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29.09.2002

E-Mail Newsletter fangen dort an, wo Webseiten aufhören

Anwender reagieren auf Newsletter äusserst emotional, da zu ihnen ein weitaus persönlicherer Bezug besteht, als zu Webseiten. Die Erfolgsraten bei der Subscribe- und Unsubscribe-Funktion fielen dementsprechend in kürzlich durchgeführten Usability-Tests sehr hoch aus. Allerdings kamen Newsletter, die zu viel Zeit beanspruchten, beim Anwender nicht gut an.

 

by Jakob Nielsen (deutsche Übersetzung) - 30.09.2002

 

Die wichtigste Erkenntnis unseres vor kurzem durchgeführten Usability-Tests von zehn Email-Newslettern war, dass Anwender auf Newsletter äusserst emotional reagieren. Dies steht in starkem Kontrast zu Website-Usability-Studien, in denen sich die Anwender üblicherweise wesentlich funktionsorientierter zeigten. Sogar täglich besuchte Webseiten werden eher als Tool angesehen, das man nur kurz öffnen und wieder schliessen möchte, ohne gleich einen Kontakt mit der Webseite herzustellen.

Newsletter wirken persönlicher, weil sie in der eigenen Inbox ankommen. Es besteht also eine dauerhafte Beziehung zu ihnen. Auf Webseiten hingegen wirft man nur einen kurzen Blick, wenn man etwas erledigen möchte oder eine Antwort auf eine spezielle Frage sucht. Der positive emotionale Aspekt eines Newsletters besteht auch darin, dass er ein stärkeres Band zwischen dem Anwender und dem Unternehmen knüpft, als dies eine Webseite vermag. Als negativer Aspekt ist jedoch aufzuführen, dass sich Newsletter- Usability-Probleme überdurchschnittlich stark auf die Kundenbeziehung auswirken.

Beispielsweise erhielt ein Anwender die Fehlermeldung "ungültige Email-Adresse". Sicherlich wäre dies auf jeder Nutzeroberfläche eine belanglose Fehlermeldung. Der mit Newslettern verbundene emotionale Aspekt führte jedoch zur Verärgerung des Anwenders: "Meine Adresse ist genauso gültig wie die jedes anderen! [...] Meine Daseinsberechtigung im Cyberspace wird in Frage gestellt."

Hoher Usability Nominalwert

Bei der Newsletter-Anmeldung und -Abmeldung waren unsere Test-Anwender in der Studie unerwartet erfolgreich: 78% gelang die Subscribe-Funktion und 92% die Unsubscribe-Funktion. Bedenkt man, dass die Erfolgsraten bei den meisten Usability-Studien für andere Bereiche des Webdesigns bei etwa 50 bis 60% liegen, dann fallen die Quoten für die Newsletter-Usability unglaublich hoch aus. Obwohl sie immer noch niedriger ist als alles, was unserer Meinung nach eine wirklich grossartige Nutzererfahrung ist.

Geht man von diesen Erfolgsraten aus, könnte ein Newsletter mit 50.000 angemeldeten Lesern im Durchschnitt schätzungsweise weitere 14.000 Teilnehmer hinzugewinnen, wenn jeder das Anmelde-Interface beherrschen würde.

Es gibt vermutlich zwei Gründe für die relativ hohen Erfolgsraten in der Newsletter-Studie. Zum einen ist die Funktionalität sehr einfach: Man meldet sich für eine Mailingliste an oder ab. Tatsächlich ereigneten sich die meisten Fehler auf Webseiten aufgrund komplexerer Funktionen, wie zum Beispiel aus der Kombination der Newsletter- Anmeldung und einer Website-Registrierung. Grundsätzlich ist es leichter, eine einfache Nutzeroberfläche zu entwerfen, wenn eine einfache Funktionalität zu Grunde liegt.

Der zweite Grund für die bessere Usability des Anmeldeprozesses gegenüber anderen Webdesigns liegt darin, dass auf das Newsletter-Design ein unmittelbares, eindeutiges Feedback erfolgt. In vielen anderen Bereichen des Webdesigns können Projektmanager und ihre Vorgesetzten in der irrigen Annahme verweilen, anwenderunfreundliche Designs wie Splash Pages seien von Nutzen. Ein Design, bei dem niemand das findet was er sucht, kann sogar die Page Views ansteigen lassen, da die Anwender ja ziellos umherirren, bis sie endlich die Webseite verlassen und von einem Geschäft mit dem jeweiligen Unternehmen absehen.

Was das Design für eine Newsletter-Anmeldung anbelangt, so führt es zur Anmeldung oder nicht. In letzterem Falle wird eine Webseite ihre gestalterischen Ausschweifungen früher oder später abmildern und sich auf das Wesentliche beschränken, was die Zahl der Subscriber wieder ansteigen lassen wird. Wird das einfache Design einer Webseite durch ein unübersichtlicheres ersetzt, dann wird das Ausbleiben neuer Teilnehmer nicht unbemerkt bleiben und zur Wiedereinsetzung des vorherigen Designs führen. Das schlechte Design kann dann nur als eine teure Usability-Lektion abgeschrieben werden.

Usability als unzureichend wahrgenommen

Obgleich die Abmelde-Funktion im Laufe des Tests in 92% der Fälle erfolgreich durchgeführt wurde, haben die Anwender oft gar nicht erst versucht, sich von Mailinglisten, an denen sie nicht mehr interessiert waren, abzumelden. Die drei wichtigsten Gründe, warum kein Abmeldungsversuch unternommen wurde, waren:

  • Eine emotionale Bindung zum Newsletter: Man löst die Beziehung nicht gern, auch wenn man die Mailings gar nicht mehr liest.
  • Niedrige Erwartungen an die Usability der Webseite: Man ging davon aus, die Abmelde-Funktion sei schwierig und zeitraubend. Deshalb wurde diese auf einen anderen Tag verschoben, und die aktuelle Ausgabe des Newsletters wurde einfach gelöscht.
  • Die Befürchtung, die Abmelde-Funktion würde nicht funktionieren und sogar den Eingang weiterer Mails zur Folge haben: Viele Anwender haben gehört, dass ein Abmeldeversuch von Spam-Listen den Spammern nur ihre Adresse bestätigt. Diese Idee hat sich als moderne Legende auch in geistigen Modellen von seriösen Newsletter-Betreibern festgesetzt.

Was immer die Gründe auch sein mögen, fest steht jedenfalls, dass Eigentümer von Mailinglisten nicht davon ausgehen sollten, dass alle Subscriber den Newsletter wirklich erhalten möchten. Möglicherweise haben viele Anwender die Abmeldung aus einem der oben genannten Gründe einfach unterlassen.

Einige Newsletter erschweren die Abmeldung ganz bewusst, indem sie die Anweisungen dafür einfach nicht anzeigen oder verkomplizieren. Sie verfolgen vermutlich die Theorie, möglichst viele Subscriber zu halten, um eine maximale Reichweite für "Permission-Marketing-Programme" zu erzielen. Man hat jedoch die "Permission" (Erlaubnis) eines Anwenders nicht, wenn dieser den Newsletter nicht mehr erhalten möchte, ganz unabhängig davon, ob sich der Anwender die Mühe macht, sich abzumelden oder nicht. Wenn Anwender kontinuierlich unerwünschte Newsletter erhalten, geht der Schuss nach hinten los, und die Nachrichten erinnern ihn regelmäßig daran, dass ihm Ihr Unternehmen auf die Nerven geht. Es ist also besser, sie gehen zu lassen.

Geschwindigkeit zählt

Bei den von uns geprüften Newslettern dauerte die Anmeldung fünf Minuten und die Abmeldung drei Minuten. Diese Zeiten sind zwar nicht untragbar, jedoch bei weitem zu lang für die einfachen Funktionen, um die es hier geht.

Wir empfehlen, sich als Usability-Ziel die Dauer von weniger als einer Minute zu setzen, in der sich ein Subscriber abmelden kann, vorausgesetzt, ihm liegt eine aktuelle Ausgabe des Newsletters vor. Newsletter-Subscriptions, für die als einzige Information nur die Email-Adresse des Anwenders erforderlich ist, sollten ebenfalls weniger als einer Minute dauern. Auch wenn weitere Informationen angefordert werden, sollten sich Anwender für freie Newsletter in weniger als zwei Minuten anmelden können. Nur Newsletter-Anmeldungen, für die eine Teilnahmegebühr zu entrichten ist, sollten mehr Schritte enthalten dürfen, als ein durchschnittlicher Anwender in zwei Minuten bewältigen kann.

Anwender sind sehr anspruchsvoll, was die Effizienz von Vorgängen wie Subscribe und Unsubscribe anbelangt. Bei beiden Tasks konnten wir einen sehr starken wechselseitigen Zusammenhang zwischen der Task-Zeit und der subjektiven Zufriedenheit der Anwender feststellen: r = -,71 beziehungsweise -,96.

Dieser Zusammenhang besagt: je langsamer das An- oder Abmeldeverfahren, desto unbeliebter die Webseite. Für jede Minute, welche die Anmeldung in Anspruch nimmt, gehen 0,3 Zufriedenheitspunkte auf einer Skala von eins bis sieben verloren; bei der Abmeldung beträgt der Verlust pro Minute 0,6 Zufriedenheitspunkte. Wie aus den Zahlen hervorgeht, reagieren Anwender auf eine langsame Abmeldung wesentlich kritischer. Wenn man sich abmelden möchte, dann soll es schnell gehen.

Eine optimale Zufriedenheitsbewertung von 7 würde umgerechnet eine sofortige Task Performance voraussetzen. Es erscheint unmöglich, ein Design zu erstellen, das eine Anmeldung oder Abmeldung in null Sekunden ermöglicht, aber genau das wollen die Anwender letztlich. Niemand sieht sein Lebensziel im "Management seiner Newsletter-Subscriptions". Deshalb ist alles Überflüssige nur lästig. Grösstmögliche Einfachheit und Anwenderfreundlichkeit sind gefragt, um Kunden einen positiven Eindruck zu vermitteln.

Extreme Plattformvielfalt

Das Web wird immer mehr zu einer Sciencefiction-Welt der Klone, praktisch ohne biologische Vielfalt, da heute beinahe alle Anwender über denselben Browser verfügen. Es lohnt sich nach wie vor zu überprüfen, ob Webdesigns auch auf anderen Plattformen als dem Internet Explorer und Windows funktionieren, auch wenn die weitaus meisten Anwender genau diese Kombination nutzen. Vom Standpunkt des interaktiven Designs aus betrachtet ist Netscape eine blasse Imitation des IE und Macintosh ist eine herausgeputzte Variante von Windows auf höherem Preisniveau. Die Unterschiede zwischen Web-Browser-Plattformen sind mit dem Unterschied zwischen indischen und afrikanischen Elefanten vergleichbar und nicht mit dem zwischen Krebsen und Adlern.

Im Gegensatz dazu müssen sich Email-Newsletter mit einer Plattformvielfalt auseinander setzen, die eher einen Vergleich mit der biologischen Vielfalt der Kreidezeit (vor dem Kometeneinschlag) zulässt. Unsere Test-Anwender waren beinahe gleichmäßig auf AOL, Hotmail, Netscape Mail, Outlook, und Yahoo Mail verteilt. Verbreitet sind auch Eudora, Lotus Notes sowie ein breites Spektrum an Mainframe-Systemen und Unix-Mail-Varianten.

Jede Email-Plattform zeigt die Zeilen für den Absender und Betreff sowie den Inhalt des Newsletters auf unterschiedliche Weise an. Es gibt verschiedene Lösungsansätze für Spam-Filter und andere Wege, den Eindruck des Newletter-Subscribers zu beeinflussen. Wegen dieser Vielfalt müssen Newsletter-Designer unbedingt die vielen verschiedenen Plattformen berücksichtigen und ihre Subscribe- und Unsubscribe-Vorgänge sowie die Lieferung und Darstellung des eigentlichen Newsletters auf allen gängigen Email-Plattformen prüfen.

Newsletter müssen einfach sein

Täglich erhalten wir etliche Emails, haben aber keine Zeit, viele Texte zu lesen. Newsletter müssen so gestaltet sein, das man sie leicht überfliegen kann. In unserer Studie wurden nur 23% der Newsletter ganz durchgelesen. Die übrigen Newsletter wurden lediglich flüchtig oder teilweise gelesen oder erst gar nicht geöffnet, was auf 27% der Newsletter zutraf.

Der einzige Newsletter, der in der Studie durchweg jedes Mal bei Erhalt gelesen wurde, war Word of the Day von Dictionary.com. Dieser ist sehr kurz und verfügt über ein sympathisches Layout, das die Anwender nicht mit einem Textschwall abschreckt.

Der Grundtenor der Anwender in ihren subjektiven Kommentaren war, dass Newsletter schlecht sind, wenn sie dem Anwender zu viel Zeit oder Arbeit abverlangen. Newsletter sind gut, wenn sie dem Anwender bei einer Erledigung Zeit einsparen oder wenn man sie schnell durchlesen kann und ihr Inhalt ernst zu nehmen ist.

Anwender sehen oft vom Abonnement eines Newsletters ab, weil sie den Eindruck haben, sie würden mit Informationen überschüttet. Der Herausgeber eines Newsletters muss die Anwender davon zu überzeugen, dass der Newsletter einfach und nützlich ist und keine Umstände macht.

Der Newsletter sollte in vorhersehbaren, regelmäßigen Abständen erscheinen, jedoch nicht allzu häufig, es sei denn, es handele sich um Newsletter mit sensationellen Nachrichten. Es geht also nicht nur darum, den Anwender mit dem Newsletter nicht abzuschrecken, damit dieser ihn abonniert, wichtig ist auch ein regelmässiges Erscheinen, damit der Anwender weiss, wann er nach dem Newsletter schauen muss, was die Wahrscheinlichkeit verringert, dass dieser mit Spam verwechselt und gelöscht wird.

Gute Betreffzeilen sind besonders wichtig, da sie den Anwender zum Öffnen des Newsletters veranlassen und eine Möglichkeit zur Unterscheidung von Spam bieten. Wir empfehlen, etwas vom aktuellen Inhalt der jeweiligen Ausgabe in die Betreffzeile aufzunehmen, wenngleich sich das Schreiben eines guten Microcontents bei der von vielen Email-Diensten festgelegten Begrenzung auf 50 bis 60 Zeichen als schwierig gestaltet.

 

© Deutsche Version von Jakob Nielsens Alertbox. Institut für Software-Ergonomie und Usability AG. Alle Rechte vorbehalten.

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