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14.01.2007

Die zehn besten Intranets des Jahres 2007

Die Gewinner des Jahres 2007 verfolgen auf ihren Startseiten einen redaktionellen Ansatz. Zudem haben Sie zu den zahlreich überschätzten "Web 2.0"-Techniken ein pragmatisches Verhältnis. Während das Design der Seiten stärker standardisiert wurde, gibt es für gutes Intranet-Design nach wie vor keine Einigkeit bezüglich CMS oder anderen Technologie-Plattformen.

 

by Jakob Nielsen (deutsche Übersetzung) - 15.01.2007

 

Die zehn am besten gestalteten Intranets des Jahres 2007 sind:

  • American Electric Power (AEP), USA
  • Comcast, USA
  • DaimlerChrysler AG, Deutschland
  • The Dow Chemical Company, USA
  • Infosys Technologies Limited, Indien
  • JPMorgan Chase & Co., USA
  • Microsoft Corporation, USA
  • National Geographic Society [Nationale Geographische Gesellschaft], USA
  • The Royal Society for the Protection of Birds (RSPB) [Königliche Gesellschaft für Vogelschutz], Großbritannien
  • Volvo Group, Schweden

Neun Gewinner sind traditionelle Unternehmens-Intranets. Der Gewinner Comcast hat ein Extranet, das sowohl das interne Marketingpersonal als auch externe Verkäufer, Affiliates und Marketing-Partner unterstützt.

Während letztes Jahr die meisten Gewinner von ausserhalb der USA stammten, sind diesmal 6 von 10 Gewinnern Amerikaner. Von den vier Gewinnern aus anderen Ländern stammen drei aus Ländern, die in der Vergangenheit schon viele Gewinner gestellt haben: Deutschland, Schweden und Grossbritannien. Bei der Grösse von Deutschland und Grossbritannien wundert es nicht, dass sie so viele Gewinner stellen. Die anhaltende Spitzenposition der Schweden dagegen ist erstaunlich. Möglicherweise ist etwas dran an dem Anspruch, dass die Skandinavier Wert auf gutes Design legen. (Allerdings haben die anderen skandinavischen Länder noch nie einen Gewinner hervorgebracht; Schweden führt offenbar beim Intranet-Design.)

Die meisten Gewinner des Jahres stammen aus Ländern, die auch früher schon Gewinner gestellt haben. Doch dieses Jahr ist auch ein neues Land dabei: Indien. Zwar hatte die World Bank Group, als sie 2002 gewonnen hat, eine indische Internet-Agentur beschäftigt, aber da die Bank selbst als multinationale Organisation ihren Hauptsitz in den USA hat, haben wir das Intranet als in den USA beheimatet gerechnet. Infosys ist also der erste Gewinner, der wirklich aus Indien stammt. Dass Indien in die Riege der Siegerländer aufgestiegen ist, ist ein deutliches Zeichen für das wachsende Potenzial dieser Software-Supermacht.

Der Aufstieg der Usability in der Industrie

Normalerweise haben wir mehrere Gewinner aus der Branche der Finanzdienstleister. Dieses Jahr ist es nur einer: JPMorgan Chase.

Verglichen mit den Vorjahren sind diesmal viel mehr Industrieunternehmen unter den Top-10. Breit gefasst, sind es vier: AEP, DaimlerChrysler, Dow und Volvo. Letztes Jahr haben wir festgestellt, dass sich "Industrieunternehmen seit jeher auf physische Aspekte konzentrieren und deshalb weniger Erfahrung damit haben, gute bildschirmgestützte Designs zu schaffen." Natürlich ist Industrieproduktion in der modernen Welt in hohem Mass mit Computern verwoben, weil sie ein hochgradig wissensintensives Geschäft ist. Wir wollen hoffen, dass die starke Rolle von Industrieunternehmen unter den Gewinnern des Jahres ein Zeichen dafür ist, dass dieser wichtige Sektor den Wert der Usability erkannt hat, und dass das früher meist schlechte Erscheinungsbild von Intranets in der Industrie wirklich der Vergangenheit angehört.

Zwar sind die meisten Gewinner Grossunternehmen, aber wir haben auch zwei Gewinner aus dem gemeinnützigen Sektor: die National Geographic Society und die Königliche Gesellschaft für Vogelschutz. Das zeigt, man muss keine große Organisation oder traditionelle Firma sein, um von Intranet-Usability zu profitieren. Gut gestaltete Intranets unterstützen Mitarbeiter und Ehrenamtliche bei ihren gemeinnützigen Aufgaben genauso gut, wie sie in gewinnorientierten Unternehmen die Produktivität - und damit die Rentabilität - verbessern.

Multimedia, Nachrichten und Bewertungen

Ein Trend aus dem letzten Jahr war dieses Jahr noch deutlicher: Intranets werden multimedial. Am einfacheren Ende der Skala sind es Fotos des Tages, die viele Startseiten zieren, oder wunderschöne Vogelfotos, die im RSPB-Intranet viele Spitzenmeldungen illustrieren. Am oberen Ende des Multimedia-Spektrums verbreiten sich Videos - oft für Trainingszwecke, doch auch für die Vorstandskommunikation. AEP hat ein eigenes TV-Studio für Intranet-Produktionen und bietet sowohl Streaming-Videos als auch Live-Webcasts an. Die National Geographic hat Webcam-Feeds, bei denen die meisten Organisationen vor Neid erblassen würden; einer davon zeigt Grizzlybären in Alaska.

Viele Intranets bieten schon lange News-Feeds an, aber die Gewinner dieses Jahres haben besondere Massnahmen ergriffen, um ihr Nachrichtenangebot für die Mitarbeiter relevanter zu machen, sowohl bei internen Nachrichten als auch bei branchenbezogenen externen Nachrichten. Auszeichnung und Kategorisierung werden extensiver als früher gehandhabt, und etliche Intranets lassen die Nutzer die Meldungen bewerten und kommentieren.

Bewertungen und Nutzerkommentare gibt es auf öffentlichen Websites schon lange - von Amazon bis hin zu Weblogs -, aber in Intranets werden sie noch viel nützlicher, weil sie dort nicht durch den Bozo-Effekt entwertet werden. Die Mitarbeiter desselben Unternehmens haben gemeinsame Ziele und Interessen, haben bei der Einstellung den gleichen Qualitätsfilter durchlaufen, und sie haben eine Reputation zu verlieren. Aus all diesen Gründen sind Bewertungen und Kommentare von Kollegen wahrscheinlich viel konstruktiver als die von zufälligen Blog-Lesern.

Zusätzlich zu den Nachrichten im Intranet bietet Microsoft ihren Mitarbeitern eine Reihe von E-Mail-Newsletters an und die Möglichkeit, Meldungen über einen Newsfeed (RSS) zu abonnieren. E-Mail-Newsletters sind ein einfacher Weg, um über das Intranet hinauszugreifen und die Mitarbeiter über ihre mobilen Geräte mit Nachrichten zu versorgen. Das funktioniert allerdings nur, weil hier die Nachrichten für mobile Empfangsgeräte formatiert werden, was sonst selten vorkommt.

AEP verwendet keinen automatischen Feed für externe Nachrichten. Stattdessen sichtet ein Redakteur die verfügbaren Meldungen und bringt nur diejenigen in Umlauf, die den meisten Mitarbeitern von Nutzen sein könnten. Eine Zusatzarbeit, die sich durch einen grossen Zugewinn an Mitarbeiterproduktivität auszahlt, indem sie es den Leuten eine lange Liste irrelevanter Nachrichten erspart. Bei JPMorgan Chase zum Beispiel wird die Intranet-Startseite 620.000 Mal pro Tag abgerufen; wenn dort schon das Überfliegen einer einzigen überflüssige Überschrift jeweils eine Sekunde Zeit braucht, würde das das Unternehmen das Äquivalent von 22 Vollzeitmitarbeitern an verlorener Produktivität kosten. Das Intranet-Team von JPMorgan Chase ist ähnlich selektiv und platziert nur die allerwichtigsten Nachrichten auf der Startseite.

Natürlich muss man in manchen Fällen auch Nachrichten liefern, die nicht besonders viel mit der Arbeit zu tun haben. DaimlerChrysler zum Beispiel hat während der Fussball-Weltmeisterschaft in Deutschland stets die neuesten Spielergebnisse angezeigt. Wenn sie das nicht getan hätten, hätten die Mitarbeiter sicher viel mehr Zeit damit verbracht, die Spiele auf externen Websites zu verfolgen.

In Zeiten des Respekts für die Zeit der Mitarbeiter kommt vielleicht die ultimative Design-Funktion von der Volvo-Gruppe. Der Nur-5-Minuten-Bereich des Unternehmens gibt den Leuten die allerwichtigsten Informationen, die sie brauchen, in einer Weise, dass sie sie in fünf Minuten aufnehmen können.

Multinationale Intranets

Die meisten Gewinner unterstützen Nutzer in etlichen Ländern und Sprachen. Der vorherrschende Ansatz ist der, dass man eine oder zwei Primärsprachen auswählt und sie für unternehmensweite Funktionen und Inhalte verwendet, und dann länderspezifische Informationen in der Muttersprache der Nutzer ergänzt.

DaimlerChrysler zum Beispiel bietet die globalen Inhalte auf Deutsch oder Englisch an, wobei sich die voreingestellte Sprache automatisch nach der Spracheinstellung des Browsers richtet. Es kommt recht selten vor, dass die Spracheinstellung von Browsern von öffentlichen Websites korrekt verwendet wird; umso grossartiger, wenn man sehen kann, wie sich diese Funktion in den Intranets verbreitet.

Dow verwendet Englisch für die meisten globalen Inhalte, übersetzt aber die wichtigsten Inhalte in sechs andere Sprachen (Holländisch, Deutsch, Französisch, Italienisch, Portugiesisch und Spanisch). Man übersetzt dort auch ausgewählte Inhalte ins Chinesische, Griechische, Japanische und Thailändische.

Übersetzungen sind zwar wichtig, aber nicht ausreichend für ein wirklich multinationales Nutzererlebnis. Das Intranet von Dow zeigt mit seinem Mitarbeiter-Anerkennungs-Instrument, wie man das weiter vorantreiben kann. Die Nutzer können Mitarbeiter in anderen Ländern für einen Anerkennungspreis nominieren, und wenn der Preis verliehen wird, werden die Empfänger in ihrer Landessprache benachrichtigt. Besser noch, die Preise passen jeweils zur Kultur des Empfängers und können vor Ort eingelöst werden. Ohne diese wirkliche Internationalisierung der zugrunde liegenden Funktionen wäre es, wie man sich vorstellen kann, sehr schwierig für den, sagen wir, deutschen Leiter eines übergreifenden Teams, einem verdienten Mitarbeiter in Brasilien einen Preis zu verleihen. Der Leiter spricht wahrscheinlich kein Portugiesisch, und er weiss wahrscheinlich auch nicht, was für einen Preis ein Brasilianer schätzen würde und welcher Händler vor Ort entsprechende Gutscheine anbietet. Bei Dow findet das Intranet eine Lösung und ermutigt auf diese Weise zur interkulturellen Mitarbeiter-Anerkennung.

Mehrere Intranets haben ein einfaches, doch höchst nützliches Design-Element eingebaut, um den Nutzern bei der Zusammenarbeit mit ausländischen Kollegen zu helfen: eine Weltzeituhr. Zeitzonen zu berechnen und den Effekt der Datumsgrenze zu berücksichtigen ist für Menschen schwierig, für Computer aber einfach. Also sollen die das tun, und Sie werden nie wieder an einem Sonntag um 4 Uhr morgens Kunden oder Kollegen anrufen, weil Sie glauben, es sei Montag Nachmittag. Als Zusatznutzen dient die prominent platzierte Weltzeituhr als handgreifliche Erinnerung an den weltweiten Status der Organisation.

Technische Plattformen

Die 10 Gewinner verwenden eine Gesamtzahl von 49 verschiedenen Produkten als technische Plattformen für ihre Intranets. Wie man sieht ist Intranet-Technik weiterhin ein sehr offenes Feld.
Am häufigsten wurden folgende Produkte verwendet: Windows Server, Google Search Appliance oder Google Mini, SharePoint, SQL Server, Google Maps, Omniture und Vignette.

Manche Leute mögen sagen, dass es "unfair" sei, Microsoft-Produkte in dieser Liste zu nennen, da doch das eigene Intranet von Microsoft zu den Gewinnern des Jahres gehört. Natürlich neigt Microsoft dazu, Microsoft-Produkte zu verwenden, aber viele andere Gewinner tun das auch.

Ausserdem hat IBM beim letztjährigen Wettbewerb gewonnen, und viele andere Technologie-Unternehmen haben im Lauf der Jahre gewonnen. In allen Fällen haben wir die Preise für die Qualität des Nutzererlebnisses im Intranet verliehen und nicht für Produktlinien. Das Profil des Microsoft-Intranets ist eine wertvolle Fallstudie dafür, wie man auf der Grundlage von Microsoft-Produkten ein grossartiges Intranet aufbauen kann - genau wie letztes Jahr das Profil des IBM-Intranets für viele Firmen nützlich war, die IBM-Produkte verwenden.

Standardisierte Oberflächen, kein Standard-CMS

Seit einigen Jahren bemerken wir einen Trend zu festeren Standards bei Intranetseiten. In den frühen Jahren der Intranets herrschte der Wildwuchs, und jeder Seitenautor kreierte sein eigenes Design. Schrittweise wurden immer mehr Intranets auf Templates umgestellt, die für Konsistenz der Nutzeroberflächen im gesamten Intranet sorgen.

Standardisierte Navigationsleisten, Menüs und Fußzeilen sind als Elemente konsistenter Intranet-Oberflächen am meisten verbreitet. Zentralisierte Style Sheets (unter Verwendung von CSS) verstärken die Einheitlichkeit im Erscheinungsbild der Seiten weiter. Jenseits der blossen Technik werden auch Design-Richtlinien immer häufiger, und JPMorgan Chase hat sogar eine Intranet-Design-Aufsicht, die den Oberflächenstandard interpretiert und ausdehnt. Die Aufsicht lässt auch Ausnahmen vom Standard zu, wenn sie, was selten vorkommt, hinreichend begründet werden.

Dieses Jahr beruhten alle Sieger-Intranets auf Templates und auf einem Redaktionssystem (CMS). Überraschenderweise haben die meisten Intranets ein eigenes, selbst gemachtes CMS verwendet. Es gibt also Standards innerhalb jedes Intranets, aber keine Standards zwischen den Intranets, noch nicht einmal bei der Auswahl des CMS.

Web-Trends ohne Hype

Intranets neigen dazu, die überschätzten Seifenblasen auszulassen, die sonst im Web schillern. Etliche Gewinner des Jahres haben zwar Weblogs, aber die Blogs sind beschränkt auf nützliche Informationen, statt zu erzählen, "wie’s bei meiner letzten Verabredung gelaufen ist". Microsoft hat sogar einen Blog, in dem der leitende Intranet-Redakteur Funktionen und die aktuelle Berichterstattung diskutiert.

Ajax wurde dieses Jahr weithin verwendet, aber - passend zu Intranets - als Zusatzfunktion, integriert jeweils in einen nützlichen Kontext, und nicht als Selbstzweck. Oftmals dürften die Nutzer kaum bemerken, dass es da ist. Comcast zum Beispiel zeigt hübsch gestaltete Voransichten von Inhalten, die wie Super-Tooltipps aussehen, wenn der Nutzer über eine Liste hinwegrollt. In ähnlicher Weise aktualisiert AEP die individuelle Linkliste der Nutzer, ohne den Rest der Seite neu zu laden; DaimlerChrysler aktualisiert den Börsenticker auf der Startseite, und Microsoft zeigt die Ergebnisse von Mitarbeiterumfragen an (einer populären Funktion in vielen Intranets), sobald der Nutzer abgestimmt hat.

Etwas auffälliger, doch immer noch mit der Betonung auf Nützlichkeit und nicht auf Geglitzer, sind die Ajax-Landkarten auf der Auto-Buchungsseite der RSPB. Wenn die Nutzer auf eine Markierung in der Karte klicken, werden ein Foto und andere Informationen über den Mitarbeiter angezeigt, der gerade von diesem Ort aus unterwegs ist, ohne dass sich der Rest der Seite ändert.

Die Mitarbeitersuche ist der Renner in den meisten Intranets. Microsoft verwendet das überschätzte Internetkonzept der sozialen Netzwerke und Entfernungsgrade, um auf pragmatische Weise die Mitarbeitersuche zu verbessern: Man sortiert die Suchergebnisse nach dem sozialen Entfernungsgrad, bezogen auf den Nutzer. Oft ist es sinnvoll, dass die Nutzer Leute finden wollen, die viel mit ihnen zu tun haben; eine solche Sortierung kann in einer großen Organisation, in der es viele Leute mit ähnlichen Namen oder gleichen Berufsbezeichnungen gibt, sehr hilfreich sein.

Gibt es irgendetwas, um das mehr Trara gemacht wird als um Wikis? 2005 haben wir die ersten Wikis in Intranets gesehen, und dieses Jahr hat die National Geographic Society viele Wikis einer äusserst nützlichen Art eingerichtet. Gibt es etwas Praktischeres als ein Abkürzungslexikon? Im NG-Lingo-Wiki trifft der Internet-Hype die Intranet-Usability: Dieses Wiki erklärt die zahlreichen Abkürzungen und Spezialausdrücke, die in der Gesellschaft üblich sind (z. B. "Base Camp", Basislager, für das Zentralgebäude der Gesellschaft). So eine Intranet-Funktion ist besonders hilfreich für neue Mitarbeiter; die Gewinner des Jahres hatten noch viel mehr Funktionen, um den Neuen die Eingewöhnung "an Bord" zu erleichtern.

Bewusste Verstöße gegen Web-Usability-Richtlinien

Im Allgemeinen ist ein Intranet eine Art Website, und die meisten Web-Usability-Richtlinien passen auch auf Intranets. Doch der unterschiedliche Nutzungskontext erzeugt auch wichtige Unterschiede. Die gesamte Usability hängt von zwei großen Fragen ab: Wer sind die Nutzer, und was haben sie vor? Die Antworten auf diese Fragen sind bei Websites anders als bei Intranets: Webnutzer sind Kunden, Intranetnutzer sind Mitarbeiter, und das, was sie vorhaben, unterscheidet sich entsprechend. Das Wichtigste: Jedes Unternehmen hat nur ein Intranet - zumindest empfehlen wir das so -, und das bedeutet, dass die Nutzer nicht durchs Intranet surfen, um ein anderes zu finden, wie sie es bei Websites tun.

AEP liefert ein interessantes Beispiel für die Auswirkungen dieser Unterschiede: Der Kooperationsbereich in ihrem Intranet heisst The Agora - ein flagranter Verstoß gegen die Web-Richtlinie, künstliche Ausdrücke als Navigationsoptionen zu vermeiden. (Zugestanden, agora ist nicht wirklich ein Kunstwort; es ist Griechisch für Treffpunkt oder Marktplatz. Allerdings ist die Anzahl der Mitarbeiter von Energieversorgungsunternehmen, die Griechisch können, klein genug, um in der Praxis sagen zu können, es könnte genauso gut ein Kunstwort sein.) Auf einer öffentlichen Website wäre das ein todsicheres Rezept dafür, dass die Nutzer die Funktion übersehen. Nur wenige Leute nehmen sich die Zeit, auf Sachen zu klicken, die sie nicht verstehen. In einem Intranet dagegen sehen die Leute jeden Tag den Knopf The Agora, und irgendwann klicken sie auch darauf.

In den meisten Fällen ist es aber besser, sich an die etablierten Konventionen des Webdesigns zu halten. Das Formular Einstellungen bei Comcast zum Beispiel enthält einen Knopf Speichern & weiter, der korrekt rechts unten am Formular platziert ist - genau da, wo 99% der Online-Shops und ähnlich funktionshaltige Websites die entsprechenden Knöpfe platzieren.

Die Intranets etablieren sich

Bei den ersten drei Jahreswettbewerben für Intranet-Design (2001-2003) waren die Sieger-Intranets im Schnitt 4,3 Jahre alt. Bei den drei letzten Jahreswettbewerben (2005-2007) waren sie im Schnitt 7,5 Jahre alt.

Im Rückblick scheint es, dass die meisten Intranets in den 1990er Jahren gegründet wurden und dann zunächst planlos gewachsen sind. Die laufende Dekade dagegen ist eine Zeit der Konsolidierung, in der man Wert darauf legt, dass die Intranets (endlich) wie ein gutes Geschäftswerkzeug funktionieren.

Die Intranets werden definitiv grösser. Bei den ersten drei Jahreswettbewerben (2001-2003) enthielt das Durchschnitts-Intranet 200.000 Seiten; in den letzten drei Wettbewerben (2005-2007) enthielt das Durchschnitts-Intranet 6 Mio. Seiten.

Auch die Intranet-Budgets werden grösser, allerdings hatten wir diesmal auch einen Gewinner mit einem Jahresbudget von 8000 $ - es ist also nach wie vor möglich, ein großartiges Intranet aus Schnürsenkeln zusammenzunähen. Im Grossen und Ganzen aber hatten die Sieger-Intranets substanzielle Unterstützung durch das Management und angemessen große Budgets.
Im Durchschnitt der Gewinner kam ein Intranet-Teammitglied auf 1000 Mitarbeiter. Dieses Verhältnis bedeutet, dass sich die Bemühungen der Intranet-Teams um den Faktor 1000 vergrößern. Dieser Verstärkungsfaktor ist der Grund, warum Intranet-Design so einen enormen Return on Investment (ROI) hat, wenn es gut gemacht ist.

Grosse Intranets führen zu grossen Zahlen. Die Intranet-Startseite von Microsoft zum Beispiel wird 5 Millionen Mal im Monat abgerufen. Bei so einem starken Gebrauch ist es viel kritischer geworden, das richtige Design zu haben, als früher, als Intranets Spielzeuge für ein paar Pioniere waren. Intranets sind zu kritischen Ressourcen geworden, auf die sich die Unternehmen bei ihrer Alltagsarbeit verlassen.

Wer ist für die Intranets zuständig?

Intranets sind in der Regel in einer von drei Abteilungen der Organisation angesiedelt. Von den Gewinnern der Jahre 2005-2007 gehörten

  • 35% zur Abteilung Corporate Communications
  • 27% zur Abteilung Information Technology oder Information Systems (IT/IS)
  • 19% zur Abteilung Human Resources (HR)

Die übrigen 19% der Sieger-Intranets gehörten zu einer Reihe sonstiger Abteilungen, zum Beispiel Web Marketing oder Public Affairs.

Wenn man eine einzige organisatorische Anbindung für alle Intranets der Welt finden müsste, wäre Corporate Communications, wie die Statistik andeutet, wohl der beste Platz. In Wirklichkeit geben wir aber keine solche Empfehlung, weil die meisten grossartigen Intranets woanders angesiedelt sind. Das einzige, was wir empfehlen können, ist, dass Sie die Geschichte und Kultur Ihrer eigenen Firma beachten und Corporate Communications, IT und HR als Kandidaten in die engere Wahl nehmen.

Intranet-Markennamen

Letztes Jahr haben wir unter den Gewinnern einen starken Zuwachs von Intranets mit Markennamen bemerkt (das bedeutet, sie hatten einen besonderen Namen und hiessen nicht bloss das Intranet oder so ähnlich). Wir haben aber auch gewarnt, dass ein Jahr noch keinen Trend macht.

In der Tat ist dieses Jahr der Anteil der Intranets mit Markennamen unter den Gewinnern auf 60% zurückgegangen - und lag damit nahe am langjährigen Durchschnitt von 62%, den wir über die Jahre verzeichnet haben. Mit anderen Worten, es gibt mehr gute Intranets mit Markennamen als solche ohne Namen, aber es gibt auch so viele gute Intranets ohne Namen, dass wir nicht die Empfehlung aussprechen, einen Markennamen um des Namens willen zu vergeben. Zu den Intranet-Namen des Jahres gehören: AEP Now, Comcast Store, MSW (Microsoft Web), NG Insider, Sparsh (was auf Sanskrit "berühren" heisst) und Violin.

Der ROI

Die entscheidende Frage an die Usability lautet: "Wo bleibt das Geld?" Wo liegt der geschäftliche Nutzen einer Verbesserung des Nutzererlebnisses? Leider haben die meisten Intranet-Teams nach wie vor wenig Daten über den Geldwert ihrer Arbeit. Die Ausnahmen von dieser Regel sind jedoch eindrucksvoll:

  • Das Marketing-Extranet von Comcast hat die Kosten für Versionserstellung und Distribution um 50-60% reduziert und die Lieferzeiten sogar noch stärker.
  • Infosys verzeichnet einen Rückgang der Help-Desk-Anrufe um 65%, seit die Überarbeitung frei geschaltet wurde. Wenn Sie die Betriebskosten eines Help Desk bedenken, ist eine Reduzierung der Anrufe eine wesentliche Einsparung.

Fast alle Intranets verzeichnen steigenden Gebrauch, wenn sie ihre Usability verbessern. Wenn etwas schlecht ist, neigen die Leute dazu, einen Bogen darum zu machen; wenn es gut ist, nutzen sie es häufiger. Eine Verbesserung der Usability verdoppelt oft den Gebrauch übers komplette Intranet gerechnet, aber die Verbesserung einzelner Funktionen kann noch viel größere Gewinne produzieren. Zum Beispiel hatte die Infosys nach dem Redesign 1100% mehr Abonnenten in ihrem unternehmensweiten Nachrichtenbereich - also elf Mal so viele Abonnements - und 588% mehr Beiträge in ihrem Team-Spirit-Bereich.

 

© Deutsche Version von Jakob Nielsens Alertbox. Institut für Software-Ergonomie und Usability AG. Alle Rechte vorbehalten.

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