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11.10.2009

Streams, Walls, Feeds: Inhalte verbreiten über soziale Netzwerke und RSS

Die Nutzer mögen die Einfachheit von Meldungen, die mit der Zeit in Vergessenheit geraten, sind aber oft frustriert wegen nicht überfliegbaren Texten, zu häufigen Postings und der Schwierigkeit, Unternehmen in sozialen Netzwerken wiederzufinden.

 

by Jakob Nielsen (deutsche Übersetzung) - 12.10.2009

 

Die so genannte "Mega-Informationsarchitektur" geht das Problem an, Informationen über zahlreiche externe Websites und Internetdienste zu verbreiten. Das ist keine kleine Herausforderung: Es ist schwer genug, eine Architektur für die eigene Website zu finden, aber wenn zusätzliche Websites eine weitere Verbreitung ermöglichen, kommt damit auch eine weitere Ebene der Schwierigkeit hinzu, ein gutes Nutzererlebnis sicher zu stellen.

Nutzerforschung

Um herauszufinden, wie die Nutzer mit Firmen-Postings in sozialen Netzwerken und in Newsfeeds (RSS) umgehen, haben wir zwei Forschungsrunden durchgeführt:

  • Die erste Runde wurde vor drei Jahren durchgeführt und konzentrierte sich auf Newsfeeds (RSS). Wir haben ein ganzes Spektrum von Feeds mit vier verschiedenen RSS-Lesern getestet und dabei zwei verschiedene Methoden verwendet:

    • Die meisten Sitzungen wurden als traditionelle Usability-Studien durchgeführt, wobei wir oft einen Eyetracker verwendet haben, um im Detail zu beobachten, wie die Leute die Überschriften und Anreisser im RSS lesen.
    • Ausserdem haben wir etliche Feldstudien durchgeführt und die Nutzer in ihrer Arbeitsumgebung beobachtet. Dadurch bekamen wir einen naturalistischeren Blick darauf, wie die Leute geschäftliche RSS-Feeds im Alltag nutzen.

  • Die zweite Runde (die neue Forschung) befasste sich mit vier verschiedenen sozialen Netzwerken - Facebook, Twitter, MySpace und LinkdIn -, dazu kam ein weiterer Test mit Newsfeeds. Diese Runde umfasste zweierlei Studien:

    • Die meisten Sitzungen wurden als traditionelle Usability-Studien durchgeführt, bei denen die Teilnehmer für den RSS-Teil der Studie ihre eigenen RSS-Leser (hauptsächlich Google Reader) benutzt haben. Sowohl für die sozialen Netzwerke als auch für die Newsfeeds haben wir Nutzer gebeten, in den zwei Wochen vor der Sitzung die Meldungen einiger ausgesuchter Unternehmen und Organisationen zu abonnieren. Ausserdem haben wir die Nutzer gebeten, während des Tests sich bei neuen Unternehmen einzutragen, damit wir ihr Verhalten in dem Moment beobachten konnten, wenn sie anfangen, irgend einem Neuen zu "folgen". Diese Laborstudien verschafften uns detaillierte Einsichten in das Browsing- und Leseverhalten der Teilnehmer, wenn sie sich mit Firmenmeldungen beschäftigen.
    • Ausserdem haben wir Tagebuchstudien durchgeführt, bei denen die Nutzer ihre Erfahrungen mit Firmenmeldungen in ihren existierenden sozialen Netzwerken und Newsfeed-Lesern über vier Wochen hinweg aufgezeichnet und kommentiert haben. Durch diesen Ansatz konnten wir längerfristige Nutzungsmuster untersuchen.

Insgesamt hatten wir 73 Nutzer in unserer Forschung, ungefähr gleich viel Männer und Frauen. Die meisten Teilnehmer waren in den USA, aber wir haben auch Nutzer in Grossbritannien und Australien studiert. Das Alter der Teilnehmer schwankte zwischen 20 und 59; es gab ein breites Spektrum von Berufen, vom Bank-Manager über den Datenbank-Administrator, den Elektriker, den Versicherungsmakler, die Rechtsanwältin, die Sekretärin, die Apothekerin, den kleinen Geschäftsmann bis hin zur Lehrerin.

In der zweiten Runde haben wir die Meldungen von über 120 Firmen und Organisationen getestet, die meisten davon durch einen einzelnen Nutzer, der die Meldungen ausserhalb unserer Studie gesammelt hat. Um systematischere Usability-Informationen zu erlangen, haben wir zahlreiche Nutzer gebeten, die Meldungen folgender 42 Unternehmen zu abonnieren, und haben dann ihre Usability getestet:

Firmen und BerühmtheitenBehörden und Politiker
ABC News
Adidas
Amazon.com
Bruce Springsteen
CNN
Continental Airlines
Dell
EMI Music Australia
Fairfax Digital
JetBlue Airways
Microsoft Windows
NBA
Netflix
News.com.au
Pepsi
Seacoast Online
SkyNews
STA Travel Australia
The Huffington Post
The New York Times
The Wall Street Journal
The Weather Channel Australia
Ticketek
TripAdvisor
WBZ NewsRadio
WHDH Boston
WMUR-TVaustralische Regierung
Australian Institute of Sport
Stadt Portsmouth, New Hampshire
Stadt Sydney
Department of Health and Ageing (australisches Gesundheits- und Seniorenministerium)
Kevin Rudd (australischer Premierminister)
Weisses Haus
United States Consumer Product Safety Commission (amerikanische Verbraucherschutzkommission)
United States Department of Education (amerikanisches Bildungsministerium)
United States Environmental Protection Agency (amerikanische Umweltschutz-Agentur)
Gemeinnützige und Wohlfahrtsorganisationen
American Cancer Society (amerikanische Krebsgesellschaft)
Amnesty International Australia
NPR (National Public Radio)
Oxfam America
Royal Society for the Prevention of Cruelty to Animals (RSPCA) (Königliche Tierschutzgesellschaft)


Wie die obige Liste zeigt, haben wir nur die geschäftliche Nutzung von sozialen Netzwerken und Newsfeeds studiert. Was wir nicht studiert haben, ist der rein persönliche Gebrauch dieser Dienste, der bei weitem überwiegt, und bei dem die Nutzer den Kontakt zu ihren Freunden und Familienangehörigen pflegen. Wir haben zwar die Meldungen einiger Politiker und Berühmtheiten (zum Beispiel Spitzensportlern und Musikern) getestet, also von Einzelpersonen, aber in dem Kontext, indem sie ihre Meldungen über das Internet verbreiten, fungieren sie wie Firmen und Organisationen.

Wenn zum Beispiel der Premierminister von Australien twittert, dass er nach Tasmanien fährt, dann dient das nicht dazu, seinen Kumpels vor Ort Bescheid zu sagen, dass er für einen Bierabend zur Verfügung steht. Vielmehr geht es darum, die Tatsache zu bewerben, dass er seine Aufmerksamkeit den Anliegen dieses Bundesstaates widmet. In der Tat ist es fraglich, wie einige unserer Nutzer bemerkten, ob es überhaupt der Premierminister selbst ist, der das postet, oder einer seiner Helfer.

Unsere Forschung wurde von einem spezifischen Ziel geleitet: Wir wollten daraus Richtlinien für Firmen und Organisationen ableiten. Wir waren nicht daran interessiert herauszufinden, wie Einzelpersonen am besten ihre privaten Mitteilungen machen können.

Zugleich aber erscheinen Geschäftsmeldungen hier in einem Kontext, der von persönlichen Meldungen durchdrungen ist. Dieser Kontext schafft die Voraussetzung für die Nutzung. Firmen, die zu oft veröffentlichen, verdrängen die wirklichen Freunde der Nutzer und machen sich so unbeliebt (und riskieren, abbestellt zu werden). Zu häufige Postings haben die Nutzer als ihr grösstes Ärgernis angeführt, wenn sie Firmen und Organisationen in sozialen Netzwerken verfolgen.

Die Nutzer bevorzugen einen zwangloseren Stil bei Geschäftsmeldungen in sozialen Netzwerken, als er in der Firmenkommunikation der meisten Unternehmen üblich ist. Zugleich erwarten sie von Newsfeeds, dass sie geschäftsmässiger sind und auf Geschwätz verzichten. Bei manchen Diensten mit der BBC bevorzugten die Leute eine hoch professionelle Tonart, auch in den sozialen Netzwerken.

RSS-Updates werden als glaubwürdiger und als "offiziellere" Quellen angesehen als die sozialen Netzwerkmeldungen. Die Nutzer checken ihre Newsfeeds auch mit grösserer Wahrscheinlichkeit während der Arbeit, während sie soziale Netzwerke meistens von zu Hause aus besuchen.

Zum Zeitpunkt unserer Untersuchung haben die Nutzer nur 6% der aktuellen Firmenmeldungen in sozialen Netzwerken über mobile Geräte gelesen (und 94% über normale Computer). Der Anteil des mobilen Gebrauchs mag zwar noch wachsen in dem Masse, wie sich die Mobil-Usability verbessert, aber er wird wahrscheinlich klein bleiben, weil Firmenmeldungen kaum zu den unbedingt notwendigen Informationen gehören, die die Leute brauchen, wenn sie unterwegs sind.

Die Verwaltung der Datenströme

Alle Medienformen in unserer Studie hatten einen einzelnen Strom (das heisst eine Abfolge oder eine "Wall") von Postings in umgekehrter zeitlicher Reihenfolge mit den jeweils neuesten oben. Auch wenn manche der RSS-Nutzer die Meldungen nach ihren Quellen sortiert haben, war der zeitlich geordnete Datenstrom das vorherrschende Nutzererlebnis.

Die Leute schätzen an dieser Nutzeroberfläche die eminente Einfachheit: Man braucht keine besonderen Anstrengungen oder Befehle, ausser die Liste zu überfliegen und vielleicht ein wenig zu scrollen. Die Nutzer haben nicht nach alten Postings gesucht, die sie vielleicht verpasst haben; sie waren damit zufrieden, nur die neuesten Informationen zu lesen.

Das heisst: Ist Ihre Meldung einmal von der Startseite eines Nutzers verschwunden, ist es so, als hätte sie nie existiert. Von Nutzern, die die Meldungen bis auf die zweite Seite verfolgt hätten, hat man fast noch nie gehört.

Das ist anders als bei E-Mail-Newsletters und anderen E-Mail-Nachrichten, die die Nutzer manuell löschen müssen. Meldungen im sozialen Netzwerk strömen einfach in zeitlicher Reihenfolge vorbei und verschwinden ohme Zutun der Nutzer ganz von alleine wieder. Auch wenn unsere Teilnehmer diese Tatsache schätzen, führt das jedoch dazu, dass datenstrombasierte Medien weniger mächtig sind als E-Mail-Newsletters, was den Aufbau einer Kundenbeziehung betrifft.

Die Häufigkeit der Postings

Die meisten Nutzer haben Facebook und Twitter wenigstens täglich besucht, MySpace und LinkedIn dagegen weniger oft. In Zukunft werden ohne Zweifel noch andere Dienste populär werden, aber das grundlegende Ergebnis wird wahrscheinlich gleich bleiben: Manche Dienste eignen sich für die häufige Nutzung und für zeitnahe Aktualisierungen, während andere die Sache langsamer angehen. Sie sollten Ihre Firmenmeldungen darauf entsprechend einstellen.

Wenn Sie zu selten veröffentlichen, treibt Ihr Material aus dem aktiven Zeitfenster der Nutzer heraus, ehe sie es wieder aufsuchen. Wenn Sie aber zu viel veröffentlichen, verdrängen Sie andere Meldungen.

Die drei wichtigsten menschlichen Motivationsfaktoren sind Angst, Gier und Exklusivität, und die Postings in sozialen Netzwerken können die beiden Letzteren ansprechen. Die Nutzer waren besonders daran interessiert, Aufträge zu bekommen (Gier). Den Nutzern ist zwar klar, dass Firmen-Postings gewerblichen Charakter haben - und wenig mit Freundschaft zu tun haben -, aber dennoch haben sie etwas gegen übermässig aggressive Marktschreierei. Es kommt darauf an, das richtige Gleichgewicht zu finden.

Die Nutzer wollen, dass die Postings aktuell sind. Eine Nutzerin sagte zum Beispiel, die Informationen, die sie über das soziale Netzwerk erhalte, gäben ihr das Gefühl, "die erste zu sein, die es erfährt". Solche Gefühle geben den Anhängern den Eindruck von Exklusivität.

In einigen Fällen hatten Unternehmen eine Web-Präsenz eingerichtet und sich nicht darum gekümmert, sie zu aktualisieren. Solche Website-Friedhöfe machen bei den Nutzern einen sehr schlechten Eindruck, wenn sie sich die sozialen Netzwerkfunktionen eines Unternehmens anschauen. Noch ärgerlicher waren Fälle, bei denen Freundschafts-Anfragen nicht prompt beantwortet wurden. Beginnen Sie nur dann, einen sozialen Netzwerkdienst zu verwenden, wenn Sie das Budget haben, für angemessen häufige Postings zu sorgen. Und wenn Sie später merken, dass Sie es nicht haben, seien Sie so freundlich, den Dienst zu schliessen, ehe er Spinnweben angesetzt hat.

Wie man Firmen findet, um ihnen zu folgen

Ss ist selten, dass Nutzer in sozialen Netzwerken aktiv nach Firmen und Organisationen suchen. Normalerweise bedarf es einer Art Anstoss, um einer Firma zu folgen - etwa die Empfehlung eines Freundes, eine E-Mail (Newsletter oder Bestätigungs-E-Mail) der Firma oder ein Link auf der Firmen-Website.

Leider war es gar nicht immer einfach, die Firma zu finden, der zu folgen sich ein Nutzer entschlossen hatte. Weil die aktuellen Websites von sozialen Netzwerken oft nur über schlechte Such- und Navigationsfunktionen verfügen, haben die Nutzer oft auf der eigenen Website der Firma nach Informationen zu Abonnements gesucht. Leider waren manchmal auch die eigenen Website der Firmen den Nutzern keine Hilfe, wenn sie nach den sozialen Netzwerkdiensten der Firma gesucht haben. Als Minimum sollten Sie zumindest sicherstellen, dass Ihre eigene Suchmaschine als "Top-Treffer" passende Seiten zu Tage fördert, wenn die Leute nach Begriffen wie "Twitter" oder "Facebook" suchen.

Änderungen in der Nutzung von Newsfeeds (RSS)

Da wir den Gebrauch von Newsfeeds in zwei Runden studiert haben, zwischen denen drei Jahre liegen, können wir Änderungen im Umgang der Nutzer mit diesem Format nachhalten. Das wichtigste Ergebnis ist, dass sich nicht viel geändert hat. Alle 15 Usability-Richtlinien aus der ersten Forschungsrunde wurden in der zweiten Runde bestätigt. (Allerdings haben wir einige neue Richtlinien entdeckt, so dass es jetzt insgesamt 24 Usability-Richtlinien für Newsfeeds gibt.)

Eines der Hauptergebnisse von Runde 1 war, dass technisch wenig versierte Nutzer normalerweise nicht verstehen, was der Begriff "RSS" bedeutet. Das ist heute immer noch so, und deshalb empfehlen wir immer noch, einen Ausdruck wie "RSS-Feeds" zu verwenden, damit die Abkürzung ein oder zwei erklärende Beiworte hat.

Die grösste Änderung gegenüber unserer früheren Forschung ist, dass RSS jetzt häufiger und von einem breiteren Publikum verwendet werden. Früher hatte der Gebrauch von RSS eher experimentellen Charakter, während die breite Masse der Nutzer sich nicht sicher war, wie sie diese Funktionen am besten verwenden kann. Jetzt haben sich die Leute mehr an RSS gewöhnt und wählen ihre Feeds sorgfältig aus.

Die subjektive Zufriedenheit

In Runde zwei habe die Leute gebeten, ihre Zufriedenheit mit 292 Firmenmeldungen entlang verschiedener Attribute auf einer Skala von 1-7 zu bewerten (7 als bester Wert).

Bei der Nützlichkeit haben die Meldungen am schlechtesten abgeschnitten mit einem Durchschnittswert von 4,3. Das ist weniger als bei den Zufriedenheitswerten in den meisten Usability-Studien. Man sieht, die Unternehmen müssen erst noch herausfinden, wie man den Kunden die Postings sendet, die sie wirklich haben wollen.

Die Meldungen mit den höchsten Bewertungen hatten drei Dinge gemeinsam: Sie enthielten etwas Substantielles, waren zeitnah und lieferten eine Art von Information, die die Nutzer von der jeweiligen Firma oder Organisation erwarteten.

Während die Nützlichkeit der Inhalte problematisch war, schnitten die Unternehmen bei der Glaubwürdigkeit im Allgemeinen gut ab mit einem Durchschnittswert von 5,7. Die Firmen mit geringeren Werten bei der Glaubwürdigkeit hatten in der Regel Werbung in ihren Meldungen untergebracht.

Usability von sozialen Netzwerkdiensten und RSS

Wie die Zufriedenheitsraten zeigen, haben wir noch einen langen Weg vor uns, um die Usability von sozialen Netzwerkmeldungen und RSS-Feeds zu verbessern.

Das fängt schon mit so einfachen Dingen an wie der Wahl des Benutzernamens. So hat zum Beispiel das United States Department of Education (amerikanische Bildungsministerium) als Twitter-ID "usedgov", was bei den Nutzern klingt wie "used government" ("gebrauchte Regierung"), also abschreckend. Auch Logos sahen oft schlecht aus, besonders in der kleinen Auflösung, die von manchen Diensten geboten wird. Die Nutzer brauchen die Fähigkeit, den Datenstrom zu überfliegen und dabei Logos und Benutzernamen herauszupicken, aber dieses Grundbedürfnis blieb oft unbefriedigt.

Je kürzer die Meldung, desto wichtiger ist der Text. Funktionieren Sie dafür nicht einfach die ersten x Zeichen eines längeren Textes um. Zu viele Firmen-Feeds haben sich nicht darum gekümmert, mediengerecht zu schreiben, und hatten entsprechend zu leiden, weil die Nutzer nicht wussten, ob sie die Links anklicken sollten (und es deshalb bleiben liessen).

Die gute Nachricht ist, dass es nur besser werden kann. Die Nutzer wollen diese Meldungen haben. Mit einer Einschränkung: wenn sie gut sind.

 

© Deutsche Version von Jakob Nielsens Alertbox. Institut für Software-Ergonomie und Usability AG. Alle Rechte vorbehalten.

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