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16.02.2002

Offizielle Webseite der Olympischen Winterspiele: Nicht einmal Bronze

Dass die Webseite der Olympischen Spiele von Salt Lake City die Homepage-Usability-Richtlinien zu 70% einhält, ist nur einem frühzeitigen Eingreifen und Nachbessern zu verdanken. Die Aufgabenunterstützung innerhalb der Webseite ist jedoch immer noch alles andere als medaillenverdächtig.

 

by Jakob Nielsen (deutsche Übersetzung) - 17.02.2002

 

Wenn es um etablierte Usability-Richtlinien geht, schneidet die offizielle Website der Olympischen Winterspiele 2002 von Salt Lake City generell schlecht ab. Sie erreicht nur gerade mal:

  • 80% der 28 Richtlinien für Sitemap-Usability
  • 70% der 113 Richtlinien für Homepage-Usability
  • 44% der 21 Richtlinien für Locator-Usability (Hilfe für die Nutzer, Lokalitäten wie Sportveranstaltungsorte zu finden)
  • 36% der 207 Richtlinien für e-commerce-Usability (für den Souvenirladen)

Die Sitemap allerdings verdient Silber: Es kommt nur selten vor, dass Webseiten für die Einhaltung von Usability-Richtlinien ca. 80% erreichen. Da es immer gute Gründe gibt, von einigen vorgegebenen Richtlinien abzuweichen, erreicht eine perfekte Sitemap ca. 90%. Somit kann sich die Sitemap der Olympischen Spiele noch um rund 10% verbessern bevor sie Goldanwärterin wird.

Die internationale Reichweite lässt trotz des internationalen Charakters der Olympischen Spiele zu wünschen übrig. Ein Plus ist der einfache Link von der Homepage zum französischen Inhalt, ein grosses Minus aber dessen fade Aufmachung (und die Tatsache, dass die Navigationssprache Englisch bleibt, auch wenn man Französisch anklickt). Die Webseite hält die Richtlinien für den Support internationaler User zu nur 25% ein.

Verbesserung der Homepage während der Spiele

Nachdem WIRED eine Kritik der Olympia-Website veröffentlicht hatte, wurden einige der Usability-Probleme behoben. Angesichts der Tatsache, dass die Spiele bereits im vollen Gang waren, konnte kein komplettes Redesign erwartet werden. Doch wie man an diesem Fall sehen kann, ist eine Designverbesserung eine gute Möglichkeit, soviel wie möglich zu ändern. Fotos sind nun zum Beispiel genauer zugeschnitten als vor der Nachbesserung, als noch zu detaillierte Bilder benutzt wurden.

Mit der Nachbesserung erreicht die Homepage 70%, womit sie in den Bronze-Bereich vorstösst (im Vergleich zu 66% vorher). Obwohl der relativ hohe Wert für die Homepage-Usability löblich ist, überrascht es doch, wie viel tiefer die Usability-Werte liegen, sobald wir uns den aufgabenorientierten Teilen der Site zuwenden.

Dies ist ein häufiger Fehler: Bei Projekten mit prestigeorientiertem Design wird die Aufmerksamkeit auf die Homepage gelegt, während der Rest der Site vernachlässigt wird.

Ein Beispiel:
Obwohl die Site über sehr gute Karten und Sitzpläne verfügt, wird es den Besuchern unnötig schwer gemacht, den gewünschten Veranstaltungsort zu finden. Jede Sportart hat eine Subsite, die eine Hauptseite mit genauen Informationen enthält. So weit, so gut. Die Hauptseite der einzelnen Sportarten verfügt sogar über einen auffälligen Link zu den Veranstaltungsorten, auf den man offensichtlich klicken muss, wenn man Wegauskünfte braucht.

Wenn man aber zum Beispiel von der Skisprungseite aus auf "Venue" klickt, gelangt man leider nicht auf eine Seite für Skisprungveranstaltungen, sondern zu einer allgemeinen Karte des Gebietes - und dann muss man raten, wo die Skisprungwettbewerbe stattfinden. Die wenig spezifischen Links sind eine der Hauptursachen für die schlechten Usability-Werte, die das Web heute erreicht. Wie wäre es mit einem direkten Link vom Skispringen zum Berg, auf dem die Wettbewerbe stattfinden?

Offizielle Site oder nicht?

Kurz vor der Eröffnung der Spiele ergab eine Google-Suche nach "winter olympics" Folgendes:

Suche bei nach winter olympics

Welche dieser Sites ist nun die offizielle Hauptseite? Obwohl "International Olympic Committee" und "offical website" beide vielversprechend klingen, scheint die tatsächliche Seite der Olympischen Winterspiele die am wenigsten Wahrscheinliche zu sein, da an dieser Stelle in erster Linie Werbung für JavaScript erscheint.

Mehrere Webseiten sind ein sicherer Weg, die Nutzer zu verwirren. Wenn es unvermeidlich ist, sollte Microcontent wie Seitentitel und Suchmaschinenbeschreibungen eingefügt werden, der den Zweck jeder Site vollkommen klar macht.

Nicht bewertet: Zugänglichkeit und PR

Ich habe die Olympia-Site nicht im Hinblick auf die Einhaltung der 75 Richtlinien zur Verbesserung der Usability für User mit Behinderungen bewertet. Es wurde bereits anderswo dokumentiert, dass die Seite viele der grundlegenden Richtlinien für technische Zugänglichkeit verletzt - und es ist eine Binsenweisheit, dass Nutzer, die nicht einmal in die Seite hineinkommen, sie auch nicht nutzen können.

Ein offensichtlicher Punkt, der die Gebrauchstauglichkeit für Menschen mit einer Sehschwäche verschlechtert: Die Seite verwendet eine fixe Schriftgrösse, so dass der Text nicht kleiner oder grösser gemacht und an die jeweiligen Lesevorlieben am Bildschirm angepasst werden kann.

Die Drop-down-Menüs, die auf dem Bildschirm erscheinen, wenn man mit der Maus darüber fährt, sind ärgerlich und für alle Nutzer mühsam zu verwenden; sie verursachen allen Nutzern mit motorischen Problemen erhebliche Schwierigkeiten.

Da die Olympischen Spiele ein wichtiger Nachrichten-Event sind, war ich gespannt, wie gut die Site die 32 Richtlinien für die PR-Bereiche von Websites einhalten würde. Die offizielle Webseite verfügt jedoch über keine Presse- oder PR-Links, so dass dieser Teil wohl mit 0% zu bewerten ist. Ich zweifle nicht daran, dass intensive PR-Bemühungen zur Unterstützung von Medienvertretern vor Ort lanciert werden. Aber was ist mit kleineren Zeitungen, die es sich nicht leisten können, einen Reporter nach Salt Lake City zu schicken? Das Web erlaubt eine viel grössere Reichweite als die traditionellen Medien, und es eignet sich besonders gut für die Unterstützung spezieller Interessengruppen - wie zum Beispiel Fans des französischen Curling-Teams.

Mehr Glück in Athen

Obwohl die Webseite von Salt Lake City Silber für ihre Sitemap und Bronze für ihre nachgebesserte Homepage gewann, ist die allgemeine Usability der Webseite alles andere als medaillenverdächtig. Hoffen wir, dass sich die griechischen Webdesigner diese Lektion zu Herzen nehmen und für die Spiele 2004 von Athen eine bessere Webseite erstellen.

 

© Deutsche Version von Jakob Nielsens Alertbox. Institut für Software-Ergonomie und Usability AG. Alle Rechte vorbehalten.

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