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13.10.2002

Flash für behinderte Anwender nutzbar machen

Flashdesigns sind für behinderte Anwender einfacher zu nutzen, wenn die Designer visuelle Darstellungen und Text kombinieren, Bewegungen minimieren, die Abstände zwischen zusammengehörenden Objekten reduzieren und die Features vereinfachen.

 

by Jakob Nielsen (deutsche Übersetzung) - 14.10.2002

 

Flash war bis jetzt für behinderte Anwender unzugänglich, aber der Flash MX 2002 Release hat dies dank seiner integrierten Zugriffshilfen geändert. Was einst eine Barriere war hat sich nun zu einer Möglichkeit gewandelt, moderne Internet Features auch für behinderte Anwender zugänglich zu machen.

Unsere früheren Usability-Studien mit behinderten Anwendern haben aufgezeigt, dass das Internet ein grossartiges Werkzeug sein kann, welches den Anwendern den Zugriff auf Informationen ermöglicht, auf die zuvor - falls sie überhaupt verfügbar waren - nur erschwert zugegriffen werden konnte. Die Möglichkeit, sich eine Tageszeitung laut von einer Webseite vorlesen zu lassen, ermöglicht zum Beispiel blinden Anwendern, aktuelle Ereignisse zu verfolgen, ohne auf eine spezielle Ausgabe der Tageszeigung warten zu müssen.

Leider haben unsere früheren Studien über wie behinderte Anwender Webseiten nutzen auch gezeigt, dass es nicht ausreicht, eine Webseite technisch zugänglich zu machen. Sie muss auch einfach nutzbar sein. Auch für Personen, welche Zugriffshilfen einsetzen, um auf eine Webseite zu gelangen, die andere Anwendererfahrungen hervorrufen als herkömmliche Browser. Usability und Accessability gehen Hand in Hand und das eine ohne das andere ist in der realen Welt nicht von grossem Nutzen.

Unsere früheren Studien von Nicht-Flash Webseiten produzierten viele Usability-Richtlinien, welche die traditionellen Richtlinien für den technischen Zugriff ergänzten. Nebst rein technischen Fragestellungen wie zum Beispiel dem ALT-Text gibt es zahlreiche Überlegungen im Bereich des Designs, welche die Anwendung von Webseiten für behinderte Anwender einfacher und angenehmer machen. Den Alt-Text zu integrieren ist eine Sache, aber sicherzustellen, dass dem Anwender die Navigation erleichtert wird, eine andere. Und diese verlangt die Berücksichtigung von Accessability und Usability.

Erste Studien, frühe Entdeckungen

Ausgehend von unserer früheren Erfahrung wussten wir, dass die Einführung von Flash MX mit Zugriffsunterstützung die Entwicklung spezieller Usability-Richtlinien erfordern würde, um die Designs einfacher anwendbar zu machen. Wir haben deshalb als Vorbereitung für eine grössere Studie, welches wir nächstes Jahr publizieren werden, eine erste Forschungsstudie durchgeführt.

Weil die zugängliche Flash-Technologie zum Zeitpunkt unserer Studie erst seit ein paar Monaten auf dem Markt war, hatten wir sehr wenig gute Flash-Applikationen für die Nutzertests zur Verfügung. Sicher, wir hätten auch alte Flash-Applikationen testen können, die für behinderte Anwender nicht zugänglich waren. Aber alles was wir herausgefunden hätten wäre, dass es ohne Accessability keine Usability gibt. Denn es ist offensichtlich, dass wenn man auf eine Applikation nicht zugreifen kann, man sie auch nicht nutzen kann - nicht wirklich eine Entdeckung, welche die Designer darin unterstützt hätte, Flash-Applikationen für behinderte Personen einfacher zu machen.

Unter diesen Umständen haben wir unsere Studie auf das Testen von vier von uns identifizierten Flash-Applikationen beschränkt. Wir geben unsere frühen Befunde bereits jetzt bekannt, um von Beginn weg mitzuhelfen, gute Verfahren für brauchbare Flash-Designs für behinderte Anwender zu etablieren.

Eine zweite Ausgabe dieses Berichts wird Mitte 2003 publiziert. Wir werden diesen dann auf ausführlichere Usability-Studien mit weit mehr zugänglichen Flashdesigns abstützen - natürlich immer unter der Voraussetzung, dass anfangs 2003 tatsächlich zugängliche Flash Webseiten einführt werden, die wir testen können.

Das grösste Usability Problem von Flash

Selbst unsere begrenzte, frühe Forschung hat mehrere Usability-Probleme bestehender Flashdesigns identifiziert, wenn diese von behinderten Anwendern genutzt werden. Wir haben mehrere Hauptpunkte identifiziert, welche Designer beim Erstellen von Flash für behinderte Anwender berücksichtigen müssen:

  • Flash ist unbekannt. Weil Flash bis kürzlich unzugänglich war, haben behinderte Anwender keine Erfahrung mit Flashdesigns. Wenn mehr Flashdesigns zugänglich werden, werden viele dieser Anwender Flash zum ersten Mal begegnen und versuchen müssen, die unbekannte Umgebung, die sich anders als eine statische Webseite verhält, zu verstehen. Dies ist zwar nur ein temporäres Problem, wird aber während des Jahres 2003 akut (möglicherweise sogar im Jahre 2004, je nach dem wie schnell Flashdesigns zugänglich werden und wie schnell behinderte Anwender Erfahrungen mit Flash sammeln können).
    Um dieses Problem zu überwinden, können Designer kurze anweisende Texte auf ihrer Webseite integrieren, um den behinderten Anwendern zu zeigen, wie sie mit dem Flashdesign umgehen können. Natürlich ist dies nur eine Kurzzeit-Lösung des Problems. Auf längere Sicht können Webseiten nicht den Job übernehmen, ihre Anwender auszubilden, wie sie die Webseite nutzen sollen; im Gegenteil, Webseiten sollten Designs erzeugen, welche herkömmlichen Standards und Interface-Konventionen folgen und auf die Tatsache bauen, dass ihre Anwender bereits gelernt haben mit dem Design umzugehen.
  • Mangel an alternativem Text. Flashdesigns tendieren dazu sehr visuell zu sein, aber Anwender, die nicht sehen können oder welche sehbehindert sind, brauchen Text als Alternative, welcher beschreibt, was das Visuelle für die Applikation bedeutet. Ein Foto eines Produktes zum Beispiel sollte zusätzlich mit der Beschreibung der Produkteigenschaften versehen werden, welche visuell kommuniziert werden. Wir sind üblicherweise gegen Flash-Intros, weil sie für Anwender oft langweilig und ärgerlich sind und den Wert der Nutzungs- schnittstelle nicht erhöhen. Aber wenn Animationen und andere Intros gut genutzt werden - zum Beispiel, um dem Anwender den Hintergrund oder das konzeptuelle Modell des Systems darzustellen - sollten sie zusätzlich mit einem gleichwertigen, erklärenden Text für diejenigen Anwender versehen werden, welche die Animation nicht sehen können und somit direkt ohne das erforderliche Wissen auf die Hauptseite des Systems geführt werden.
  • Bewegliche Schnittstellenelemente. Alles, was ein Anwender lesen muss oder mit dem er interagieren muss, sollte still stehen; beweglicher Text und die Steuerung der Navigation waren in mehreren Designs, die wir analysiert haben, die grossen Übeltäter.
  • Zusammengehörendes steht zu weit auseinander. Dinge, welche zusammen benutzt werden, sollten auch nahe beieinander stehen. Sonst könnten diese zusammengehörenden Teile optisch getrennt werden. Zum Beispiel dann, wenn die Anzeige für sehbehinderte Anwender vergrössert wird oder falls ein Lesegerät dem Anwender die einzelnen Teile vorliest. Jemand, der einen Grossteil des Bildschirms sieht, ist in der Lage, beide Einzelteile gleichzeitig zu sehen und somit eine integrierte Nutzungsschnittstelle wahrzunehmen, dies im Gegensatz zu behinderten Anwendern, welche unter Umständen nur Bruchstücke des Interfaces wahrnehmen. Diese Abstände sind besonders wichtig bei:

    • Auswahl zwischen Alternativen. Bei verschiedenen Optionen sollten alle gleichzeitig sichtbar sein, sonst könnten die Anwender denken, dass nur die sichtbare Option verfügbar ist.
    • Ein Operator und der Operand. Wenn ein Element der Nutzungsschnittstelle auf ein anderes einwirkt, dann müssen beide Elemente zusammen sichtbar sein.
    • Eine Aktion und ihr Resultat. Falls Feedback oder Instruktionen zu weit weg vom Aktionsbereich des Bildschirms aufgeführt werden, könnten die Anwender denken, dass, weil sie das Feedback optisch nicht sehen, nichts geschieht.

  • Übermäßig komplizierte Funktionalität. Flash-Applikationen ermöglichen zusätzliche Funktionalität, welche aus dem Web eine vollfunktionierende Umgebung macht. Toll, aber Anwender mit Behinderungen sind manchmal einfach nur froh, einen Prozess so einfach wie möglich abzuschliessen, das heisst mit weniger Ärger und mit weniger Optionen.

Viele Flashapplikationen ermöglichen ihren Anwendern, eigene Objekte, Layouts oder speziell zugeschnittene Produkte zu konstruieren. Solche Konfigurationen können für behinderte Anwender einfacher sein, wenn sie passende Default-Werte beinhalten, welche verändert werden können, anstatt von allen Anwendern zu verlangen, dass sie jedes Mal alles neu aufsetzen müssen. Natürlich sollten behindert Anwender dennoch die Möglichkeit haben, alle Eigenschaften und Optionen zu nutzen. Da es viel einfacher ist, etwas zu verändern, als alles neu aufzusetzen, sollte man vom Anwender nicht verlangen, dass er die ganze Arbeit immer wieder von Neuem macht.

Mehr darüber

Der komplette 40-Seiten Bericht mit 21 Design Richtlinien für die Verbesserung der Flash-Usability für behinderte Anwender steht zum Download bereit.

 

© Deutsche Version von Jakob Nielsens Alertbox. Institut für Software-Ergonomie und Usability AG. Alle Rechte vorbehalten.

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