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01.01.2007

Schnell, gut und günstig: Ja, das geht alles

Je eher Sie eine Usability-Studie durchführen, desto mehr hat Ihr Entwicklungsprozess davon. Langsamere Methoden sollten bis zum jährlichen Usability-Check aufgeschoben werden.

 

by Jakob Nielsen (deutsche Übersetzung) - 02.01.2007

 

In der Unternehmensberatung gibt es eine alte Redensart: "Schnell, gut und günstig - nimm gleich zwei davon." Der Gedanke ist folgender: Wenn man etwas schnell und günstig erledigt haben will, wird es eine geringe Qualität haben. Wenn man etwas schnell und gut erledigt haben will, wird es teuer usw. Diese Maxime stimmt zwar in vielen Bereichen, jedoch nicht für einen wichtigen Aspekt der Usability: die Methodik.

In Sachen Usability sind die schnellsten und günstigsten Methoden oft die besten.

Natürlich muss man in jeder Diskussion über Werte wie "gut" und "am besten" zunächst die Qualitätskriterien definieren. Mein Hauptqualitätskriterium für Usability ist, dass es die Welt verändert. In anderen Worten: Usability-Methoden müssen die Produktentwicklung beeinflussen und zu spürbaren Verbesserungen im ausgelieferten Design führen.

Manchmal ist ein weiteres Kriterium relevant: der Wert und die Tiefe der Erkenntnisse, welche man vom Nutzerverhalten ableiten kann. Wenn es um Einblicke geht, kann man nicht gleichzeitig schnell, gut und günstig sein. Wirklich tiefe Einsichten verlangen fortgeschrittene Usability-Methoden, ausführliche Recherche und ausreichend Zeit, um die Daten auszuwerten. Zum Beispiel sollten Sie Feldforschung betreiben, in der Sie die Nutzer in ihrer gewöhnten Umgebung beobachten. Leider ist das teuer und zeitraubend.

Wann man auf schnell und günstig setzen sollte

Für gewöhnliche Designprojekte sind billige Usability-Methoden die besten. Allgemein kann man sagen: Je schneller und günstiger die Studie, desto grösser ist ihr Einfluss, weil die Ergebnisse früh genug erscheinen, um das grundlegende Gerüst ihres Systems zu verändern.

Darum bin ich auch so ein starker Befürworter von Papier-Prototypen: Skizzieren Sie ein paar Ihrer Design-Ideen für wenige Bildschirmseiten, bevor Sie Ressourcen für detailliertes Design und Implementierung verbrauchen. Testen Sie jedes Design mit 5 Nutzern. Und führen Sie viele Runden von Nutzertests durch. Je billiger eine Runde, desto mehr Runden können Sie sich mit Ihrem Budget leisten, und desto mehr werden Sie über die Bedürfnisse von Nutzern erfahren.

Manche beklagen, dass günstige und schnelle Usability-Studien nicht alles über ein Design verraten. Aber das tut nichts zur Sache. Natürlich würde eine grosse Studie mehr Ergebnisse erbringen, aber diese Ergebnisse kämen zu spät, um die grossen Design-Entscheidungen zu beeinflussen. Und ausserdem bringt Ihnen die zweite oder dritte Testrunde all das, was Sie in der ersten, schnellen Studie vielleicht vermissen.

Der jährliche Usability-Check

Schnelle und günstige Usability ist normalerweise am besten, doch manchmal sollte man einen Schritt zurückgehen und die Dinge aus einer höheren Perspektive betrachten. Bei wichtigen Projekten sollten Sie das einmal jährlich machen. Für weniger wichtige Projekte oder solche, die nur langsam voranschreiten, reicht ein Check alle zwei oder drei Jahre.

Der gross angelegte Check besteht aus drei Komponenten:

  • Eine unabhängige Bewertung durch einen aussenstehenden Experten. Usability beruht auf Ihrer Fähigkeit, die Dinge von aussen zu betrachten, denn alle Ihre Kunden sind Aussenstehende. Einer der Haupt-Nachteile, wenn Sie das ganze Jahr für dieselbe Firma arbeiten, liegt darin, dass Sie sich eventuell an deren Denken gewöhnen und davon ausgehen, dass es ganz natürlich und intuitiv sei, wie Ihre Website funktioniert. Aber "intuitiv" bedeutet lediglich, die Dinge sind so, "wie man es mittlerweile gewohnt ist". Wenn Sie jemanden haben, der Ihr Design von einer neuen Perspektive aus betrachtet, rüttelt Sie das wach und Sie bekommen eine neutralere Bewertung Ihres Usability-Niveaus im Vergleich mit dem Rest der Welt. Es ist ebenfalls eine gute Idee, neue Arbeitskollegen in Ihrer Usability-Abteilung sofort eine Bewertung Ihres Designs schreiben zu lassen, so lange sie noch eine Aussensicht haben.

    • Wenn Sie ein Intranet betreiben, sind Ihre Nutzer natürlich alle Insider; dann ist es weniger ein Problem, dass Sie selbst in der Firma eingebettet sind. Trotzdem ist es nützlich, wenn Sie die Usability Ihres Intranets von einem Unabhängigen bewerten lassen, der sich schon mit einer Menge anderer Intranets beschäftigt hat.

  • Eine Wettbewerbsstudie, die Ihr Design mit dem von drei Konkurrenten vergleicht. Solche Studien sind teuer und benötigen Zeit, aber sie sind der beste Weg, um tiefe Einblicke in das Verhalten von Kunden und strategische Ideen für die nächsten Design-Projekte zu gewinnen. Ihre Konkurrenten geben eine Menge Zeit und Geld aus, um Lösungen für annähernd dieselben Probleme wie die Ihrigen zu gestalten. Im Vergleich zu deren Investitionen ist es ziemlich billig, wenn Sie 40.000 $ für eine Wettbewerbsstudie ausgeben, um herauszufinden, welche dieser Ideen funktionieren und welche floppen.

    • Leider können Intranet-Teams keine Wettbewerbsstudien ausführen. Lesen Sie stattdessen jährlich das Jahrbuch der 10 besten Intranet-Designs, um mit 10 preisgekürten Designs mithalten zu können.

  • Eine Vorher-Nachher-Studie, um die Messwerte Ihrer Usability zu ermitteln und zu erkennen, um wie viel Sie sich im Vergleich zum letzten Jahr verbessert haben. Quantitative Studien sind die teuersten von allen und stecken voller Fallstricke, wenn Sie nicht eine makellose Methodik anwenden. Deshalb sind sie hinsichtlich der Usability nur etwas für Firmen des höchsten organisatorischen Reifegrades.

Diese drei Schritte sind kostspielig. Vielleicht können Sie nicht jedes Jahr alle drei durchführen lassen, aber planen Sie zumindest eine ein. Das wird Ihnen die tiefen Eindrücke vermitteln, die Sie benötigen. Durchlaufen Sie danach den Rest des Jahres so schnell, wie Sie können, und führen Sie Schnellstudien durch, damit Ihre Design-Projekte auf der richtigen Spur bleiben und Ihr Design-Team stets auf den neuesten Stand der Nutzer-Bedürfnisse ist.

 

© Deutsche Version von Jakob Nielsens Alertbox. Institut für Software-Ergonomie und Usability AG. Alle Rechte vorbehalten.

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