• Facebook
  • Google+
  • Twitter
  • XING
11.05.2013

Usability bei neuen und bei Routineaufgaben

Wiederholte Aktionen auf Websites funktionieren meist gut, aber wenn die Nutzer etwas Neues ausprobieren, geht das oft schief.

best practice

© Pekchar - Fotolia.com

 

by Jakob Nielsen (deutsche Übersetzung) - 12.05.2013

 

Vielleicht haben Sie das Gefühl, dass Ihr eigenes Nutzererlebnis und einige der Usability-Ergebnisse, die ich zuletzt veröffentlicht habe, nicht ganz zueinander passen:

  • Im Intranet haben Angestellte eine durchschnittliche Erfolgsrate (engl.) von 74%, was auch bedeutet, dass ein Viertel der dokumentierten Aufgaben als Misserfolg endet.
  • Teenager - die vermeintlichen Technik-Beherrscher - hatten eine durchschnittliche Erfolgsrate von 71%, lagen also öfter daneben als normale Nutzer in Unternehmen.
  • E-Commerce-Nutzer fanden in 64% der Fälle beim ersten Versuch, was sie suchten, und erreichten ihr Ziel bei einer komplizierteren Suche in nur 28% der Fälle.
  • Über viele meiner aktuellen Studien hinweg habe ich die allgemeine Schlussfolgerung gezogen, dass "die Nutzer unglaublich schlecht darin sind, Dinge im Internet zu recherchieren und zu finden."

Düstere Aussichten (auch wenn es im Vergleich zu früher besser geworden ist).

Aber geht bei Ihnen auch ein Viertel der Aufgaben schief, wenn Sie das Internet verwenden? Wahrscheinlich nicht. Wenn ich von mir selbst ausgehe, kann ich sagen, dass mich das Internet zwar manchmal schlägt, aber nicht so oft, wie es die Forschungsergebnisse vermuten lassen.

Warum bei Ihnen nicht so viel schiefgeht

Es gibt eine einfache Erklärung, warum Sie und ich nicht die niedrigen Usability-Niveaus erfahren, die wir in den Usability-Studien beobachten konnten. Wenn man eine Nutzerstudie durchführt, ist die Regel Nr. 1, dass nur Nutzer rekrutiert werden, die der Zielgruppe entsprechen. Also machen wir genau das.

Deshalb zeugen unsere Ergebnisse von der Leistung durchschnittlicher Nutzer, wenn wir nicht gerade eine spezialisierte Studie durchführen, zum Beispiel wie professionelle Journalisten den PR-Bereich von Unternehmenswebsites nutzen.

Lieber Leser, Sie sind nicht der Durchschnitt. Wären Sie nur ein Durchschnittsnutzer, würden Sie diese Website nicht lesen.

  • Sie haben wahrscheinlich einen überdurchschnittlichen IQ und Bildungsgrad.
  • Sie haben mit Sicherheit ein überdurchschnittliches Lesevermögen. (Ich verwende komplexere Satzstrukturen und Vokabeln als allgemein empfohlen wird, da ich nicht für die breite Masse der Konsumenten schreibe.)
  • Sie haben in jedem Fall herausragende Kenntnisse von Webdesign-Mustern und Computerkonzepten. Selbst wenn Sie ein visueller Designer oder Marketingfachmann sind, sind Sie, sobald Sie an Internet-Projekten arbeiten, ein absoluter Profi im Vergleich mit normalen Menschen.

All dies vorausgesetzt, können Sie eben nicht einfach so, aufgrund Ihrer persönlichen Erfahrung, vorhersagen, wie gut der Durchschnittsmensch etwas verwenden wird. Sie sind einfach zu gut.

Warum bei den Nutzern nicht so viel schiefgeht

Selbst die Durchschnittsnutzer schneiden nicht jeden Tag so schlecht ab, wie sie es tun, wenn wir sie in einer Usability-Studie testen.

Der Grund dafür? Die Nutzer verbringen sehr viel Zeit auf Websites, die sie schon gut kennen. Des Weiteren sind die meisten Aufgaben, die die Menschen erledigen, relativ einfache Dinge, die sie schon unzählige Male zuvor auf der gleichen Website erledigt haben, wie zum Beispiel Nachrichten lesen, bei Facebook reinschauen oder kontrollieren, ob die Gehaltsabrechnung schon auf dem Konto gebucht ist.

Darum hassen die Nutzer Veränderungen: Sie haben endlich gelernt, wie sie gewohnte Aufgaben auf den Websites erledigen können, die sie oft besuchen. Sie haben daher bei diesen Aufgaben eine hohe Erfolgsrate - immer vorausgesetzt, dass das Design der Website gleich bleibt.

(Das ist aber kein Grund, auf alle Redesigns zu verzichten. Nur weil die Nutzer in der Lage sind, etwas zu tun, heißt das noch lange nicht, dass sie es auch gut machen; trotzdem sollten Sie eher zurückhaltend sein und die Nutzeroberfläche nicht nur um der Neuerung willen verändern.)

Ich habe keine exakten Zahlen, aber basierend auf der Beobachtung des freien Verhaltens der Nutzer in Feldstudien kann ich sagen, dass die Nutzer etwa 90% der Zeit im Internet mit vertrauten Aufgaben verbringen. Man kann also sagen, dass die Nutzer nur in 10% der Fälle etwas Neues ausprobieren.

Der Einfachheit halber arbeiten wir einfach mit diesen Prozentzahlen und behaupten weiter, dass die Nutzer bei gewohnten Aufgaben eine Erfolgsrate von 100% haben, bei neuen Anforderungen aber nur in 80% der Fälle erfolgreich sind. Mit diesen Annahmen lässt sich sagen, dass das alltägliche Nutzererlebnis über alle Aufgaben hinweg eine Erfolgsrate von 98% hat - altgewohnte und neue Aufgaben jeweils danach gewichtet, wie oft sie durchgeführt werden.

Warum also kümmern wir uns überhaupt um die Usability, wenn das alltägliche Nutzererlebnis so viel besser ist als unsere Messungen in den Usability-Labors zeigen?

Ein Grund: Die Menschen werden gar nicht erst zu erfahrenen Nutzern eines Designs, wenn sie beim ersten Versuch, das Design zu verwenden, keinen Erfolg haben.

Das gilt mit Sicherheit für Websites: Wenn die Verwendung einer Website zu kompliziert oder frustrierend ist, verlassen die Nutzer die Website und probieren es mit dem nächsten Suchmaschinenergebnis.

Wenn die Aufgabe oder die Anwendung den Nutzern sehr wichtig ist, versuchen sie es vielleicht noch einmal und überwinden einige Fehlschläge. Aber der Punkt bleibt: Etwas, bei dem die schlechte Usability gleich am Anfang hervorsticht, wird niemals der Lieblingsort sein, an den die Menschen wieder und wieder zurückkehren.

 

© Deutsche Version von Jakob Nielsens Alertbox. Institut für Software-Ergonomie und Usability AG. Alle Rechte vorbehalten.

Kommentare auf diesen Beitrag

    Keine Kommentare

Kommentar hinzufügen

Die mit * gekenzeichneten Felder sind zwingend auszufüllen