• Facebook
  • Google+
  • Twitter
  • XING
02.02.2009

25 Jahre Macintosh

Die einzelnen Funktionen waren zwar nicht neu, aber insgesamt kamen durch den Mac Integration, die Erwartung einer grafischen Nutzeroberfläche (GUI) und Konsistenz der Schnittstelle.

 

by Jakob Nielsen (deutsche Übersetzung) - 02.02.2009

 

Der Macintosh wurde am 24. Januar 1984 eingeführt. Tatsächlich wurde der Mac ursprünglich in dem Gebäude in Fremont, Kalifornien hergestellt, in dem jetzt die Nielsen Norman Group ihren Sitz hat.

Der Mac hat keine Pionierarbeit geleistet, was eine Innovation der individuellen Nutzeroberfläche betrifft. Sein herausragendstes Merkmal, die Maus, war schon 1968 von Doug Engelbart erfunden worden. Dass es ganze 16 Jahre dauerte, bis die Maus sich aus dem Labor hin zur gängigen Verwendung im Alltag vorkämpfen konnte, ist ein treffendes Beispiel dafür, wie langsam sich die Dinge im Hightech-Geschäft bewegen - vor allem, wenn es darum geht, abweichenden Designs den Weg, hin zu weit verbreiteter Nutzung, zu ebnen.

(Zugegebenermassen war die ursprüngliche Maus nicht sonderlich ansprechend: Wie ich aus eigener Erfahrung sagen kann, war das anfängliche Modell eher ein schwerer Ziegelstein mit einer unglaublich schwer zu drückenden Taste.)

Die grafische Oberfläche des Mac - gekennzeichnet durch Fenster, Symbole, Menüs und ein vom Nutzer gesteuerter Zeiger (die Oberfläche wird auch WIMP genannt - ein Akronym aus Windows, Icons, Menus, Pointing device) - war ebenfalls nicht neu.

Vor dem Mac wurde, für meine Projekte rund um die grafische Nutzeroberfläche, ein PERQ-Rechner der Three-Rivers-Computer-Gesellschaft benutzt. Unter anderem haben wir Nutzertests durchgeführt, um herauszufinden, was das beste mentale Modell für die Steuerung einer Bildschirmanzeige ist, wenn es mehr Informationen gab, als ein Bildschirm auf einmal zeigen konnte. Unsere Ergebnisse? Um zusätzliche Inhalte in einem langen Dokument sehen zu können, denken die Leute an eine nach unten gehende Funktion, also ist ein nach unten zeigender Pfeil die beste Wahl. Das wird die Nutzer der heutigen Scrollbalken kaum erstaunen, aber weil sich das Bild auf dem Bildschirm eigentlich nach oben bewegt, wenn der Nutzer zum Ende des Dokuments scrollt, war das Ergebnis der Studie im Voraus keineswegs so klar.

Richtlinien für grafische Nutzeroberflächen sind heute gängig, und moderne Anwendungsdesigner können einfach den existierenden bewährten Methoden folgen. Aber all diese Richtlinien mussten durch frühe Experimente mit grafischen Interaktionen entdeckt werden. Diese frühen GUI-Forschungen fanden im PARC (Palo Alto Research Center) und einigen anderen Orten statt; einige sogar bei Apple, im Lisa-Projekt.

Über solche Forschungen hinaus brachte der Mac drei Durchbrüche:

  • Die Funktionen waren integriert: Die Nutzer haben sie alle in einem Paket erhalten, statt sich weit verstreute Innovationen zusammensuchen zu müssen. In diesem Fall war das Ganze tatsächlich viel grösser war als die Summe seiner zuvor zerstreuten Teile.
  • Die grafische Nutzeroberfläche war die von allen erwartete Grundlage der Plattform und nicht mehr irgendein beliebiges Zubehör. Tatsächlich hatten die frühen Macs noch nicht einmal Cursortasten, also mussten die Anwendungen per Maus gesteuert werden - und eine Maus wurde serienmässig mit jedem Mac ausgeliefert. Obwohl die Nutzer Mäuse für viele andere Computer kaufen konnten (die Microsoft-Maus wurde im Jahr vor der Mac-Maus herausgebracht), basierten die meisten Anwendungen jahrelang weiterhin auf Schriftzeichen, weil die grafische Nutzeroberfläche nicht die erwartete Oberfläche war und die Designer sich nicht darauf verlassen konnten, dass die Nutzer eine Maus besassen.
  • Der Mac schuf einen Standard für die Nutzerschnittstelle, dem unabhängige Softwareanbieter folgen mussten, damit ihre Anwendungen als "Mac-ähnlich" gelten konnten. Da die daraus resultierende Einheitlichkeit den Lernaufwand für neue Anwendungen reduzierte, waren die Nutzer jetzt bereit, mehr Software zu kaufen. In der Tat haben Mac-Nutzer ungefähr zwei Anwendungen mehr pro Computer gekauft als DOS-Nutzer.

Wie es oft der Fall ist, waren die reinen Innovationen nicht so wichtig; wichtiger war dafür zu sorgen, dass die Neuheiten auch wirklich gut funktionierten.

Triumph oder Niederlage für die Usability?

Während seines ersten Jahrzehnts hatte der Mac im Vergleich zu konkurrierenden PCs (DOS, Windows, OS/2) deutlich überlegene Usability zu bieten. Erst mit Windows 95 fing der PC an, sich dem Mac-Niveau bei der Usability anzunähern.

Trotz dieser Überlegenheit des Macs haben sich die PCs in wirklich jedem Jahr seit 1984 wesentlich besser verkauft und der Mac hat es nie geschafft, über seinen einstelligen Marktanteil hinauszukommen.

Das schlechte Ergebnis des Macs auf dem Markt scheint ein ernstes Argument gegen Usability darzustellen. Wozu die Mühe, wenn sich das Ergebnis nicht verkauft?

Dagegen spricht, dass Usability der einzige Grund ist, warum der Mac überhaupt überlebt hat. Verglichen mit dem PC war er viel teurer, hatte nur einen Bruchteil der spezialisierten Anwendungen, und war gestraft mit der geschäftsfeindlichen Einstellung von Apple.

Warum also sollte jemand mehr bezahlen für weniger Leistung? Weil Macs leichter zu nutzen waren.

Zudem zeigt der mässige kommerzielle Erfolg des Mac die Wichtigkeit des Gesamt-Nutzerelebnisses: Der PC hatte mehr spezialisierte Anwendungen und ein breiteres Kundendienst-Ökosystem. Der Preis spielt natürlich auch eine grosse Rolle. In den 1980ern waren die Macs vor allem wegen ihrer schicken, hochauflösenden Bildschirme teurer (und verkauften sich somit schlechter).

Heutzutage gibt es keinen Konflikt mehr zwischen Kosten und Usability. Für Websites ist es oft sogar billiger, das Design auf höhere Usability auszulegen, weil dann Schlichtheit und Interaktionsstandards wichtiger sind als aufgeblasene und künstliche Menüpunkte und Dialogelemente. Bei Software-Anwendungen kostet es häufig genau das Gleiche, etwas Gutes oder etwas Schlechtes zu entwerfen. (Und die Rendite von Usability ist hoch, vor allem für Websites, die die Nutzer einfach verlassen, wenn sie schwer zu bedienen sind.)

Wenn man die, im Vergleich zu jedem ernsthaften Entwicklungsbudget, lächerlich geringen Kosten von Usability-Forschung bedenkt, gibt es einfach keine Ausrede, nicht herauszufinden, was bei den eigenen Kunden funktioniert. Wenn man das einmal weiss, kostet es in der Regel nicht mehr, Usability-Forschungsergebnisse umzusetzen, als etwas anderes zu erfinden, das weniger gut funktioniert. Und weil Usability sich problemlos in Agile-Entwicklungsmethoden einfügt, verzögert sie auch Ihren Start nicht.

Die Anti-Macintosh-UI

1995 haben Don Gentner und ich die Anti-Mac-Nutzerschnittstelle entwickelt, indem wir jede einzelne der Hauptrichtlinien von Apple für Nutzerschnittstellen umgekehrt haben. Obwohl wir beide Mac-Fans waren, glaubten wir nicht, dass das Design der frühen 1980er Jahre mit den Ansprüchen der Internet-Ära würde mithalten können.

Die grundlegenden Anti-Mac-Prinzipien beruhen auf:

  • der zentralen Rolle der Sprache
  • ergiebigere, inneren Darstellung von Objekten
  • einer ausdrucksvolleren Oberfläche
  • erfahrenen Nutzern
  • geteiltem Zugriff

Sicherlich findet bei den heutigen such-lastigen Nutzern die zentrale Rolle der Sprache bereits statt. In der Tat scheinen die Usability-Studien bzgl. Mobiltelefone, die im Moment stattfinden, sogar eine noch stärkere "Such-lastigkeit" anzudeuten, wann immer die Nutzer Webseiten über ihre Handys aufrufen.

Eine ausdrucksvollere Oberfläche entwickelt sich langsam durch die Verwendung von Thumbnails in Vista, OS X sowie in der bandförmigen Nutzerschnittstelle, die mit Office 2007 aufkam und in mehreren neueren Anwendungen verwendet wird.

Geteilter Zugriff ist ein Merkmal von vielen Websites in sozialen Netzwerken, bei denen sich eine vom Nutzer individuell gestaltete Seite als Flickenteppich aus den Beiträgen anderer Nutzer darstellt. Allerdings warten wir immer noch auf das signifikante Auftreten von Beiträgen computergestützter Agenten, das der Anti-Mac damals prophezeit hat.

Ergiebigere innere Darstellungen mögen vielleicht ein Traum der Anhänger des semantischen Web sein, aber im realen Leben hat das noch nicht allzu sehr Fuss gefasst. Das gleiche gilt für erfahrene Nutzer. Tatsächlich hat das Web die Wichtigkeit der allerersten Nutzererfahrung noch verstärkt, da die meisten Leute eine x-beliebige Webseite nur einmal besuchen.

Soweit schlägt sich der Mac besser als der Anti-Mac, wobei ich immer noch glaube, dass die Stunde von einigen der Anti-Mac-Ideen kommen wird.

(Als kleine Nebenbemerkung: Das Anti-Mac-Projekt ist ein gutes Beispiel für eine hübsche Visionstechnik: Entwerfen Sie als Gedankenexperiment ein System, in dem alles genau entgegengesetzt zur Norm ist. Zum Beispiel eine Zeitungsseite ohne Nachrichten oder eine E-Commerce-Website, die gar keine Produkte ausliefert.)

iPhone = der Mac der Mobiltelefone?

Die Geschichte wiederholt sich zurzeit. Wie Apple seinerzeit die grafische Nutzeroberfläche auf dem Desktop durch den Mac populär gemacht hat, sorgt Apple zurzeit gerade mit dem iPhone für grosse Beliebtheit der grafischen Nutzeroberfläche auf Mobiltelefonen.

Die Maus gab dem Nutzer den Cursor in die Hand und gab ihm damit einen direkten Einfluss auf die Nutzeroberfläche, indem der Cursor als sein persönlicher Repräsentant auf dem Bildschirm auftritt. In ähnlicher Weise geben Touchscreens dem Nutzer die Möglichkeit, direkt die Oberflächenelemente auf dem Mobiltelefon zu manipulieren.

Unsere derzeitigen Tests zur Frage, wie die Handynutzer Webseiten aufrufen, zeigen, wie unangenehm es für die Leute ist, wiederholt Tasten drücken zu müssen, um sich auf dem Display zu bewegen. Featurephones - und selbst ansonsten gute Smartphones, die sich durch Tasten steuern lassen - liefern ein indirektes Nutzererlebnis, bei dem man sich weniger als Herr der Dinge fühlt wie bei einem Touchphone.

Ich hoffe bloss, dass wir nicht die gesamte Geschichte wiederholen müssen: Wir sollten nicht noch einmal 11 Jahre warten müssen wie bei den PCs, bis sich bessere Usability bei Mobiltelefonen durchgesetzt hat. Und man sollte nicht einfach die Erscheinungsform des Apple-Designs kopieren (heute den Touchscreen, damals die Maus). Angeboten werden sollte vielmehr auch:

  • eine weiche grafische Nutzeroberfläche,
  • eine ganzheitliche Nutzererfahrung (inklusive einer Zwischenablage oder anderen Mechanismen zum Ausschneiden, Kopieren, Einfügen, die Apple paradoxerweise auf dem iPhone nicht anbietet, obwohl dies eine der wichtigsten Funktionen des Mac war),
  • eine Plattform, die das direkte Manipulieren möglich macht, damit die Nutzer allumfassende Kontrolle haben, und
  • die Einhaltung der Usability-Richtlinien

 

© Deutsche Version von Jakob Nielsens Alertbox. Institut für Software-Ergonomie und Usability AG. Alle Rechte vorbehalten.

Kommentare auf diesen Beitrag

    Keine Kommentare

Kommentar hinzufügen

Die mit * gekenzeichneten Felder sind zwingend auszufüllen