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15.11.2015

Erkennbarkeit, Lesbarkeit und Verständlichkeit: So bringen Sie Nutzer dazu, Ihre Texte zu lesen

Nutzer lesen Internetinhalte nur, wenn die Texte klar, die Wörter und Sätze einfach und die Informationen leicht verständlich sind. Das kann getestet werden.

© contrastwerkstatt

 

by Jakob Nielsen (deutsche Übersetzung) - 15.11.2015

Während das visuelle Design einer Website bestimmt, wie Ihr Unternehmen online aussieht, ist es der Text der Seite, der bestimmt, wie Ihr Unternehmen online klingt. Der Tonfall und tolle Inhalte sind bei der Kommunikation im Internet ausschlaggebend. Dennoch sind die besten Texte nichts wert, wenn sie von den Nutzern nicht gelesen werden.

Wie in anderen Bereichen des Nutzererlebnisses, muss der Inhalt eine Kosten-Nutzen-Analyse des Nutzers überstehen:

  • Kosten: Wie viel Mühe und Qual muss ich auf dieser Website in Kauf nehmen?
  • Nutzen: Welchen Nutzen ziehe ich daraus und was gewinne ich, wenn ich diese Informationen lese?

Sie sollten Nutzern definitiv einen Nutzen bieten. Warum sollten Sie sonst eine Website haben? Sie müssen aber auch die Nutzungsbarrieren reduzieren (d.h. die Kosten senken). Was Online-Texte betrifft, können diese Barrieren in 3 Kategorien eingeteilt werden: Erkennbarkeit, Lesbarkeit und Verständlichkeit, welche nachfolgend definiert und diskutiert werden.

Erkennbarkeit

Definition: Die Erkennbarkeit ist der grundlegendste Faktor, was die Usability von Inhalten betrifft: sie besagt, dass Menschen die Buchstaben und Wörter Ihres Textes sehen, unterscheiden und erkennen können. Die Erkennbarkeit wird daher vor allem durch das visuelle Design, besonders durch die Schriftart, bestimmt.

Hier sind die wichtigsten Richtlinien, um Erkennbarkeit sicherzustellen:

  • Verwenden Sie eine angemessen grosse Standard-Schriftgrösse und ermöglichen Sie Nutzern, die Schriftgrösse zu ändern. Winzige Texte sind der Untergang der Erkennbarkeit – und denken Sie daran: was als „winzig“ bezeichnet wird, ist je nach Person verschieden und hängt von der Sehschärfe ab, welche leider im Alter nachlässt. Alte Nutzer benötigen grössere Texte, aber sogar junge Nutzer wissen es zu schätzen, die Augen beim Lesen nicht zusammenkneifen zu müssen. (Die Haltung von Teenagern ist oft schrecklich, darum sitzen sie auch nicht gerade vor dem Computer.)
  • Wählen Sie einen hohen Kontrast zwischen den Zeichen und dem Hintergrund. Verwenden Sie vorzugsweise einen einfarbigen Hintergrund und vermeiden Sie aufdringliche oder strukturierte Muster, da letztgenannte die Erkennbarkeit der feinen Details von Buchstaben reduzieren.
  • Verwenden Sie eine saubere Schriftart. Dank der hohen Auflösung moderner Monitore sind serife Schriftarten in Ordnung, kompliziert geformte Schriften (die z.B. Handschrift imitieren oder im gotischen Stil gestaltet wurden) reduzieren allerdings die Erkennbarkeit.

Die Erkennbarkeit testen

Wenn Sie die oben stehenden Richtlinien und andere empfohlene Vorgehensweise für eine saubere Schriftart befolgen, benötigen Sie wahrscheinlich keine speziellen Erkennbarkeitstests. Achten Sie in normalen Nutzertests darauf, ob sich Nutzer zum Bildschirm lehnen oder Dinge sagen wie: „Der Text hier ist schwer zu erkennen“. Falls Sie solche Verhaltensweisen oder Kommentare bemerken, können Sie sich mit dem Problem befassen und spezielle Erkennbarkeitstests durchführen – ansonsten sind Sie wahrscheinlich auf der sicheren Seite.

Die gängigste Methode, um die Erkennbarkeit zu testen, ist die Messung der Lesegeschwindigkeit in Wörtern pro Minute. Messen Sie diese Geschwindigkeit für eine Stichprobe von Nutzern , die einen einfachen Text lesen. Da sich die Lesegeschwindigkeit der Nutzer stark unterscheidet, sollte dafür ein Within-Subjects Test durchgeführt werden, bei dem dieselben Testteilnehmer mehrere Systeme testen. Falls Ihre Nutzer zum Beispiel beim Lesen Ihres Designs um 20% langsamer sind, als beim Lesen eines Referenzdesigns, wissen Sie, dass die Erkennbarkeit der Seite schlecht ist.

Als Beispiel sehen Sie hier einen Test aus dem Jahr 2010, bei dem wir die Lesegeschwindigkeiten von iPads, Kindles und gedruckten Büchern verglichen haben. (Verwenden Sie aber bitte nicht die alten Resultate, um zu entscheiden, welches Tablet Sie sich heute kaufen sollten, da beide Produkte heutzutage über bessere Bildschirme verfügen und die Erkennbarkeit verbessert haben.)

Lesbarkeit

Definition: Die Lesbarkeit misst die Komplexität der Wörter und der Satzstruktur von Inhalten. Die Annahme hinter dieser Kennzahl ist, dass komplexe Sätze schwieriger zu verstehen und zu lesen sind, als einfache Sätze. Normalerweise wird diese Kennzahl als Leseniveau angegeben (welches in Jahren der formalen Bildung ausgedrückt wird, die notwendig sind, um den Text zu lesen). Ein Leseniveau der 12. Klasse bedeutet zum Beispiel, dass Personen mit Hochschulreife den Text ohne Schwierigkeiten lesen können.

Hier sind die wichtigsten Richtlinien, um Lesbarkeit sicherzustellen:

  • Verwenden Sie einfache Wörter – je kürzer desto besser. Vermeiden Sie komplizierte Begriffe und erfundene Wörter.
  • Verwenden Sie kurze Sätze. Vermeiden Sie verschachtelte Satzstrukturen, vor allem zusammengesetzte Sätze mit vielen Nebensätzen und Konjunktionen, die das Kurzzeitgedächtnis des Nutzers – welches eine bekannte Schwachstelle ist – belasten. (Dieser letzte Satz ist bereits am Limit :-)
  • Schreiben Sie hauptsächlich im Aktiv. (Das Passiv kann in seltenen Fällen verwendet werden, in denen wichtige Begriffe am Anfang platziert werden müssen.)
  • Zielen Sie auf das Leseniveau der 8. Klasse ab, falls Sie ein breites Publikum ansprechen möchten.
  • Falls Sie für ein gebildeten Publikum oder ein spezialisiertes B2B-Publikum schreiben, sollten Sie auf ein Leseniveau abzielen, das mehrere Stufen unter der formalen Bildung des Publikums liegt. Das Leseniveau der 12.Klasse ist eine gute Zielvorgabe, damit der Text von Personen mit Hochschulabschlüssen leicht gelesen werden kann. (Der Artikel, den Sie im Moment lesen, entspricht dem Leseniveau der 11. Klasse und ich hoffe, dass er gut lesbar ist.)
  • Denken Sie daran, dass Texte auf Niveau der x. Klasse etwas anderes sind, als Texte für Schüler, die derzeit diese Schulklasse besuchen. Es gibt spezielle Designrichtlinien für kleine Kinder, und Millennials, welche sich aber nicht für eine normale Website für erwachsene Nutzer eignen. Das Ziel sind Wörter und Sätze, die dem Ausbildungsniveau entsprechen, aber in reifem Tonfall geschrieben wurden.

Die Lesbarkeit testen

Normalweise wird die Lesbarkeit von einem Computer bewertet. Es gibt zahlreiche online Lesbarkeitsrechner, wobei eine gängige Formel sogar in Microsoft Word integriert wurde: in Word 2013 kann das Flesch-Kincaid Leseniveau unter Überprüfen > Rechtschreibung und Grammatik aufgerufen werden (In einigen Versionen von Word muss die Lesbarkeitsstatistik zuerst unter Datei > Optionen > Dokumentprüfung aktiviert werden.)

Wir hegen eine Vorliebe für eine andere Lesbarkeitsformel, die Fry-Wert genannt wird, es ist allerdings nicht so wichtig, welche Formel Sie verwenden. Obwohl es zahlreiche Lesbarkeitsformeln gibt, konzentrieren sie sich alle vorrangig auf die Länge der Wörter und die Satzlänge. Längere Wörter sind normalerweise weniger gebräuchlich und längere Sätze sind meistens schwerer zu verstehen – diese Art von Metrik ist daher sinnvoll. Denken Sie aber daran, dass diese Berechnungen nur Annäherungen an den wirklich wichtigen Faktor sind: wie schwierig es für Ihre Leser ist, die von Ihnen verwendeten Wörter und Sätze zu verstehen.

Das Leseniveau in Ausbildungsjahren anzugeben, ist ebenfalls nur eine Annäherung. Wenn wir sagen, dass ein Leseniveau von 12 mit der Hochschulreife gleichgesetzt wird, bedeutet das, dass der Schüler fleissig genug gewesen sein muss, um die Inhalte und Themen der Schulstufe zu beherrschen. Viele Menschen schliessen die Schule trotz schlechter Lesekompetenz ab und hätten mit einem Text auf Leseniveau der 12. Klasse Probleme.

Verständlichkeit

Definition: Die Verständlichkeit misst, ob ein Nutzer die beabsichtigte Bedeutung eines Texts versteht und die richtigen Schlussfolgerungen aus dem Text ziehen kann. Im Fall von informativen oder handlungsorientierten Inhalten möchten wir, dass Nutzer die beabsichtigten Handlungen durchführen können, nachdem sie den Text gelesen haben.

Die wichtigsten Richtlinien für Verständlichkeit sind:

  • Verwenden Sie eine nutzerzentrierte Sprache. Begriffe, die Ihrem Publikum bekannt sind, erleichtern das Verständnis.
  • Falls Sie auf ein spezialisiertes Publikum abzielen (z.B. auf einer B2B-, Wissenschafts- oder Liebhaber-/Fan-/Hobby-Website), verwenden Sie die spezielle Terminologie dieses Fachbereichs – selbst wenn einige dieser Wörter für ein breites Publikum schwer zu verstehen sind und daher den Lesbarkeitswert senken.
  • Verwenden Sie einen Schreibstil, der dem Prinzip der umgekehrten Pyramide folgt: beginnen Sie mit der Schlussfolgerung oder einem Überblick über die Hauptpunkte. Menschen verstehen Unterpunkte besser, wenn sie bereits die Grundlagen kennen.
  • Minimieren Sie die kognitive Belastung, indem Sie auf bestehende mentale Modelle aufbauen und dadurch den Bedarf reduzieren, sich an Dinge aus anderen Textteilen zu erinnern.
  • Bilder oder konzeptuelle Diagrammen können Dinge oft besser erklären, als viele Worte.
  • Fassen Sie sich kurz. Wenn Sie weniger sagen, bemühen sich Menschen mit grösserer Wahrscheinlichkeit, zu verstehen, was Sie zu sagen haben.
  • Falls Ihnen mobile Nutzer wichtig sind, fassen Sie sich noch kürzer und vereinfachen Sie Texte noch stärker. Das kleine Sichtfeld schadet der Verständlichkeit, da Nutzer auf einen Blick nur wenig Kontext erfassen können und nicht einfach zu zuvor gelesenen Informationen zurückkehren können.

Die Verständlichkeit testen

Die geeignetste Methode, um die Verständlichkeit von Webinhalten zu testen, sind Standard-Nutzertests, an denen geringfügige Änderungen zum Testen des Inhalts vorgenommen wurden. Die einzige Möglichkeit, um herauszufinden, ob Menschen die richtigen Schlussfolgerungen aus Ihren Texten ziehen, ist es, sie realistische Aufgaben durchführen zu lassen und zu beobachten, wie sie die Informationen der Website interpretieren, während sie diesen begegnen.

Nachdem die Studienteilnehmer ihre Testaufgaben durchgeführt haben, können wir ausserdem das Verständnis messen, indem wir sie verschiedene Aufgaben absolvieren lassen. Diese können von einfachen Gedächtnistests bis hin zu komplexeren Fragen, die das Verständnis des Materials wirklich testen, reichen. Im Rahmen einer Fallstudie schrieben wir eine Website über ein komplexes B2B-Produkt um. Nachdem sie die neue Version der Website verwendet hatten, erinnerten sich die Nutzer an 65% der Produkteigenschaften, nach denen wir sie befragten – und damit an fast doppelt so viele, wie die 33% der Eigenschaften, an die sich ähnliche TestNutzer nach der Lektüre des ursprünglichen Inhalts erinnerten.

Sie können einzelne Inhaltselemente, die besonders wichtig sind oder bei Nutzertests Probleme bereitet hatten, auch einem Lückentexttest unterziehen. Der Lückentext-Test liefert einen eindeutigen Wert, weshalb Sie den Test nach einer Neuformulierung wiederholen können, um herauszufinden, ob der Text ausreichend verbessert wurde.

Content-Usability: Über Erkennbarkeit, Lesbarkeit und Verständlichkeit hinaus

Sie könnten annehmen, dass die 3 Kriterien, die wir in diesem Artikel behandelt haben, ausreichen, um tolle Webinhalte zu erstellen. Das ist allerdings nicht der Fall. Sie sind notwendig, aber nicht ausreichend.

Nur weil Menschen Ihre Inhalte lesen und verstehen können, bedeutet das nicht, dass sie das auch tun werden. Bei einem durchschnittlichen Webseitenbesuch lesen Nutzer nur 28% der Wörter. Im Internet stehen so viel Informationen zur Verfügung, dass Menschen Texte normalerweise überfliegen, anstatt sie zu lesen.

Dennoch lesen Nutzer manchmal Webinhalte – besonders wenn sie die Informationen interessieren. Das wichtigste Kriterium ist es, schnell die Aufmerksamkeit der Nutzer zu wecken und ihr Interesse zu wecken, bevor sie sich dafür entscheiden, die Website zu verlassen (was sie häufig sofort tun). Überschriften sind besonders wichtig für die schnelle Kommunikation und die ersten Wörter sind sogar noch wichtiger, wenn man die Vorliebe der Nutzer für das Überfliegen von Texten bedenkt.

Neben guter Erkennbarkeit, Lesbarkeit und Verständlichkeit, sollten Sie daher folgendes beachten:

  • Schreiben Sie so, wie Nutzer Websites lesen: klare Überschriften, ein Layout, das überflogen werden kann.
  • Konzentrieren Sie sich auf Informationen, die Nutzer interessieren, nicht auf Dinge, die Sie bewerben möchten.
  • Kommunizieren Sie ganz oben auf der Seite, dass Ihr Inhalt interessant und nützlich für den Nutzer ist.

© Deutsche Version. Institut für Software-Ergonomie und Usability AG. Alle Rechte vorbehalten.

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