hinweis auf die Anforderungen an die Intranet-Usability gibt die Anzahl der Richtlinien, die aus der Nutzerforschung hervorgegangen sind:

  • 111 Design-Richtlinien in der ersten Ausgabe unseres Intranet-Usability-Berichts, der vor zehn Jahren veröffentlicht wurde; und
  • 782 Design-Richtlinien in der dritten Ausgabe (engl.), die wir gerade veröffentlicht haben.

Das bedeutet zwar nicht, dass heutzutage die Intranet-Usability siebenmal schwieriger zu erreichen ist. Aber zweifelsohne müssen die Intranet-Designer heute mehr Usability-Probleme in Betracht ziehen, die aus den Unmengen von Details resultieren, die heutige Unternehmensumgebungen aufweisen.

Weitere Funde

In unseren letzten Studien haben 40% der Intranet-Teams gesagt, dass sie nicht genug Leute hätten, um die Arbeit zu erledigen. Heute haben "nur" 32% der Teams das Gefühl, unterbesetzt zu sein; die Situation hat sich zwar verbessert, aber viele Intranets sind im Verhältnis zu ihrem Einfluss auf die Produktivität innerhalb des Unternehmens immer noch unterfinanziert.

Aufgrund der gemessenen Zeit pro Aufgabe in unserer letzten Studie können wir sagen, dass ein Unternehmen mit 10000 Angestellten 4 Millionen $ pro Jahr sparen kann, wenn der Schritt von schlechter Intranet-Usability (auf dem Niveau der schlechtesten 25%, die wir getestet haben) zu durchschnittlicher Intranet-Usability gelingt. Die Verbesserung vom durchschnittlichen Niveau zum Usability-Level der besten 25% der Intranets bringt dagegen nur etwa 1 Million $ pro Jahr ein.

Schlechte Intranets sind also wirklich schlecht. Und das zeigt sich jeden Tag in verlorener Produktivität der Mitarbeiter.

 

© Deutsche Version von Jakob Nielsens Alertbox. Institut für Software-Ergonomie und Usability AG. Alle Rechte vorbehalten.

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