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25.02.2007

Lebenslange Computer-Fähigkeiten

Schulen sollten tiefgründige, strategische Einblicke in Computer lehren, die nicht durch das Lesen eines Nutzerhandbuchs erlernt werden können.

 

by Jakob Nielsen (deutsche Übersetzung) - 26.02.2007

 

Neulich sah ich ein Lehrbuch, mit dem in der dritten Klasse Informatik unterrichtet wird. Eines der Kapitel ("Der grosse Rechner") wies detaillierte Anleitungen auf, wie man in Excel Tabellen einfügt. So weit, so gut, nur dass die neue Version von Excel mit einer kompletten Überarbeitung der Nutzeroberfläche ausgestattet ist, bei der die traditionellen Befehls-Menüs durch einen Banner mit ergebnisorientierter UI ersetzt wurden.

Ich musste den stolzen Eltern leider mitteilen, dass die Ausbildung ihrer Tochter noch bevor sie die dritte Klasse durchlaufen würde, veraltet sein würde.

Das Problem besteht natürlich darin, dass die Ausbildung zu eng an spezifische Software-Anwendungen geknüpft ist. Selbst wenn Microsoft dieses Jahr Excel nicht komplett umgekrempelt hätte, so hätten sie es sicher irgendwann anders gemacht. Die Konsequenz kann nicht sein, das Lehrmaterial für Office 2007 zu aktualisieren, denn es wird bestimmt einen weiteren UI-Wandel geben, bevor die heutigen Drittklässler den Arbeitsmarkt in 10 oder 15 Jahren betreten - und noch weitere, bevor sie 2065 in Rente gehen.

Es ist von Nutzen, den Kindern, noch während sie in die Schule gehen, Fähigkeiten zu vermitteln, die sie sofort einsetzen können. Aber es ist von grösserem Nutzen, ihnen tiefere Konzepte zu lehren, von denen sie für immer profitieren, ungeachtet der Veränderungen in speziellen Anwendungen.

Das Lehren von lebenslangen Computer-Fähigkeiten in unseren Schulen bietet einen weiteren Vorteil: Es gibt den Schülern Erkenntnisse, die sie unwahrscheinlich alleine erhalten würden. Dagegen wird jeder dazu fähig sein, herauszufinden, wie man ein Tortendiagramm erstellt, da Software kontinuierlich einfacher zu nutzen wird. Die Leute werden für sich lernen, wie man Funktionen nutzt, wenn sie sie brauchen - und so auch die Motivation haben, nach ihnen zu suchen. Es sind die konzeptuellen Dinge, die ohne den Antrieb offizieller Bildung endlos aufgeschoben werden.

Im Folgenden sind einige allgemeine Fähigkeiten aufgelistet, von denen ich denke, dass wir sie in Grundschulen lehren sollten.

Such-Strategien

Der heutige Marktführer bei den Such-Maschinen könnte in 20 Jahren weg sein und die Layouts der Such-Seiten, die im Moment alle Such-Maschinen beherrschen, werden sich bestimmt ändern. Deshalb sollten wir den Kindern keine Google-Hacks beibringen.

Nichtsdestoweniger, das gewöhnliche Such-Konzept wird in Zukunft einzig dadurch bedeutender, dass wir immerfort Informationen erhalten werden, die allgegenwärtig zugänglich sein werden. Strategien, wie man gute Suchanfragen formuliert, wie und wann man Such-Verfeinerungen oder andere Feinheiten nutzt, wie man mit ausgrenzender Suche umgeht, wie man die Relevanz von Such-Ergebnissen auswertet und wie man mehrere Such-Maschinen verschiedener Typen miteinander kombiniert, wird auch weiterhin wichtig bleiben, auch wenn sich die Besonderheiten, wie man diese Strategien anwendet, ändern.

Glaubwürdigkeit der Informationen

Beim Testen von Websites mit Kindern haben wir herausgefunden, dass sie viel häufiger Anzeigen anklicken als Erwachsene. Es ist definitiv wichtig, Kindern beizubringen, die verschiedenen Arten von Anzeigen zu erkennen, auch gekaufte und organische Such-Treffer. Aber wir müssen noch tiefer gehen und den Kids Strategien zum Bewerten und Überprüfen der Glaubwürdigkeit von Online-Informationen beibringen. Teenager sind besonders ungeduldig online und daher auch potenziell mehr gefährdet.

Informations-Überfluss

In Zukunft wird es noch mehr E-Mail, mehr IM/SMS/voice mail/phone calls/video mails, mehr Websites, mehr Podcasts und mehr Intranets geben. Und dies alles wird in Ihrem Büro, an Ihrem Computer zu Hause, auf Ihrem Handy und bei verschiedenen anderen Einrichtungen verfügbar sein.

Die Leute können kleine Schritte tun, um gegen die Informationsflut anzukämpfen, aber da Informationen rasend schnell anwachsen, brauchen wir ausgeklügeltere Strategien.

Schreiben für Online-Leser

Das klare Kommunizieren im Internet, Intranet und in anderen interaktiven Medien ist eine immer bedeutender werdende Fähigkeit im Job. Ausführliche Forschung hat ergeben, dass die Nutzer Online-Medien ganz anders lesen als Printmedien. Deshalb sollten wir Schülern beibringen, wie man Hypertext schreibt und nicht einfach nur gedruckte Dokumente.

Fähigkeit des computerbasierten Präsentierens

Gute Sprecher wissen, wie sie PowerPoint nutzen können, um ihre Präsentationen aufzuwerten anstatt die Zuhörer mit Nummerierungspunkten in Schlaf zu versetzen. Die meisten Geschäftsmänner sind sich einig, dass solide Präsentationsfähigkeiten für den Berufsweg notwendig sind. Es ist weniger anerkannt, dass die heutige Präsentationen dazu neigen, von Computern unterstützt zu werden und das es mehr als die pure Sprach-Brillanz bedarf, um einen Punkt zu vermitteln.

Viele Schüler nutzen bereits PowerPoint, um ihre Projekte zu präsentieren. Wir sollten die Mechanik des Zeigens von Folien überschreiten und ihnen die Kunst für effektive, computerunterstützende Präsentationen beibringen.

Ergonomie des Arbeitsplatzes

Da das Leben immer mehr auf Computer basiert, leiden immer mehr Leute unter RSIs (wiederkehrende Muskelverletzungen), wie z.B. das Karpal-Tunnel-Syndrom oder dem "SMS-Daumen". Wir sollten den Leuten beibringen, wie sie ihre Gesundheit schützen können und wie man einen Arbeitsplatz nach etablierten ergonomischen Richtlinien einrichtet. Regel Nummer 1 lautet: Machen sie regelmässige Pausen und stehen Sie auf. Aber es steckt noch viel mehr dahinter, z.B. der Standplatz des Monitors, die Höhe des Tisches und Stuhles und die Beleuchtung. Die meisten Computer-Plätze sind ein Gesundheitsrisiko, die zu Kopfschmerzen, Rückenschmerzen und RSIs führen.

Fehlerbeseitigung

Wir sollten nicht jeden zu einem Programmierer machen, aber das Konzept der Fehlersuche ist eine grundlegende Überlebensfähigkeit im Computerzeitalter. Die meisten Tabellen beispielsweise, enthalten Baufehler, und sofern die Leute nicht wissen, wie sie diese Fehler finden, treffen sie Entscheidungen, die auf den falschen Zahlen basieren.

Nutzertests und andere Usability-Richtlinien

Gerade da nicht alle Kinder Programmierer werden sollten, sollten wir sie auch nicht alle zu Usability-Spezialisten oder interaktiven Designern machen. Nichtsdestoweniger, je mehr wir den Beruf in ein interaktives Umfeld eingliedern, desto wichtiger ist es, dass wir die grundlegenden Prinzipien verstehen, welche leichte Interaktionen vereinfachen. Das verstehen von Usability-Heuristiken wie "recognition vs. recall" oder "consistency" wird für die gebildete Person genauso wichtig sein, wie das sezieren eines Frosches.

Da Produkt-Kategorien immerfort computerisiert und immer schwieriger zu bedienen werden, werden die Leute die Fähigkeit brauchen, eine einfache Nutzung zu bewerten, um einfach besserinformierte Nutzer zu werden, damit sie Produkte kaufen können, die zu ihnen passen.

Ebenso: Auch wenn sie als Erwachsener nie Nutzer-Tests durchführen werden, so denke ich, dass alle Kinder einen in der Schule versuchen sollten. Einen Test durchzuführen ist ein simpler und effektiver Weg, um ein Verständnis für viele wichtige Usability-Konzepte zu erhalten. Zum Beispiel könnten Lehrer die Kinder dazu bringen, kleine Websites zu verschiedenen Themen zu schreiben und sie dann untereinander zu testen um zu sehen, wie gut sie die Informationen verschriftlicht haben. Es ist viel motivierender, wenn man sieht, wie andere Kinder nicht durch deine Website durchsteigen, als wenn der Rotstift des Lehrers über deinen Aufsatz fliegt.

In ihrem Buch "The New Division of Labor: How Computers Are Creating the Next Job Market" stellen Frank Levey und Richard J. Murnane drei Schlüsselkompetenzen heraus, die in Zukunft wahrscheinlich nicht ins Ausland verlagert oder automatisiert werden können. Diese Kompetenzen sind: Lösen von Problemen, Verstehen der Zusammenhänge zwischen Konzepten und interpersonale Kommunikation. Die lebenslangen Computer-Fähigkeiten, die ich hier skizziert habe, können Schüler gleichermassen auf den Typ von beruflicher Laufbahn vorbereiten, der zukunftsfähig ist, wenn sich die Globalisierung verstärkt.

 

© Deutsche Version von Jakob Nielsens Alertbox. Institut für Software-Ergonomie und Usability AG. Alle Rechte vorbehalten.

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