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10.09.2012

Das Usability Labor für unterwegs

Nutzertests können überall durchgeführt werden. Beweis: unsere internationalen Studien, die wir mit einer Ausrüstung durchgeführt haben, die ins Handgepäck passt.

Test mit mobiler Eye Tracking Infrastruktur in Frankfurt (inkl. Einwegspiegel für die Beobachter)

Test mit mobiler Eye Tracking Infrastruktur in Frankfurt (inkl. Einwegspiegel für die Beobachter)

 

by Jakob Nielsen (deutsche Übersetzung) - 10.09.2012

 

Es ist eigentlich völlig egal, wo Sie Ihre Nutzertests durchführen. Wenn Sie Glück haben, verfügen Sie über ein schickes Usability-Labor mit verschiedenen Kameras und Einwegspiegeln. Der entscheidende Vorteil solcher Labors liegt darin, dass Sie die Beobachter in einem gesonderten Raum unterbringen können und den Nutzer und den Versuchsleiter allein lassen können, damit sie sich auf ihre Aufgaben konzentrieren.

Die beste Methode, um den Usability-Gedanken zu verbreiten, besteht darin, echte Nutzer von so vielen Entscheidern wie möglich beobachten zu lassen. Ein gutes Usability-Labor mit einem gemütlichen Beobachtungsraum (gut ausgestattet mit Snacks) unterstützt eine nicht zu unterschätzende Nebenwirkung von Nutzertests: Designer, Entwickler und Manager werden emotional in die Lösung von Usability-Problemen eingebunden, wenn sie sie selbst gesehen haben.

Was tun, wenn Sie kein Labor haben? Schliesslich entsteht das eigene Labor in der Regel erst, nachdem eine Firma die fünfte von acht Stufen der Usability-Reife von Unternehmen erreicht hat.

Zum Glück können Nutzertests überall durchgeführt werden, wo Sie die Tür schliessen und somit die Privatsphäre und Konzentration Ihres Studienteilnehmers sicherstellen können. Zu den am häufigsten gewählten Orten für Nutzertests zählen:

  • Konferenzräume
  • private Büros
  • angemietete Räume in Bürozentren
  • Besprechungsräume in Hotels
  • Flughafen-Lounges (sofern Sie dort eine Art Sitzungszimmer buchen können)
  • Messestände (idealerweise ein Stand mit privatem Hinterzimmer, doch Sie können im hinteren Bereich eines normalen Messestands auch im Stehen kurze Tests über 5 Minuten durchführen)
  • Firmencafeterien
  • Coffeeshops (nicht die Amsterdamer Variante :-)

Die wichtigsten Elemente der Nutzertests sind die Fähigkeit des Versuchsleiters, das Nutzerverhalten herauszukitzeln, ohne den Nutzer zu beeinflussen, und seine analytische Fähigkeit, aus dem beobachteten Nutzerverhalten Rückschlüsse auf gutes und nützliches Design zu ziehen. Diese beiden Punkte hängen nicht von einem speziellen Ort oder davon ab, dass man stets eine tolle Ausrüstung zur Hand hat.

Tragbare Laborausrüstung

Die Nielsen Norman Gruppe führt viele internationale Studien durch und testet oft direkt beim Kunden vor Ort. Bei den weitaus meisten unserer Nutzertests passt die Ausrüstung ins Handgepäck.

Hier zwei Fotos vom Aufbau für unsere Studie in Sydney, Australien, im letzten Monat:

Laborinfrastruktur

Mobiles Labor

Die Ausrüstung:

  • ein grosses Laptop für den Nutzer,
  • ein kleines Laptop für den Versuchsleiter,
  • eine Webcam, um das laute Denken und die Mimik des Nutzers aufzuzeichnen,
  • eine klassische Maus für den Nutzer (wir wollen nicht, dass die Nutzer sich beim Anklicken von Links mit einem Touchpad herumschlagen müssen).

Das ist alles. Wir haben diese Studie in unserem Konferenzhotel durchgeführt, und von dort wurden uns auch die Kaffeetassen gestellt.

Der Nutzerlaptop sollte leistungsfähig und gross sein, aus drei Gründen:

  • Eine gute, normal grosse Tastatur ermutigt die Nutzer dazu, mit möglichst wenigen Tippfehlern so viel zu schreiben, wie sie wollen.
  • Ein grosser Bildschirm stellt sicher, dass auch ältere Testteilnehmer die Informationen sehen können.
  • Es ist ausreichend Rechenleistung vorhanden, um parallel zu den diversen Websites und Anwendungen, die die Nutzer verwenden, auch noch Morae laufen zu lassen (die Software, die die Bildschirmanzeige aufzeichnet).

Der grosse Bildschirm lässt auch einen weiteren Beobachter zu (zusätzlich zum Versuchsleiter), der schräg hinter dem Nutzer sitzt und trotzdem noch sehen kann, was auf dem Bildschirm ist. Der Beobachter sollte sich ausserhalb des Blickfelds - und der Aufmerksamkeit - des Nutzers befinden.

(Wenn wir mobile Geräte testen, brauchen wir leider etwas mehr Ausrüstung. Die Nutzer bringen zwar meist ihre eigenen Telefone und Tablet-PCs mit, aber wir brauchen eine raffiniertere Kamera, um auch diese kleinen Bildschirme einzufangen. Diese Kamera braucht ihre eigene Tasche, deshalb schicken wir sie meist voraus.)

Achtung Test! Bitte nicht stören!

Hier ist ein weiteres Andenken der Studie in Sydney:

Wir heften ein solches Schild an die Tür, wenn wir Tests an einem Ort durchführen, wo Usability-Studien und Testprotokolle unbekannt sind. Wir wollen vermeiden, dass Hotelangestellte die Studie unterbrechen oder irgendjemand vom Flur, der auf der Suche nach einem anderen Meeting ist, den Kopf zur Tür hereinsteckt.

Wenn Sie Usability-Tests in Ihrem Unternehmen durchführen, ist es schöner, wenn Sie "Achtung Usability-Studie!" auf Ihr Schild schreiben. Es nutzt auch der internen PR, wenn die Kollegen am Besprechungsraum vorbeigehen und sehen, dass weitere Tests durchgeführt werden.

Aber in Hotels oder anderen Orten ausserhalb der Firma ist es zu viel verlangt, dass jeder weiss, was eine Usability-Studie ist und warum es schlecht ist, wenn man den Testnutzer während des Versuchs unterbricht. Daher verwenden wir das Schild "Achtung Aufnahme!", das jeder kennt. Vielleicht sind die Menschen sogar leiser, wenn sie an einem solchen Raum vorbeigehen.

Mehr Beobachter unterbringen

Bei internationalen Tests kann man froh sein, wenn der Kunde die Reisespesen für einen Beobachter zahlt. Manchmal ist es aber gut, wenn man mehrere Beobachter unterbringen kann, die sich dann aber natürlich nicht alle hinter den Stuhl des Nutzers quetschen können.

In solchen Fällen ist es gut, einen zusätzlichen Monitor anzuschliessen, wie auf diesem Foto zu sehen ist, welches wir bei einer Studie in Hong Kong gemacht haben:

Zusätzlicher Monitor

Hier haben wir einfach einen mittelgrossen HD-Fernseher verwendet, wie er in den meisten Hotels verfügbar ist (und den Sie daher nicht mit sich herumschleppen müssen). Da das dort reproduzierte Bild des Nutzermonitors ziemlich gross ist, können sich eine Handvoll Beobachter um den Fernseher scharen.

Wie das Foto zeigt, verdeckt der grosse Fernseher für den Nutzer den Blick auf die meisten Beobachter. Sie wollen die Beobachter ja aus Augen und Aufmerksamkeit des Testnutzers heraushalten.

Wenn Sie viele Beobachter haben, können Sie das Videokabel auch in einen angrenzenden Besprechungsraum legen und dort mit Hilfe eines Beamers ein beliebig grosses Bild des Nutzermonitors erzeugen. Den Ton mitzuliefern ist allerdings manchmal schwierig, aber es geht - am einfachsten und billigsten oft mit Hilfe von Lautsprechern, die man im Beobachterraum stumm schaltet.

Keine Ausreden!

Keine Ausrüstung? Das ist keine Entschuldigung, Ihr Design nicht zu testen.

Sie können einen Papier-Prototyp testen oder einfach ein Laptop verwenden (das Sie sowieso haben, wie ich annehme). Wir zeigen in unseren Fortbildungsseminaren zwar gerne Videos von unseren Forschungen, aber bei Studien im Haus brauchen Sie keine Webcam und keine Aufzeichnungssoftware.

Kein Usability-Labor? Auch keine Entschuldigung.

Wie ich hier gezeigt habe, können Sie fast überall, auch in Ihrem Land, Tests durchführen, für die Sie nur wenig Ausrüstung benötigen, die Sie sich zum Teil vor Ort besorgen, zum Teil im Handgepäck selbst mitbringen können. Das einzige, was Sie wirklich brauchen, sind echte Nutzer, die Ihre Zielgruppe repräsentieren.

 

© Deutsche Version von Jakob Nielsens Alertbox. Institut für Software-Ergonomie und Usability AG. Alle Rechte vorbehalten.

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