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05.12.2004

Die meistgehassten Werbemethoden im Web

Untersuchungen darüber, wie Anwender auf Online-Werbung reagieren, haben verschiedenste Werbemethoden zu Tage gefördert, die das Nutzererlebnis besonders negativ beeinflussen.

 

by Jakob Nielsen (deutsche Übersetzung) - 06.12.2004

 

Werbung ist ein integraler Bestandteil im Alltag eines Internetnutzers: Beim Surfen im Web begegnet er ihr überall, ganz egal ob er nun die grössten Portale, etablierte Zeitungen oder gar winzige private Homepages aufsucht.

Bisher konzentrierten sich die meisten Werbestudien auf die Frage, welchen Erfolg Werbung erzielt, v.a. wie viel Verkehr sie zum Werber leitet. Wobei man simple Messzahlen wie Klickraten als Kriterium verwendet.

Leider vernachlässigen dabei die meisten Studien das Nutzererlebnis im Zusammenhang mit Werbung sträflich. Daher wissen Sitebetreiber, die Werbung akzeptieren, im Grunde wenig darüber, was die Werbung mit ihren Besuchern macht, und darüber, in welchem Ausmass Werbetricks die Glaubwürdigkeit einer Site untergraben. Gleichfalls ahnen die Werber gar nicht, wie weit ihre Reputation bei jener breiten Mehrheit der Besucher leidet, die ihre Werbung gar nicht anklickt, sondern sich vielleicht darüber ärgert.

Mittlerweile liegen Daten vor, mit denen wir beginnen können, diese Fragen zu beantworten. Auf meiner letzten Konferenz, der User Experience 2004, haben John Boyd von Yahoo! und Christian Rohrer von eBay eine Menge Forschungsergebnisse darüber vorgestellt, wie die Nutzer Werbung wahrnehmen. Im Folgenden präsentiere ich ein paar Schlaglichter aus ihren Beiträgen (meine Kommentare zu ihren Ergebnissen fallen allein unter meine Verantwortung).

Schlechte Werbung

Wenn die Nutzer gefragt wurden, inwieweit verschiedene Aspekte der Online-Werbung ihr Weberlebnis in Mitleidenschaft ziehen, bewerteten sie die folgenden Attribute am negativsten:

Das Designelement...Nutzeranteil, der "sehr negativ" oder "negativ" urteilte
...erscheint als Pop-up-Fenster vor dem gesuchten Fenster 95%
...lädt langsam 94%
...versucht, einen zum Anklicken zu animieren 94%
...verfügt über keinen "Schliessen"-Knopf 93%
...verdeckt, was ich sehen will 93%
...legt nicht offen, wozu es gut ist 92%
...formatiert den Inhalt um 92%
...nimmt den grössten Teil der Seite ein 90%
...blinkt 87%
...wandert quer über den Bildschirm 79%
...spielt automatisch eine Musik ab 79%


Diese Zahlen basieren auf den Aussagen von 605 Personen aus dem Jahr 2004; schon 2002 und 2003 wurden ähnliche Zahlen ermittelt.

Die Nutzer verbinden oft stark negative Assoziationen mit Werbung, falls sie die in der obigen Tabelle aufgeführten Designsünden anwendet. Ein Nutzer bezog sich auf eine Werbung, die automatisch eine Musik abzuspielen begann, und schrieb: "WENN IRGENDWAS SCHLIMMER SEIN KANN ALS POP-UPS, DANN DIESES. ICH HASSE SOLCHE WERBUNG. ICH HASSE, HASSE, HASSE DAS."

Ein anderer Besucher tippte den folgenden Kommentar ins Feedback-Formular einer grösseren Website: "Leute, Ihr solltet euch schämen! Ich habe nicht darum gebeten, dass mir 3 Pop-ups auf den Bildschirm springen, wenn ich euch besuche. Ich besuche keine Single-Sites, und ich will auch meinen Penis nicht um 10 cm verlängern. Tatsache ist, dass ich keine einzige der Dienstleistungen brauche, die auf meinem Bildschirm erscheinen. Ich finde es ekelhaft, wie ihr geldgierigen Schweine für euren egoistischen Profit in meinen Computer einbrecht. Von nun an werde ich euch boykottieren und JEDEN, den ich kenne, auffordern, das auch zu tun. Weg mit euch und eurer Pop-up-Werbung!"

Dieser zweite Kommentar illustriert zwar lebhaft den Frust der Nutzer über Pop-ups, war aber deplatziert, da die Site die anstössige Werbung weder eingeladen noch verteidigt hat. Die Werbung wurde nämlich von "Spyware" eingeblendet, die der Besucher unwissentlich installiert hatte.
Dennoch zeugt der Kommentar nicht nur von den heftigen Gefühlen, die von aufdringlicher oder abwegiger Werbung provoziert werden, er illustriert auch, dass Pop-ups in hohem Ausmass mit unseriösen Inhalten assoziiert werden.

Die Nutzer haben angefangen, sich gegen Pop-ups zu wehren. Der Prozentsatz von Nutzern, die nach eigenen Angaben Pop-up- oder Ad-Blocker-Programme verwenden, ist von 26% im April 2003 auf 69% im September 2004 gestiegen - eine erstaunliche Wachstumsrate.

Die Nutzer hassen die Pop-ups nicht nur, sie übertragen ihren Hass auch auf die Werbetreibenden, die hinter der Werbung stecken, und auf die Website, die ihnen die Pop-ups anliefert. In einer Umfrage bei 18'808 Nutzern antworteten über 50%, dass Pop-ups ihre Meinung vom Werbetreibenden sehr negativ beeinflusst habe, und fast 40% gaben zu Protokoll, dass sie ihre Meinung über die Website sehr negativ beeinflusst habe.

Die Leute ärgern sich immer mehr über Pop-ups: In einer 14monatigen Testperiode von Dezember 2001 bis Februar 2003 ist die Bewertung von Pop-up-Werbetreibenden auf einer Skala von 1 bis 7 um fast einen ganzen Punkt negativer geworden.

Gute Werbung

Es gibt nicht viele Werbung, die die Nutzer ausdrücklich mögen, aber manche Werbemethoden haben eine positive Auswirkung auf das Nutzererleben. Die Nutzer begrüssen besonders solche Werbung, die klar und deutlich

  • anzeigt, was passieren wird, wenn man sie anklickt,
  • mit dem zu tun hat, was die Leute gerade online vor haben,
  • sich als Werbung zu erkennen gibt,
  • Informationen über das anzeigt, was beworben wird, und
  • Zusatzinformationen liefert, ohne dass man die Site verlassen muss.

Diese Design-Elemente halten sich eng an die traditionellen Web-Usability-Richtlinien:

  • Die Optionen des Nutzers klar aufzeigen
  • Sich deutlich ausdrücken und
  • Die Informationen liefern, die die Nutzer haben wollen.

Lektionen für Websites

Sites, die Werbung akzeptieren, sollten es sich lieber zweimal überlegen, bevor sie solche Werbung aufschalten, die 80-90% der Nutzer heftig abstossen. Denn das daraus resultierende Absacken in der Kundenzufriedenheit wird ihren langfristigen Aussichten schaden.

Die Werbetreibenden selbst könnten versucht sein, mit ihren fragwürdigen Methoden weiter zu machen, so lange sich Sites finden, die so etwas laufen lassen. Schliesslich bringt ihnen das normalerweise höhere Klickraten ein. Aber hohe Klickraten können nicht das alleinige Ziel sein. Nutzer nämlich, die durch Täuschung auf einer irreführenden Site gelandet sind, mögen zwar die Klickrate erhöhen, doch werden sie schwerlich zu zahlender Kundschaft. Zudem leidet Ihre Marke deutlich, falls Sie sich Kunden zum Feind machen und Methoden verwenden, die man gemeinhin mit dem übelsten Mist im Web in Verbindung bringt.

Firmenwebsites können ebenfalls von diesen Studien lernen, auch dann, wenn sie keine Werbung laufen lassen. Viele Elemente, die die Nutzer beim Werbedesign hassen, sind auch im normalen Webdesign üblich - mit den gleichen schlechten Assoziationen. Was man zum Beispiel vermeiden sollte, sind:

  • Pop-up-Fenster,
  • lange Ladezeiten,
  • "verlockende" Links, irreführende Menüpunkte und andere Elemente, die die Besucher zum Anklicken verführen sollen,
  • Inhalte, die den Zweck einer Site oder das Thema einer einzelnen Seite nicht klar benennen,
  • Inhalte, die sich auf der Seite hin- und her bewegen,
  • Ton, der automatisch abgespielt wird.

Alle diese Methoden haben bei traditionellen Usability-Studien mit Sites ohne Werbung Probleme verursacht, und ich habe schon oft vor ihnen gewarnt. Die Tatsache, dass sie mit den meistgehassten Werbeelementen assoziiert werden, ist ein weiterer Grund dafür, dass respektable Sites sie unter allen Umständen vermeiden sollten.

 

© Deutsche Version von Jakob Nielsens Alertbox. Institut für Software-Ergonomie und Usability AG. Alle Rechte vorbehalten.

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