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23.10.2011

Online-Shop-Usability

Die Websites haben sich verbessert und wir wissen jetzt viel mehr über die Usability des Online-Verkaufs. Heutzutage sind schlechte Inhalte der wichtigste Grund für Nutzungspannen.

 

by Jakob Nielsen (deutsche Übersetzung) - 24.10.2011

 

Seit unseren ersten Studien zur E-Commerce-Usability sind elf Jahre vergangen - definitiv genug Zeit also, das Thema einer Revision zu unterziehen. Was kommt unterm Strich dabei heraus? Die Anzahl der Usability-Richtlinien für Online-Shops ist von 207 in der ersten Ausgabe des Berichts auf 874 in der neuesten Ausgabe angewachsen. Wenn wir das als grobes Mass nehmen, wissen wir heute also 4,2 mal so viel über das Nutzererlebnis im E-Commerce wie damals zu Zeiten der Dot-com-Blase.

Deutliche Verbesserungen in der Usability

Bei unserer Studie vor elf Jahren haben wir in den damaligen Online-Shops über die 496 Aufgaben hinweg eine Erfolgsrate von 56% gemessen. In unserer jetzigen Studie haben wir 507 E-Commerce-Aufgaben beobachtet und eine Erfolgsrate von 72% gemessen.

Mit anderen Worten, während der Dot-com-Blase die Nutzer beim Versuch, in Online-Shops einzukaufen, in der Hälfte der Fälle keinen Erfolg. Kein Wunder also, dass die Blase platzte, wenn die Websites so schlecht waren. Heutzutage haben die Nutzer in etwas mehr als einem Viertel der Fälle keinen Erfolg. Die Websites lassen also nach wie vor jede Menge Geld auf dem Tisch liegen, aber nicht mehr so viel wie früher.

Heute besteht der Hauptgrund für unsere Empfehlung, die Usability von Online-Shops zu verbessern, in dem Konkurrenzdruck durch andere Websites, die es besser hinbekommen. Heutzutage sind die Konsumenten nicht damit zufrieden, dass eine Website es einfach nur möglich macht einzukaufen; sie wollen dabei auch etwas Angenehmes erleben. Man könnte die Verbesserung des Designs immer noch schlicht damit begründen, dass die Nutzer weniger häufig Misserfolge haben sollen. Doch es ist inzwischen nötig, über die blosse Betrachtung von Erfolgsraten hinauszugehen - wenn auch die Fähigkeit der Nutzer, eine Aufgabe erfolgreich abzuschliessen, nach wie vor das erste Erfordernis bleibt.

Die Suche bleibt ein wunder Punkt, auch wenn sie sich inzwischen etwas verbessert hat. Bei unserer ersten Studie hatten die Nutzer bei ihrem ersten Suchversuch in Online-Shops in 51% der Fälle Erfolg. In unserer aktuellen Studie waren die Nutzer bei ihrer ersten Suche innerhalb der Website in 64% der Fälle erfolgreich.

Aber die Erwartungen der Nutzer an die Suchqualität gehen weit über das hinaus, was aktuelle Websites wirklich liefern. Wie bei den meisten Aspekten der Web-Usability werden die Nutzererwartungen bestimmt durch die angesammelten Nutzererfahrungen aus dem gesamten Internet. (Wie das Jakobsche Gesetz sagt: Die Nutzer verbringen den grössten Teil ihrer Zeit auf anderen Websites als der Ihrigen.) Im Fall der Suche sind das Google und die anderen grossen Suchmaschinen, die zwar nicht perfekt sind, aber sehr gut funktionieren.

Wenn die Nutzer in einem Online-Shop etwas suchen und es nicht finden, glauben sie oft, dass der Shop das gewünschte Produkt nicht anbietet. Die Nutzer haben keine besonders guten Suchfähigkeiten und verlassen normalerweise lieber eine Website, als dort herauszufinden, wie sie ihre Suchanfragen umformulieren könnten.

Die alten Forschungsergebnisse haben Bestand

Unsere erste Studie berichtete über laborgestützte Usability-Tests von 20 Websites aus 7 Produktkategorien: Kleidung, Kaufhäuser, Unterhaltung, Blumen, Nahrungsmittel, Möbel und Spielzeug. Wir haben damals in zwei Ländern getestet: den USA und Dänemark. Auch wenn das recht beschränkt war, war es doch mehr, als irgendein anderer zu der Zeit getan hatte. Und: von den resultierenden 207 frühen Design-Richtlinien wurden 206 in unserer jüngsten, viel weiter ausgefeilten Studie bestätigt.

Welche Richtlinie wird zurückgezogen haben? Bieten Sie eine besondere Willkommensseite für neue Kunden an. Heutzutage kann man annehmen, dass Nutzer, die zum ersten Mal auf Ihre Website kommen, mit hoher Wahrscheinlichkeit auf anderen Websites bereits eingekauft haben. E-Commerce ist nichts Neues mehr und man muss den Nutzern nicht mehr länger erzählen, was das ist. Wenn die Website leicht zu handhaben ist, nutzen die Leute sie auch.

Die Tatsache, dass 99,5% unserer elf Jahre alten Richtlinien bestätigt wurden, ist ein Indiz für die Langlebigkeit von Usability-Erkenntnissen. Unsere Design-Empfehlungen basieren auf Charakteristiken des menschlichen Denkens, die sich viel langsamer ändern als die Techniken, die anscheinend so viele Menschen auf diesem Feld faszinieren.

Aktuelle Nutzerforschung

Unsere neuen Forschungen haben drei Usability-Methoden angewandt: traditionelle Nutzertests (wie in der ersten Studie), Eyetracking (Augenkamera-Studien) und Feldforschung in Form von Tagebuchstudien. Wir haben die Studien in drei Ländern durchgeführt: die meisten Sitzungen in den Vereinigten Staaten (Georgia, Indiana und New York), eine kleinere Anzahl mit Nutzern in China und Grossbritannien.

Insgesamt haben die Nutzer 206 Websites getestet - mehr als zehnmal so viele wie in unserer ersten Studie. Wie oben erwähnt, haben wir "nur" 4,2 Mal so viele Usability-Richtlinien identifiziert, was anzeigt, in welchem Grad sich der Zuwachs der Ergebnisse verringert, wenn man den Umfang der Nutzerforschung steigert.

Die getesteten Websites haben ein unglaublich breites Spektrum von Branchen und Produkten abgedeckt, von der Hoch- zur Trivialkultur (Pariser Museumspass und NASCAR-Autorennen), von billig zu teuer (Walmart und Tiffany’s), von virtuell zu physisch (Ticketmaster und The Container Store), vom Publikumsinteresse zu hochgradigem Spezialinteresse (Zappos und Lightbulbs.com).

Mit Ausnahme der Tagebuchstudien wurden alle Studien als direkte empirische Beobachtung des wirklichen Verhaltens von Nutzern durchgeführt, während sie gerade mit Online-Shopping beschäftigt waren. Wir sassen direkt neben den Nutzern, jeweils im Einzelkontakt, und haben sie gebeten, laut zu denken, während sie bestimmte Aufgaben ausführten. Dieser Forschungsansatz liefert tiefe Einsichten in die Gründe, aus denen Nutzer sich so verhalten, wie sie es tun, und führt zu Ergebnissen, die auf anderem Wege nicht ermittelbar sind.

Einige Testaufgaben waren hochgradig zielgerichtet, um das Ausmass zu ermitteln, mit dem ein Design Nutzer unterstützt, die mit einem bestimmten Ziel auf die Website gelangen. Zum Beispiel: "Kaufen Sie eine im Fenster montierbare Klimaanlage für einen 10 mal 20 Fuss grossen Raum. Wählen Sie ein energieeffizientes Modell mit Fernsteuerung. Kaufen Sie es auf www.homedepot.com."

Andere Aufgaben waren breiter angelegt, um das Ausmass zu ermitteln, mit dem eine Website Nutzer inspiriert, die noch nichts Spezielles vorhaben. Zum Beispiel: "Sie haben gerade eine Belobigung und einen Bonus erhalten und wollen sich selbst eine Belohnung gönnen. Kaufen Sie sich etwas. Geben Sie bis zu £200 bei Links of London aus."

Dazu haben wir Internet-übergreifende Aufgaben getestet, bei denen nicht vorgegeben war, welche Website die Nutzer besuchen sollten. In einer Aufgabe zum Beispiel haben wir den Nutzern eine defekte Glühbirne gegeben und die folgende Anleitung: "Die Glühbirne in Ihrer Schreibtischlampe ist durchgebrannt. Sorgen Sie für Ersatz."

Schliesslich haben wir auch eine Anzahl von Kundendienst-Aufgaben getestet. Zum Beispiel: "Bekommen Sie im Fall einer Taifun-Warnung eine Erstattung für Tickets, die Sie bei cinema.com.hk gekauft haben?"

Inwieweit verschiedene Kundentypen unterstützt werden

Bei unserer Tagebuchstudie haben wir beobachtet, warum und wie die Leute aus eigenem Antrieb einkaufen, wenn es keine Testaufgaben gibt, die sie erfüllen sollen. Insgesamt haben die Tagebuchschreiber 263 Besuche in Online-Shops aufgezeichnet.

In zwei Drittel der Fälle haben die Nutzer eine Website mit einem vorgefassten Ziel aufgesucht: 35% der Besuche dienten dazu, eine bestimmte Art von Produkt zu finden (ohne dass man ein spezifisches Produkt im Kopf hatte), und 27% der Besuche dienten dazu, ein spezifisches Produkt zu finden.

In einem Drittel der Fälle besuchten die Nutzer eine Website, um nachzusehen, was sie im Angebot hat. Solche Besuche wurden oft durch den Empfang eines E-Mail-Newsletter ausgelöst oder durch andere Nachrichten über Preisnachlässe und Sonderangebote.

Die Websites müssen alle vier Nutzungstypen unterstützen:

  • Käufe von bekannten Produkten;
  • Kategorie-Recherchen, bei denen die Nutzer Produkte ermitteln und kaufen, die am besten zu Ihren Anforderungen passen;
  • Schnäppchenjagden; und
  • die Suche nach Inspiration.

Dazu kommen Nutzer, die nur einmal einkaufen. Sie kennen die Website nicht, und sie haben auch nicht vor wiederzukommen, aber sie möchten vielleicht einmal dort einkaufen (weil sie zum Beispiel einen Geschenkgutschein bekommen haben, oder weil ein Angehöriger sich ein Geschenk gewünscht hat, das es auf dieser Website gibt).

Schlechte Inhalte blocken Käufe ab

Die erste Regel des E-Commerce-Designs bleibt: Wenn ein Kunde das Produkt nicht finden kann, kann der Kunde das Produkt auch nicht kaufen.

Aber bei unseren aktuellen Studien lag das Hauptproblem nicht so sehr darin, das Produkt zu finden, sondern darin, Informationen über das Produkt zu finden. In der Tat wurden 55% der 143 von uns beobachteten Fälle, in denen Nutzer Misserfolge hatten, von schlechten Inhalten verursacht - in der Regel von unvollständigen oder unklaren Informationen oder von irreführenden Fehlermeldungen. Manchmal haben die Nutzer angegeben, dass sie vorhatten, die Website anzurufen oder ihr zu mailen, ein deutliches Anzeichen dafür, dass die Firma die Gelegenheit verpasst hatte, diese Fragen auf der Website selbst zu beantworten.

Inhalte können verbal oder visuell sein. In jedem Fall müssen sie die Informationen liefern, die die Nutzer brauchen, um sich für Produkte entscheiden zu können und um sich gut dabei zu fühlen, wenn sie der Website ihr Geld anvertrauen.

Der grosse Nachteil des E-Commerce besteht darin, dass die Nutzer die Angebote nicht berühren, fühlen, wirklich anschauen, schmecken oder riechen können. Auch müssen die Kunden jene enorme Glaubwürdigkeit vermissen, die darin liegt, dass man den Einkauf in der Hand hat, bevor man den Preis dafür bezahlt. Will sagen, es fehlt das taktile Erlebnis. Online-Shopping ist ein rein informationelles Erlebnis. (Oder ein Nutzererlebnis, wie wir zu sagen pflegen.) Auch aus dieser Tatsache ergibt sich ein enormer Bonus für gute Inhalte. Und viele Websites schaffen es nicht, diese zu liefern.

Und schliesslich: Wie oft sollen wir noch die Richtlinie wiederholen, dass die Website Nutzern, die um ein grösseres Bild bitten, ein sehr viel grösseres Bild anbieten soll? Inadäquate Vergrösserungsraten bei Fotos waren die Nummer 10 in der Liste der 10 grössten Webdesign-Fehler von 2005. So alt die Richtlinie ist, sie wird immer noch häufig verletzt.

Loyalität führt zu Geschäften

Einer unserer Studienteilnehmer hat gesagt: "Wenn ich irgendwo eine gute Erfahrung gemacht habe, bleibe ich für immer dabei." Nicht alle Besucher sind so loyal, aber unsere Forschung zeigt die riesigen Vorteile an, die es bringt, die Kundenloyalität im E-Commerce zu pflegen.

Bei den internet-übergreifenden Aufgaben haben wir nicht vorgegeben, welche Website die Nutzer aufsuchen sollten, um ihre Einkäufe zu tätigen. Es überraschte nicht, dass die Hälfte der Nutzer direkt zu einer Suchmaschine gingen. Doch es war schon eine kleine Überraschung, dass die andere Hälfte der Nutzer direkt zu einer Website gingen, die sie schon kannten.

Die Mautstationen der Suchmaschinen auf der Informationsautobahn zu umgehen ist der erste Nutzen der Loyalität. Aber die Vorteile gehen noch viel weiter.

Von den Nutzern, die mit einer Suche im Web begannen, haben nur 39% ihre Aufgabe auf der ersten Website abgeschlossen, die sie auf der Suchergebnisseite ausgewählt hatten. Das heisst: Zwei Drittel der Suchmaschinennutzer haben ihre erste Liebe wieder verlassen und das Geschäft anderswo abgeschlossen. Dieses Ergebnis demonstriert, dass SEO (Suchmaschinen-Optimierung) und ein gutes Ranking in der Suche zwar notwendig sind, aber nicht hinreichend für den Geschäftserfolg im Internet. Es ist in der Tat wichtiger, die Nutzer zufrieden zu stellen, sobald sie auf Ihrer Website angekommen sind. Suchmaschinennutzer verschwenden nur wenig Loyalität auf die Websites, die sie zufällig angeklickt haben.

Im Gegensatz dazu haben die Nutzer, die die Suche übersprungen haben und direkt zu einer präferierten Website gegangen sind, mit überwältigender Mehrheit auch ihr Geld dort gelassen: 71% haben es so gehalten, während nur 29% ihre Aufgabe anderswo abgeschlossen haben. (Natürlich stellt auch diese letzte Gruppe eine signifikante Menge an verlorenem Absatz dar; klar, Sie bekommen E-Commerce-Nutzer nie mit Garantie, auch dann nicht, wenn sie mit Ihrer Website loyal sind.)

Die Vorteile der Loyalität könnten Sie dazu bringen, aggressive Registrierungsansprüche zu stellen, aber das wäre ein Fehler. Sie müssen Ihre Erstbesucher erst überzeugen, bevor sie zu Stammkunden werden können, und die Nutzer hassen vorgeschaltete Registrierungsprozeduren. Auf der anderen Seite beklagen sich die Nutzer oft über die stumpfsinnig lange Eingabe aller möglichen Daten, die abgefragt werden, um einen Kauf abschliessen zu können. Auf diese Weise können Sie vielleicht Wiederholungskäufer überzeugen, sich zu registrieren, indem Sie sie an die Zeitersparnis an der Kasse erinnern.

Im Allgemeinen würden Websites von einer auf längere Sicht angelegten Perspektive des gesamten Kaufzyklus und des Nutzergesamterlebnisses profitieren. Eine transmediale Design-Strategie könnte über die Haupt-Website hinausreichen und eine mobile Site umfassen, eine E-Mail-Newsletter-Strategie, einen guten Kundendienst (inklusive guter Bestätigungsmeldungen). Ja, das E-Commerce-Nutzererlebnis ist schon recht weit fortgeschritten, aber es muss noch viel weiter gehen, um wirklich die Bedürfnisse der Nutzer zu befriedigen.

 

© Deutsche Version von Jakob Nielsens Alertbox. Institut für Software-Ergonomie und Usability AG. Alle Rechte vorbehalten.

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