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29.11.2010

E-Mail-Newsletter: steigende Usability

Die neuere Forschung ermittelt verbesserte Usability-Werte beim Abonnieren von Newsletter, aber Probleme beim Lesen von Newsletter auf mobilen Geräten.

 

by Jakob Nielsen (deutsche Übersetzung) - 29.11.2010

 

E-Mail-Newsletter bleiben das beste Internet-Werkzeug, um eine Website zu unterstützen. Die beiden Medienformen ergänzen einander:

NewsletterWebsites
Bringen (Push)Holen (Pull)
NachrichtenRecherchen
VerhältnisErfüllung


Vier Etappen der Nutzerforschung

Wir haben die Newsletter-Usability über vier Etappen hinweg erforscht:

  • Studie 1 (vor 8 Jahren): laborgestützte Tests mit 15 Teilnehmern, konzentriert auf die Prozesse des Abonnierens und Abbestellens sowie auf Eingang und Öffnen der Newsletter.
  • Studie 2 (vor 6 Jahren): Tagebuchstudie mit 30 Teilnehmern in 6 Ländern (Australien, China, Japan, Schweden, Grossbritannien und den USA), um die Rolle von E-Mail-Newsletter im Alltag der Abonnenten über vier Wochen hinweg zu verfolgen.
  • Studie 3 (vor 4 Jahren): Eyetracking-Studie mit 42 Teilnehmern plus Feldstudie mit 6 Teilnehmern; der Schwerpunkt lag in der Frage, wie die Leute ihre Posteingänge sowie den Inhalt der Newsletter lesen (bzw. meist überfliegen).
  • Studie 4 (neu): laborgestützte Tests mit 16 Nutzern in den USA und Grossbritannien inklusive Tests auf mobilen Geräten und Untersuchung der Wirkung des gesprochenen Wortes im Inhalt von Newsletter.

Mithin basieren unsere Design-Richtlinien jetzt auf systematischen Studien mit 270 Newsletter und 109 Teilnehmern sowie auf Einzelnutzertests mit mehreren hundert zusätzlichen Newsletter, die die Teilnehmer bereits in ihren persönlichen Posteingängen liegen hatten.

Alte Ergebnisse wurden bestätigt

Die meisten Ergebnisse unserer ersten drei Etappen der Newsletter-Forschung wurden in der neuen Studie bestätigt.

Wie üblich bei wiederholter Nutzerforschung haben wir auch Änderungen festgestellt und zusätzliche Einsichten gewonnen - sogar bei "alten" Themen wie der Abonnement-Oberfläche und der Betreffzeile. Die Anzahl der Newsletter-Usability-Richtlinien ist von 149 auf 199 angewachsen. (Wobei die Latte für ein akzeptables Nutzererlebnis abermals höher zu liegen kam.)

Aber die meisten neuen Ergebnisse entstanden in Bereichen, die erst nach unserer vorausgegangen Studie ins Zentrum der allgemeinen Aufmerksamkeit gerückt sind: soziale Netzwerke, Videos und mobile Zugänge. Bevor ich mich diesen neuen Themen zuwende, wollen wir zunächst einen Blick auf die schiere Menge der E-Mails werfen, die die Nutzer erreicht, und darauf, wie sich die Usability mit der Zeit entwickelt hat.

E-Mails: Es werden immer mehr

Ein deutlicher Trend seit unserer letzten Studie ist die immer weiter anwachsende Menge von E-Mails in den Posteingängen der Nutzer. Sowohl in der 3. als auch in der 4. Etappe haben wir die Teilnehmer gebeten, sich in ihre eigenen E-Mail-Eingänge einzuloggen, und die Anzahl der neuen oder ungelesenen Mitteilungen ist jetzt um 300% höher als vor 4 Jahren.

Es ist klar, dass die Nutzer bei dem Versuch, mit ihren E-Mails Schritt zu halten, weiter zurückgefallen sind. Das ändert nichts an den alten Richtlinien, dass es wichtig ist, klare "Von"- Bezeichnungen und Betreffzeilen zu verwenden, damit die Mitteilungen Aufmerksamkeit erregen; in der Tat, noch stärker überfüllte Posteingänge machen diese Richtlinien sogar noch wichtiger. Früher konnte ein Newsletter mit einer zu allgemeinen oder Spam-artigen Betreffzeile weggeklickt werden. Heutzutage ist ein Newsletter dieser Art dem Untergang geweiht.

Eine schlechte Betreffzeile kam von InterContinental Hotels: "Open Your (I)s to the Wonders of the Sea." (Etwa: Öffnen Sie Ihre (I)s für die Wunder der See). Ja, das ist eine clevere Anspielung auf das "(I)" im Firmenlogo, und wenn sich die Nutzer die Zeit dafür nehmen würden, würden sie wohl auch herausbekommen, dass sie das als "eyes" (Augen) lesen müssen. Aber während sie ihre Posteingänge durchpflügen, haben die Leute keine Zeit für Wortspiele, Witze und dergleichen. Ausserdem muss das Betreff, um die Nutzer zum Öffnen einer Nachricht zu verlocken, eine deutlich stärkere Informationsfährte aufweisen als "die Wunder der See", was alles Mögliche bedeuten kann.

Ausser auf die Betreffzeilen achten die Nutzer heutzutage stärker auf die Voransicht einer Nachricht. Ursache dieser Änderung ist zum Teil das gewachsene E-Mail-Volumen (die Nutzer können entscheiden, ob sie Meldungen löschen oder behalten, ohne sie alle zu öffnen), zum Teil sind es die mobilen Geräte (die Nutzer können auf einem kleinen Bildschirm nicht viel sehen).

Es war schon immer eine Richtlinie, die wichtigsten Dinge an den Anfang eines Newsletters zu setzen, aber der wachsende Gebrauch von Voransichten macht es sogar noch wichtiger, sich am Beginn einer Nachricht auf hochwertige Inhalte zu konzentrieren, weil die Nutzer mit geringerer Wahrscheinlichkeit weiter nach unten schauen. (Wobei man meistens dazu sagen muss, dass über "Hochwertigkeit" der Wertmassstab der Rezipienten entscheidet und nicht die Frage, was Sie heute bewerben wollen.)

Verbesserungen der Newsletter-Usability

Wir haben die Nutzeroberflächen zum Abonnieren in drei Etappen getestet, und die gemessene Usability hat sich jedes Mal verbessert:

  • Studie 1 (vor acht Jahren): Erfolgsrate 79%, Aufgabenzeit 5:04 (Minuten: Sekunden).
  • Studie 3 (vor vier Jahren): Erfolgsrate 81%, Aufgabenzeit 4:03.
  • Studie 4 (jetzt): Erfolgsrate 85%, Aufgabenzeit 3:32.

Die kürzeren Aufgabenzeiten sind besonders eindrucksvoll und weisen eine Verbesserung um 43% in acht Jahren auf.

Wenn sich Messergebnisse des Nutzererlebnisses mit der Zeit verbessern, kann das zwei mögliche Gründe haben: mehr Usability im Design oder besser trainierte Nutzer. Im Fall der E-Mail-Newsletter spielen wahrscheinlich beide Gründe eine Rolle. Doch im Ganzen scheinen die Nutzer, was das Abonnieren von Newsletter betrifft, nicht viel cleverer geworden zu sein als vor acht Jahren.

Demnach liegt die verbesserte Leistung wahrscheinlich hauptsächlich darin, dass die Websites in der Tat besser gestaltet werden, um Newsletter-Abonnenten zu gewinnen. Eine Datengrundlage für diese Einschätzung liefert unserer Analyse von Wahlkampf-Newsletter während der nationalen Wahlen 2004 und 2010. Im Durchschnitt der Parteien betrug die Übereinstimmung mit unserem Usability-Richtlinien:

Zumindest auf dem kleinen Feld der Wahlkampf-Newsletters hat sich das Design im Lauf der Zeit verbessert. Nicht so stark natürlich, wie wir uns das wünschen, was der Grund dafür sein könnte, dass die Erfolgsraten sich nur um wenig mehr als einen Prozentpunkt pro Jahr verbessert haben. Immerhin: Die Dinge entwickeln sich zum Guten.

Im Wettbewerb mit sozialen Netzwerken

E-Mail-Newsletter sind ein besserer Weg, mit Kunden in Kontakt zu bleiben, als aktuelle Meldungen, die Sie in Netzwerken wie Facebook oder Twitter posten:

  • Ein Newsletter geht in den Posteingang und verbleibt dort, während soziale Netzwerke wie einen Strom funktionieren, in dem neue Beiträge ständig die alten verdrängen.
  • Wie wir bei Tests mit sozialen Netzwerken herausgefunden haben, wenden sich die Leute primär an diese Dienste, um mit Freunden und der Familie in Kontakt zu bleiben, und Firmen-Inhalte werden häufig durch diese Brille betrachtet, in die sie nicht hineinpassen.
  • Newsletter stehen im Design unter Ihrer Kontrolle und enthalten sehr viel mehr Informationen. Ein Nutzer lieferte folgenden Vergleich von Newsletter und Facebook-Updates: "Man bekommt in Newsletter viel mehr Informationen als auf Facebook. Facebook kommt mir eher vor wie ein allgemeiner Einzeiler über etwas, was gerade los ist, während ein Newsletter Inhalte und Details zu ganz verschiedenen Punkten und Themen enthält."

In unserer letzten Studie haben wir die Nutzer gebeten, aktuelle Meldungen über Firmen zu verfolgen ("receive updates"). Nur 10% haben das über Facebook gemacht, während 90% einen Newsletter abonniert haben.

Die Nutzer waren zwar nicht wirklich interessiert daran, aktuelle Firmenmeldungen über ihre sozialen Netzwerke zu verfolgen, aber dennoch sind das Informationsquellen, die im Wettbewerb um die Aufmerksamkeit der Leute stehen. Manche Nutzer berichteten, sie hätten die neueste Nachricht aus Facebook gehört, bevor sie einen News-Alert per E-Mail erhielten.

Ihre Newsletter-Abonnenten sind gewöhnlich Ihre loyalsten Kunden und Fans, deshalb ist es wichtig, sie besser zu behandeln als das flüchtigere Publikum in sozialen Netzwerken. Natürlich besteht ein Weg, das zu erreichen, darin, im Newsletter erweiterte Inhalte anzubieten. Aber Sie sollten auch dafür sorgen, dass Sie Newsletter, die zum Beispiel Sonderangebote oder neue Produkte ausloben, eher verschicken, als Sie solche Nachrichten twittern.

Positiv betrachtet kann Ihr Newsletter den Abonnenten soziale Medienvorteile bringen: Sie können sie mit Leckerbissen füttern, die sie an ihre eigenen Kontakte weiterleiten können, was ihnen das Gefühl gibt, zu den besser Informierten zu zählen. So belohnen Sie Ihre loyalsten Anhänger, während Sie dennoch Ihre Botschaften über soziale Dienste verbreiten.

Mobile Nutzung: schnelles Lesen, langsames Lesen

Schon in unserer ersten Studie mit mobilen Geräten im Jahr 2000 haben wir herausgefunden, dass Zeit Totschlagen eine Killer-App für mobile Geräte ist. Wenn die Leute draussen unterwegs sind, kommen sie oft in Situationen, bei denen sie ein paar Minuten totschlagen wollen, und mobile Inhalte füllen diese Lücke.

Die neue Studie hat dieses alte Ergebnis erneuert. Viele Nutzer lesen Newsletter auf ihren mobilen Geräten, wenn sie gerade etwas Zeit übrig haben. Unter diesen Umständen, so sagten einige Nutzer, seien sie eher bereit, einen Blick auf längere Inhalte zu werfen, als dann, wenn sie E-Mails normal auf ihren Arbeitsplatzrechnern durchsehen.

Auf der anderen Seite ist mobiler Gebrauch häufig durch einen noch höheren Zeitdruck charakterisiert als der Gebrauch am Arbeitsplatz. Die Leute checken oft ihre E-Mails auf mobilen Geräten während einer kurzen Pause und widmen ihre Zeit dann nur Meldungen mit hoher Priorität.

Deshalb sollten einige Newsletter für den mobilen Gebrauch eher noch schneller und noch mehr auf dem Punkt sein, während andere es sich leisten können, gemächlichere Inhalte zu präsentieren. Es ist wahrscheinlich besser, entweder das eine oder das andere zu tun, als einen mittelmässigen Ansatz zu fahren, der keines der beiden Nutzung-Szenarios zufriedenstellt.

Ein grosses Problem in unserer letzten Studie lag darin, dass viele Newsletter für das Lesen auf kleinen mobilen Bildschirmen schlecht formatiert waren. In der Tat, die Leute haben der Lesefreundlichkeit von Newsletters auf ihren mobilen Geräten auf einer Skala von 1-7 die miserable Note 3,3 gegeben.

Video in E-Mails

Videos spielen auch in Newsletter eine Rolle, aber die ist bei den meisten Themen eher klein. Die Nutzer sind meist in Eile, wenn sie ihre E-Mails durcharbeiten, und Videos anzuschauen kostet Zeit. Einer der Studienteilnehmer sagte dazu: "Ich würde das wahrscheinlich nicht anschauen. Das ist ein Video, kein Text. Ich hatte einen Artikel erwartet, kein Video. Bei einem Video muss man sich das Ganze anschauen. Auch wenn es nur eine Minute dauert - ich stehe nicht auf Videos. Und wenn ich das auf dem Handy hätte, könnte ich es gar nicht anschauen. Auf dem Handy würde ich das schon gar nicht anschauen wollen."

In den meisten Fällen sollten Newsletter-Videos sekundärer Natur sein, lediglich eine Ergänzung zum Text und den Bildern, die Leute im Newsletter direkt überfliegen können. Um die Erwartungen der Nutzer richtig zu justieren, muss das Design absolut eindeutig anzeigen, ob ein Link auf ein Video oder einen Artikel führt.

Die Nutzer haben gezögert, Videos innerhalb von Newsletters anzuklicken, wenn sie sich unsicher waren, was sie da bekommen würden. Es ist wichtig, das Video klar in Worten zu beschreiben. Auch sollten Sie sorgfältig ein Vorschaubild auswählen, das die Natur des Videos kommuniziert, anstatt einfach nur das erste Bild zu zeigen. Geben Sie ausserdem die Dauer des Videos an.

Lang lebe das Internet (und Ihr Newsletter)

Internet, E-Mails und Newsletter sind nicht mehr wirklich neue Phänomene. Deshalb beobachten wir oft faszinierende Effekte der Langlebigkeit. Zum Beispiel hat in einer Studie ein Teilnehmer beschlossen, einen Newsletter zu abonnieren, nachdem er darüber in einem Buch gelesen hatte. Ein anderer hat sich bei einem Newsletter eingetragen, während er auf einer Konferenz war ("ehrlich gesagt nur, um eine kostenlose Tragetasche zu bekommen") und kam dann nach der Veranstaltung dazu, den Newsletter zu lesen.

50% unserer Nutzer haben gesagt, dass E-Mail-Newsletters ihre B-to-B-Kaufentscheidungen beeinflusst haben, aber der Einfluss trat nur gelegentlich auf, wenn das Timing zufällig passte. Oft diente der Newsletter dazu, die Reputation eines Anbieters wachsen zu lassen oder zu wahren oder während einer Dürreperiode die Beziehung aufrechtzuerhalten, wenn den Nutzern die Budgets fehlten, um aktiv etwas einkaufen zu können.

Was Kundenbeziehungen angeht, müssen die Newsletter als langfristige Investition betrachtet werden: Ihr Zauber entfaltet sich im Lauf der Zeit. Auf strategischer Ebene ist dies der Grund, warum Sie den Schwerpunkt auf Publikationen mit Mehrwert legen sollten, anstatt zu häufig Newsletter an jede E-Mail-Adresse raus zu jagen, zu der Sie Zugriff haben. Auf taktischer Ebene ist das der Grund, warum Sie alte Richtlinien befolgen sollten wie die, die gleiche Internetadresse jahrelang beizubehalten, anstatt in jeder Saison neue Microsites zu bauen (und wieder abzuklemmen).

 

© Deutsche Version von Jakob Nielsens Alertbox. Institut für Software-Ergonomie und Usability AG. Alle Rechte vorbehalten.

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