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23.06.2002

Immer grössere Übereinstimmung mit Usability-Richtlinien

In den vergangenen 1½ Jahren stieg die durchschnittliche Übereinstimmung mit etablierten Usability-Richtlinien um 4% an. Wenn diese positive Entwicklung anhält, erreichen wir das Ideal einer 90% Übereinstimmung im Jahr 2017.

 

by Jakob Nielsen (deutsche Übersetzung) - 24.06.2002

 

Die Web-Usability wird endlich besser. Langsam aber sicher. Welche Daten
stehen hinter dieser Behauptung? Ende 2000, vor Veröffentlichung unserer Richtlinien für E-Commerce-Usability 2001, haben wir zwanzig wichtige E-Commerce- Webseiten analysiert. Durchschnittlich haben diese Webseiten 45% der E-Commerce-Usability-Richtlinien befolgt.

Mitte 2002 haben wir die Studie mit 15 anderen E-Commerce-Webseiten wiederholt (wir haben nicht dieselben Webseiten wie im Jahre 2000 untersucht, da sich, um es gelinde auszudrücken, auf diesem Gebiet viel verändert hat). Mittlerweile hält sich die durchschnittliche E-Commerce-Webseite an 49% der festgelegten Usability-Richtlinien.

Die Übereinstimmung mit den Usability-Richtlinien ist in 1½ Jahren also um 4% gestiegen. Zwar entspricht diese Verbesserungsrate nicht gerade Moore's Law, doch wenn sie weiter anhält, erreichen wir in 15 Jahren die volle Übereinstimmung mit den Usability-Richtlinien.

Um ehrlich zu sein, können wir froh sein, wenn wir das Internet in 15 Jahren in Ordnung bringen. Natürlich wäre ich froh, wenn diese Entwicklung beschleunigt werden könnte. Es ist unerfreulich, so viel Zeit aufzuwenden, um 207 bekannte Grundsätze zur Erleichterung des Online-Shoppings zu dokumentieren, nur um dann einige Monate später feststellen zu müssen, dass ein Grossteil dieser optimalen Verfahren auf den meisten Webseiten nicht umgesetzt worden ist. Bleiben wir dennoch realistisch: Neue Technologien brauchen Zeit um zu reifen, und die Tatsache, dass die Webseiten immer mehr dieser Empfehlungen implementieren, ist ein Grund zum Feiern.

Betrachten wir die Situation einmal aus der Nähe: Bei einem linearen Wachstum von 4% alle 1½ Jahre erhalten wir im Laufe von 15 Jahren einen Zuwachs von 40%. Im Jahre 2017 werden die Webseiten also 90% der Usability-Richtlinien befolgen. Eine Übereinstimmung von 90% ist der idealste Zustand, den wir erreichen können, da es für bestimmte Webseiten immer besondere Umstände geben wird, unter denen ein Abweichen von einigen der anerkannten Usability-Richtlinien begründet ist.

Bei unserer 2002 durchgeführten Untersuchung erzielte die E-Commerce-Site von L.L. Bean die höchste Punktzahl, bei einer Einhaltung von 66% der Richtlinien. Aber auch die besten Webseiten sind immer noch verbesserungsfähig. Die Tatsache, dass ein herkömmliches Versandhandelsunternehmen die höchste Punktzahl in unserer Untersuchung erhielt, bestätigt die Informationen aus einer früheren Studie, die besagten, dass es sich bei den Online-Geschäften der Katalogunternehmen um die profitabelsten E-Commerce-Webseiten handelt.

Die wichtigsten Verbesserungen: Suchfunktionen und darüber hinaus

Besonders erfreut bin ich über die umfassenden Verbesserungen der Suchfunktion Usability, die sich seit Ende 2000 bis zum heutigen Zeitpunkt von 35% auf 48% gesteigert hat. Die Suchfunktion ist ein Schlüsselelement der Web-Usability, und noch immer gibt es Web-Webseiten, deren Suchfunktion so mangelhaft ist, dass Nutzer eher fehlgeleitet werden, als Hilfe erhalten. Laut den Ergebnissen unserer 2002 durchgeführten Studie sind gegenüber dem Jahr 2000 in den folgenden drei Bereichen die wichtigsten Usability-Verbesserungen erfolgt:

  • Präsentation der Produktoptionen auf Produktseiten. Mittlerweile bringen
    mehr Webseiten alle Optionen auf eine Seite, verwenden leicht verständliche Farbbezeichnungen, zeigen für jede Farbe eine Abbildung, bieten dem Kunden Optionen zur Auswahl an, bevor er das Produkt in den Einkaufswagen legt, zeigen die gewählten Optionen im Einkaufswagen an und so weiter. Die Übereinstimmung mit den Richtlinien ist in diesem Bereich von 40% auf 63% gestiegen.
  • Einfache Suche. Es bieten jetzt mehr Webseiten ein Eingabefeld mit einer Schaltfläche an, stellen einen Link zu den erweiterten Sucheinstellungen zur Verfügung, anstatt diese gleich anzuzeigen, erläutern die Suchbereiche, setzen den Default-Wert für den Suchbereich auf "Alles" und so weiter. In diesem Bereich stieg die Übereinstimmung mit den Richtlinien von 30% auf 53% an.
  • Bestellformulare und Registrierung. Mittlerweile fragen mehr Webseiten nur noch nach den erforderlichen Daten und erklären deren Verwendungszweck. Sie benutzen eindeutige Bezeichnungen und vernünftige Grössen für die Eingabefelder, wobei sie zwischen Liefer- und Rechnungsadresse unterscheiden, im Vorfeld bereitgestellte Informationen speichern und automatisch eintragen, die Eingabe- und Tab-Taste aktivieren, klar verständliche Erklärungen nach Fehleingaben bringen und so weiter. Die Übereinstimmung mit den Richtlinien stieg in diesem Bereich von 49% auf 66% an.

Zu den weniger erfreulichen Nachrichten gehört die Tatsache, dass US-Webseiten ausländische Kunden noch immer nicht gut behandeln: Die Punktzahl bei den Richtlinien zum Service für internationale Nutzer betrug 28% (gerade einmal 6% mehr als im Jahr 2000). Hinzu kommt, dass Webseiten zwar einfache Suchfunktionen besser präsentieren (53% Übereinstimmung), die Usability anderer Suchfunktionen jedoch nach wie vor vernachlässigen. Dies erklärt auch die etwas niedrige Gesamtpunktzahl (48%) für den gesamten Bereich "Usability-Richtlinien für Suchfunktionen".

Bei den Suchmaschinen selber liegt die Toleranz beispielsweise für unterschiedliche Nutzereingaben immer noch bei nur 24%. Doch selbst vor dem Hintergrund solch schlechter Usability gab es auch tolle relative Verbesserung: Die Suchmaschinensoftware schnitt im Jahr 2000 lediglich mit 8% ab.

Internationale Webseiten hinken hinterher

Neben amerikanischen Webseiten haben wir eine kleinere Auswahl von sechs E-Commerce-Webseiten aus dem Ausland analysiert. Diese schnitten bei einer Einhaltung von nur 40% der Richtlinien (verglichen mit 49% bei den US-Webseiten) wesentlich schlechter ab.

Wenn wir diesem Ergebnis die von uns geschätzte Entwicklungsgeschwindigkeit zu Grunde legen, liegen ausländische Webseiten drei Jahre hinter den US-Webseiten zurück. Natürlich trifft dies nur für den Durchschnitt zu: In den USA gibt es fürchterliche Webseiten, während andere Länder grossartige Webseiten bieten können, die sich mit den besten US-Webseiten vergleichen lassen. Warum weisen ausländische Webseiten eine geringere Usability auf als US-Webseiten? Ein Grund könnte darin bestehen, dass die Entwicklung in den USA weiter fortgeschritten ist, und das Management mehr Augenmerk auf die Usability legt. Die USA haben nicht nur eine längere und ausgeprägtere Usability-Tradition, die meisten Usability-Richtlinien werden auch in englischer Sprache veröffentlicht.

Nichtsdestoweniger habe ich in den vergangenen drei Jahren viele Seminare und Vorträge in Europa, Asien und Australien gehalten und ein stark anwachsendes Interesse an Usability in diesen Regionen festgestellt. Beispielsweise hatte unsere Konferenz in Sydney letzte Woche einen um 40% grösseren Zulauf als noch letztes Jahr. Der Vorsprung, den die USA dank talentierter Usability-Fachleute und eingekaufter Führungskräfte noch besitzt, wird also nicht mehr lange andauern.

Eine zweite Erklärung für das bessere Abschneiden der US-Usability könnte in den fehlenden Mitteln für ausländische Webseiten zu sehen sein. Einige Usability-Bereiche, wie eine gute Suchfunktion, erfordern beträchtliche Investitionen, die in grösseren Ländern, wo Webseiten auf einen grösseren Kundenstamm treffen, leichter getragen werden können. Andererseits können die meisten Usability-Aspekte preiswert implementiert werden: Im Grossen und Ganzen brauchen Webseiten nur darauf verzichten, Geld für ausgefallenes Design zu verschwenden und sich stattdessen auf die Einfachheit und die Bedürfnisse der Nutzer zu konzentrieren.

 

© Deutsche Version von Jakob Nielsens Alertbox. Institut für Software-Ergonomie und Usability AG. Alle Rechte vorbehalten.

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