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03.05.2015

Grosse Touchscreens: Was sind die Unterschiede?

Um für grosse Touchscreens zu gestalten muss man ein besonderes Augenmerk auf die Eingabe, den Bildschirmfokus und die Geheimhaltung legen.

© Bacho Foto - Fotolia.com

 

by Amy Schade (deutsche Übersetzung) - 03.05.2015

 

Wenn wir für Bildschirme mit verschiedenen Grössen und Abmessungen gestalten, konzentrieren wir uns häufig auf den kleinsten Bildschirm. Unsere Designs und interaktiven Elemente müssen natürlich auf Geräten mit kleinem Bildschirm, wie Handys und Uhren, passen und darauf auch funktionieren. Viele Teams konzentrieren sich daher darauf, Menüs, Interaktionen, Inhalte und Erlebnisse zu verkleinern und zu optimieren, damit sie problemlos auf kleinen Geräten genutzt werden können.

Andere Bildschirme werden jedoch immer grösser und verfügen über Touch-Funktionen. So werden einige Laptop- und Desktop-Monitore bereits mit Touchscreens ausgestattet. Ausserdem werden grössere Tablets, wie das Nabi Big Tab (engl.) mit seinem 24 Zoll Touchscreen angeboten und in Autos von Tesla wird ein 17 Zoll Touchscreen für die Steuerung der meisten Funktionen verwendet. Da zur Ermittlung der Bildschirmgrösse die Diagonale gemessen wird, ist der Tesla-Bildschirm 3-mal wo gross wie ein 9,7 Zoll grosses iPad Display, wohingegen das Nabi Big Tab 6-mal so gross wie ein iPad ist.

Genau wie sich Designs für kleinere Bildschirme von Designs für Desktops unterscheiden, müssen während des Designens für derartige grössere Bildschirme spezielle Überlegungen angestellt werden. Was mit einer Maus auf einem Gerät mit grossem Bildschirm (engl.) gut funktioniert, kann unter Umständen auf einem grossen Touchscreen nicht problemlos verwendet werden. Was auf einem kleineren Tablet gut funktioniert, lässt sich eventuell nicht auf ein grosses Tablet übertragen.

Welche Überlegungen müssen wir also berücksichtigen, wenn wird für Geräte mit grösseren Touchscreens designen? Die folgenden Beobachtungen sind das Resultat meiner Nutzung des Nabi Big Tab, eines 24 Zoll grossen Tablets, das für Eltern und ihre Kinder vermarktet wird (Ein Vorteil der Arbeit im Bereich der UX und des Interaktionsdesigns ist der gelegentliche Kauf eines Gadgets im Interesse der "Nutzerforschung".) Ich konzentriere mich nicht darauf, das Gerät zu bewerten oder die Usability bestimmter Apps oder Spiele zu analysieren, sondern interessiere mich dafür, wie die Grösse und der Massstab des Geräts unsere Experience damit beeinflusst.

Eingabe: Tipps, Formulare und Gesten

Die Eingabe mit Hilfe von virtuellen Tastaturen ist häufig schwerfällig, wobei sich diese Schwerfälligkeit verstärkt, wenn die Tastatur an die Grösse des Geräts angepasst wird und plötzlich 24 Zoll gross ist. Jeder Tastendruck auf einem BigTab setzt eine starke Bewegung des Arms voraus - die Bewegung eines Fingers oder einer Hand reichen nicht mehr aus. Mit dem Daumen oder in einer Standard-Tippposition zu schreiben, ist aufgrund der Grösse der virtuellen Tastatur nicht möglich. Es ist einfach nicht möglich, die Tasten zu erreichen, ohne die Arme zu bewegen.

Ausserdem bedeutet die Grösse des Bildschirms, dass der eingegebene Text weit von der Tastatur entfernt angezeigt wird. Auf einem Gerät mit kleinem Bildschirm wird die virtuelle Tastatur nahe genug am ausgewählten Feld angezeigt, um mit einem kurzen Blick die Rechtschreibung prüfen zu können. Auf grossen Bildschirmen sind die Antworten wesentlich weiter von der Tastatur entfernt, weshalb Sie während der Betätigung der Tasten nach oben und unten blicken müssen. Aufgrund der Aufteilung der visuellen Aufmerksamkeit und der Armbewegungen fühlt sich jeder Tastendruck wie eine separate Handlung an - man nimmt ihn bewusst war, anstatt ihn unbewusst durchzuführen, da Arbeit notwendig ist, um jede Taste zu erreichen.

Auf Formularseiten verdeckt die riesige BigTab Tastatur die meisten Felder, wodurch Nutzern immer nur ein Feld angezeigt wird. Es ist schwierig, zu ermitteln, welches Feld als nächstes folgen wird - bzw. ob es überhaupt ein nächstes Feld gibt - obwohl es die Bildschirmgrösse ermöglichen würde, mehr Inhalte anzuzeigen.

Der zusätzliche physische Aufwand (der zwar nicht anstrengend ist, aber definitiv auffällt) und das Problem, dass nur ein Feld angezeigt wird, sorgen dafür, dass sich ein relativ kurzer Vorgang - wie das Setup des Geräts - langwierig und mühsam anfühlt.

Auch die Gesten unterscheiden sich auf grossen Bildschirmen. Es scheint, als ob ein Finger nicht ausreicht, um eine mehrere Zentimeter breite Taste zu drücken. Auch das Ziehen und Wischen setzen erhöhte Anstrengung und mehr Bewegung voraus. Die Verwendung des Geräts setzt mehr Körpereinsatz voraus, als die Nutzung eines kleineren Touchscreens.

Der erhöhte körperliche Einsatz ist nicht notwendigerweise schlecht. Mein 6-jähriger Sohn hatte grossen Spass beim Spielen von Fruit Ninja und wischte wie verrückt über die riesigen Früchte, sobald diese am Bildschirm erschienen.

Designer sollten die Tastatur in der richtigen Grösse anzeigen, um die Ermüdung zu minimieren, den grossen Bildschirm bei der Erstellung von Formularen nutzen, um mehr Daten auf einmal anzuzeigen, und sich Möglichkeiten überlegen, den körperlichen Einsatz an einem Gerät zum Vorteil des Nutzers zu nutzen. Das Sortieren und Organisieren von komplexen Listen oder Daten wären auf einem grossen Bildschirm und mit dem Feedback der "physischen" Bewegung eines Objekts von einer Liste zur anderen zum Beispiel wesentlich effektiver.

Tastatur auf einem grossen Tablet

Das Tippen setzt auf einer grossen virtuellen Tastatur wesentlich mehr körperlichen Einsatz voraus, als auf einem kleinen Gerät.

Touch-Funktion

Obwohl der grosse Bildschirm meine 2-jährigen Kinder restlos faszinierte, war die Grösse des Touchscreens ein Nachteil für meine Tochter. Sie stützte sich mit einer Hand auf dem Bildschirm auf, um einen anderen Bereich des Displays zu erreichen. Das Resultat war, dass die Puzzleteile, die sie bewegen wollte, von einer Hand zur anderen sprangen - falls sie sich überhaupt bewegten.

Die Verwendung des grossen Bildschirms war für sie aufgrund ihrer Grösse im Vergleich zum Gerät besonders schwierig. Die meisten von uns verwenden keine Geräte, die fast so gross sind wie wir selbst. Ihre Versuche der Verwendung des Geräts zeigen ein Problem, das auf grossen Touchscreens mit höherer Wahrscheinlichkeit auftritt: unbeabsichtigte zweihändige Berührungen und andere versehentliche Eingaben.

Wir sehen dieses Problem häufig beim Testen von mobilen Geräten. Bei Personen, die normal grosse Tablets verwenden, beobachten wir mehr versehentliche Berührungen oder Wischbewegungen auf dem Bildschirm, als bei Menschen, die Handys bedienen.

Designer müssen versehentliche Berührungen vorhersagen bzw. berücksichtigen und sich Methoden überlegen, um grössere Gesten, Eingaben mit der Hand anstatt mit dem Finger und Interaktionen mit beiden Händen zu ermöglichen.

Fokus

Auf einem grösseren Bildschirm können zu jedem Zeitpunkt mehr Inhalte angezeigt werden. Wenn mehr Dinge sichtbar sind, kämpfen allerdings auch mehr Informationen um die visuelle Aufmerksamkeit des Nutzers. Normalerweise sitzen wir weiter von einem grossen Bildschirm entfernt. Ein Desktop-Monitor wird rund 60 cm entfernt platziert. Ein Fernseher könnte am anderen Ende des Raumes stehen. Diese Distanz gibt uns einen besseren Überblick über die Inhalte am Bildschirm.

Ein Touchscreen-Gerät muss wesentlich näher am Nutzer platziert werden- und das aus einem gutem Grund: es muss so nahe positioniert werden, dass der Nutzer den Bildschirm berühren kann. Diese Nähe erschwerte es mir allerdings, das "grosse Ganze" zu sehen, während ich mich auf ein Detail konzentrierte. Eine Fehlermeldung im oberen Bereich des Bildschirms kann zum Beispiel leicht übersehen werden, wenn sich der Nutzer auf eine Handlung am unteren Rand des Displays konzentriert.

Ausserdem ist es schwierig, einen grossen Teil des Bildschirms zu sehen, wenn Nutzeroberflächen einfach vergrössert werden, um den gesamten Bildschirm in Anspruch zu nehmen. Diese Vorgehensweise kann verschwommene Bilder zur Folge haben, ausserdem wird die Auswahl am Bildschirm eingeschränkt. Die gezoomte Nutzeroberfläche und die Nähe des Nutzers zum Bildschirm (nahe genug, um ihn zu berühren) bedeuten, dass alle Dinge auf dem Display übergross angezeigt werden, was es erschwert, die angezeigten Informationen zu verstehen.

vergrösserte Website auf Nabi Big Tab

Die Kundenservice-Website des Nabi Big Tabs nutzt die Grösse des Geräts nicht aus. Die Seite wurde vergrössert, um den Platz auszufüllen, was dazu führt, dass die Symbole am unteren Rand des Bildschirms ohne ihre Beschreibung angezeigt werden. Die Abbildung des Geräts war durch die Vergrösserung ausserdem verschwommen.

Tragbarkeit

Das Nabi Big Tab ist insofern tragbar, dass Sie es einfacher von einem Raum in den nächsten tragen können, als zum Beispiel einen Desktop-Computer. Seine Tragbarkeit unterscheidet sich aber signifikant von jener eines kleinen Gerätes. Es ist nicht überraschend, dass es aufgrund seiner Grösse und Form nicht dieselbe Tragbarkeit bietet, wie ein kleineres, leichteres Gerät. Es ist aber auffällig, wie selten wir dieses tragbare Gerät bewegen, da es so gross ist.

Das Tablet wiegt 4,7 kg. Das bedeutet, dass es mein Sohn nicht durch das Zimmer tragen kann, um mir etwas zu zeigen, obwohl er das mit kleineren Tablets häufig tut. Es bedeutet auch, dass wir das Gerät fast wie einen Desktop-Computer - also ein Gerät, das fix in unserem Zuhause platziert wurde - an jenem Ort verwenden, an dem es am häufigsten genutzt wird. Das stellt definitiv einen Unterschied zu unseren kleineren Tablets dar, welche häufig von einem Raum in den nächsten getragen werden - sogar während sie gerade verwendet werden.

Nutzungsumfeld

Die Grösse des BigTab erschwerte uns die Entscheidung, wie und wo wir es platzieren sollten. Mein 6-jähriger Sohn, der es gewohnt ist, ein iPad entweder am Schoss oder auf einem Tisch zu verwenden, war sich unsicher, wie er sich mit dem Gerät hinsetzen sollte. Das Tablet enthält einen integrierten Ständer, das Gerät ist aber so gross und schwer, dass er sich Sorgen darüber machte, den Ständer während seiner wilden Spiele umzuwerfen. Um sich Inhalte anzusehen - und nicht aktiv damit zu interagieren- ist der integrierte Ständer aber immens wichtig und ermöglicht bequemes Schauen in einer sitzenden Position. Es ist die Nähe, die für die Interaktion notwendig ist, die das Erlebnis schwerfälliger macht.

Die bequemste Position ist es für uns, das Gerät flach auf ein Bett (oder den Boden) zu legen und sich daneben hinzusetzen. Das ermöglicht es uns, den Bildschirm von oben zu betrachten und vereinfacht die Berührung der gewünschten Ziele. Wenn das Tablet flach auf einem Tisch liegt, bereiten die Höhe des Tisches und die Grösse des Gerätes Probleme mit der Interaktion. Die gegenüberliegenden Ecken des Geräts sind zu weit entfernt, um sie bequem erreichen zu können, während man in einem Stuhl sitzt - vor allem für jüngere Nutzer.

Aus diesem Grund ist es unbequem, lange Zeit mit dem Tablet zu interagieren. Im Gegensatz zu einem kleineren Tablet, das Sie an einen bequemen Ort mitnehmen können, handelt es sich hierbei um kein Gerät, das Sie im Schoss halten oder mit dem Sie sich in anderen Positionen hinsetzen können.

Gemeinsame Nutzung und Datenschutz

Das Ziel des Big Tab ist die gemeinsame Nutzung - und zu diesem Zweck eignet es sich sehr gut. Seine Grösse und der Multi-Touch Bildschirm sind ideal für Multiplayer-Spiele, bei denen Teamkollegen und Rivalen um den Bildschirm herumsitzen und gemeinsam oder gegeneinander spielen. Es macht Spass und ist fesselnd, gemeinsam an dem Gerät zu spielen.

Gemeinsame Nutzung eines grossen Tablets

Die Bildschirmgrösse eignet sich gut für die gemeinsame Nutzung.

Den Bildschirm eines kleineren Geräts gemeinsam zu verwenden, kann invasiv sein, da sich die Zuseher über die Person lehnen müssen, die das Gerät gerade hält. Mit einem grösseren Bildschirm haben alle mehr Platz, wenn sich eine Gruppe um das Gerät schart. Mein 2-jähriger Sohn beobachtete meinen 6-jährigen Sohn zufrieden, während dieser ein Dinosaurier-Puzzle nach dem anderen löste, ohne seinen grossen Bruder dabei zu stören.

Deshalb ist es allerdings schwierig, private Dinge auf dem grösseren Bildschirm zu erledigen. Bei Singleplayer-Spielen oder privaten Interaktionen war der grosse Bildschirm einfach zu verlockend für winzige Geschwisterhände, welche das Spiel störten. Es ist auch irritierend, private Informationen, wie Kreditkarteninformationen, in mehrerer Zentimeter hoher Schrift zu sehen, wodurch sie im ganzen Raum sichtbar sind.

Verschiedene Geräte, unterschiedliche Erlebnisse

Es ist nicht überraschend, dass die Verwendung eines Geräts mit grösserem Touchscreen ein anderes Erlebnis ist, als die Nutzung desselben Designs auf einem kleineren Gerät oder auf einem grösseren Bildschirm ohne Touchscreen. Wie wir in unserem Kurs Skalierung von Nutzeroberflächen (engl.) beschreiben, muss das Design für verschiedene Bildschirmgrössen mehr als nur die Abmessungen des Displays berücksichtigen.

Zahlreiche Faktoren - wie der Eingabetyp, die Tragbarkeit und der Datenschutz des Geräts - beeinflussen nicht nur die Nutzung des Geräts, sondern auch, wie wir für das Gerät designen sollten. Die Bildschirmgrösse kann nicht die einzige Überlegung sein, während Designs an unterschiedene Displaygrössen angepasst werden. Anstatt nur die Einschränkungen und Nachteile verschiedene Geräte zu betrachten, sollten wir uns auf das Potenzial des Designs von Erlebnissen konzentrieren, die auf einzigartige Weise die Charakteristika des Geräts nutzen.

 

© Deutsche Version. Institut für Software-Ergonomie und Usability AG. Alle Rechte vorbehalten.

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