Page Parking: Die Multi-Tab-Leidenschaft der Generation Y
Browsertabs trennen die Phasen der Suche und des Vergleichs und dienen Nutzern als Gedächtnisstütze, um viele verschiedene Websites in Erwägung zu ziehen, während sie einkaufen oder recherchieren. Befolgen Sie 7 UX-Richtlinien, um dieses Nutzerverhalten, welches vor allem unter jungen Nutzern auftritt, besser zu unterstützen.
by Kate Meyer und Jakob Nielsen (deutsche Übersetzung) - 01.11.2015
Wie werden Tabs in modernen Browsern verwendet? Die Möglichkeit, gleichzeitig mehrere Seiten in verschiedenen Tabs zu öffnen, kann zum parallelen Surfen genutzt werden, bei dem Nutzer zwischen Aufgaben wechseln und ein Tab erneut aufrufen, sobald es an der Zeit ist, die Aufgabe in diesem Tab fortzuführen. Ein Nutzer kann zum Beispiel Facebook den ganzen Tag in einem Tab geöffnet lassen, um von Zeit zu Zeit nachzusehen, ob es Neuigkeiten gibt.
Unsere aktuellen Nutzerstudien für den Kurs Designen für Millennials ergab, dass junge Erwachsene eine weitere mit Tabs in Verbindung stehende Verhaltensweise an den Tag legen, welche wir Page Parking nennen: dabei werden schnell hintereinander mehrere Websites geöffnet, um Informationen auf diesen Seiten zu „speichern“ und sie später wieder aufrufen zu können. Dieses Verhalten tritt häufig beim Shopping, Recherchieren oder dem Lesen von Nachrichten-Websites auf, kann aber bei jeder Aufgabe vorkommen, bei der mehrere ähnliche Objekte – jeweils in einem eigenen Tab – geöffnet werden. Nachdem die Nutzer sich den Inhalt in den Tabs durchgelesen haben, werden viele der geparkten Seiten eliminiert und die jeweiligen Tabs geschlossen.
Paralleles Browesn und Page Parking weisen unterschiedliche Merkmale auf:
Paralleles Browsen | Page Parking | |
Wer zeigt die Verhaltensweise normalerweise? | Poweruser | Junge Erwachsene („Millennials“), die Generation Y |
Beziehung zwischen Tabs und Nutzeraufgaben | Unterschiedliche Aufgaben in jedem Tab | Dieselbe Aufgabe in vielen Tabs |
Beziehung zwischen Tabs und Websites | Meist Eins-zu-eins-Abbildungen von Websites in Tabs | Jede Webseite wird auf mehrere Tabs aufgeteilt, die jeweils ein Objekt der Webseite enthalten |
Beziehung der Tabs zueinander | Normalerweise ist jedes Tab von anderen Tabs unabhängig | Einige Tabs sind übergeordnete „Parent“-Seiten oder Knotenpunkte (z.B. die Liste der Automodelle auf der Toyota-Webseite) , die anderen Tabs sind untergeordnete Seiten, die ähnliche – aber häufig konkurrierende – Objekte enthalten (z.B. verschiedene Automodelle) |
Wie viele neue Tabs werden geöffnet | Eines nach dem anderen, wenn eine neue Aufgabe beginnt | Viele neue Tabs werden gleichzeitig geöffnet, häufig über einen Knotenpunkt, wie eine Kategorieseite oder eine Suchresultat-Seite (SERP) |
Lebensdauer eines Tabs, bevor es geschlossen wird | Lang, vielleicht ein ganzer Tag oder über mehrere Tage hinweg | Häufig kurz, da Objekte in Erwägung gezogen und dann verworfen werden |
Dauer jedes Besuchs eines Tab | Mehrere Minuten | Variiert zwischen wenigen Sekunden (falls ein Objekt nicht gefunden wird) und längeren Besuchen |
Die Aussage, dass Page Parking typisch für jüngere Erwachsene ist, bedeutet natürlich nicht, dass es von älteren Erwachsene gar nicht genutzt wird. Wir beobachten Page Parking allerdings wesentlich häufiger in Nutzerstudien an Millennials als an anderen Altersgruppen. Umgekehrt sind natürlich viele Millennials Poweruser und verwenden daher – neben dem Page Parking – auch paralleles Surfen. Die Tatsache, dass einige Nutzer sowohl paralleles Surfen als auch Page Parking nutzen, ändert aber nichts daran, dass es sich dabei um zwei verschiedene Verhaltensweisen handelt, die zu unterschiedlichen Zwecken verwendet werden und daher auch separat analysiert werden sollten.
Das folgende Diagramm zeigt ein Beispiel für das Page Parking: es enthält die Anzahl der geöffneten und geschlossenen Tabs, während eine junge Erwachsene 11 Minuten und 20 Sekunden lang Kleidung einkaufte. In der ersten Minute öffnete sie zahlreiche Tabs, von denen jedes ein anderes Kleidungsstück enthielt. Darauf folgten 3 Minuten, in denen diese Alternativen betrachtet wurden, und 2 Minuten, in denen Auswahlmöglichkeiten eliminiert und einige Tabs geschlossen wurden. Schliesslich öffnete die Nutzerin mehrere neue Tabs mit zusätzlichen Alternativen und verbrachte den Rest der Sitzung damit, diese zu betrachten. Abwechselnde Phasen der schnellen Informationssuche (Öffnen von neuen Tabs) und Phasen der Informationsverarbeitung (in Betracht ziehen und zusammenführen, wobei einige der Tabs geschlossen werden) werden häufig mit dem Page Parking in Verbindung gebracht.
Anstieg der Anzahl von Browsertabs in einem Nutzertest. Die derzeit aktiven Tabs werden blau dargestellt. Die roten Bereiche repräsentieren Tabs, die von der Nutzerin geschlossen wurden: diese Tabs waren also nicht mehr im Browser geöffnet. Insgesamt öffnete die Teilnehmerin während dieser Aufgabe 12 verschiedene Tabs. Es waren allerdings maximal 9 Tabs gleichzeitig geöffnet.
Warum Millennials Multi-Tabs lieben
Page Parking ist eine Reaktion gegen das „Pogo Sticking“, bei dem Nutzer zwischen einem Knotenpunkt und den Seiten, auf die dieser verlinkt, hin und her springen. Pogo Sticking fragmentiert das Nutzererlebnis und tritt häufig auf Websites mit einem schlechten Navigationsdesign auf.
Ein junger Erwachsener sagte: „Mir ist es lieber, wenn weiterführende Informationen in einem neuen Fenster geöffnet werden, damit ich weiterlesen kann. So verschwende ich keine Zeit und muss nicht zum Ausgangspunkt zurückkehren.“ Ein anderer Nutzer sagte: „Ich öffne sie [mehrere einzelne Produkte] einfach in Tabs, damit ich sie mir später genauer ansehen kann.“ Das Wort „später“ ist hier ausschlaggebend: Nutzer mögen es, Websites in Tabs zu parken, da sie dadurch die zwei Phasen der Recherche trennen können:
- Nach Informationen suchen. In der ersten Phase (z.B. zwischen den Zeitstempeln 00:25 und 01:10 im oben stehenden Beispiel) überfliegt der Nutzer eine Liste mit verfügbaren Optionen und entscheidet, welche Optionen es wert sind, genauer betrachtet zu werden. Diese Objekte werden in neuen Tabs geparkt, in dieser Phase aber nicht genau analysiert. Dadurch werden Nutzer nicht durch das Lesen detaillierter Informationen abgelenkt, während sie sich erst einen Überblick verschaffen.
- Die Informationen verarbeiten. In der zweiten Phase untersucht der Nutzer die einzelnen Tabs. In der Verarbeitungsphase können Seiten, die in der Suchphase gespeichert wurden, gelesen oder kurzerhand verworfen werden – in jedem Fall kann sich der Nutzer aber auf eine Website nach der anderen konzentrieren. Der Nutzer kann Objekte auch vergleichen, indem er schnell zwischen zwei Tabs hin und her springt.
Beim Pogo Sticking werden Nutzer gezwungen, ständig zwischen dem Suchen und der Verarbeitung von Informationen zu wechseln. Beim Page Parking können diese Phase getrennt und nacheinander absolviert werden. Warum das ein Vorteil ist? Erstens müssen Nutzer nicht zwischen den zwei grundlegenden Aufgaben der Datensammlung und des Vergleichs wechseln und sich dabei an Kontext erinnern. (Zwischen Kontexten verschiedener Aufgaben zu wechseln, erhöht die kognitive Belastung, da Nutzer die spezifischen Details der neuen Aufgabe aus dem Gedächtnis abrufen müssen.)
Zweitens dienen die Tabs bereits während sie geparkt sind als Gedächtnisstütze, weshalb Nutzer sich nicht an Dinge, die sie interessieren, erinnern müssen. (Die Tabs sind eine Art von externem Gedächtnis oder – um unseren Kollegen Don Norman zu zitieren – „Wissen in der Welt“ im Gegensatz zu „Wissen im Kopf“. Lesen Sie dazu sein Buch The Design of Everyday Things.) Die Möglichkeit, eine gewisse Gedächtnisbelastung an die Nutzeroberfläche zu übertragen, wirkt sich normalerweise positiv auf die Usability aus und wird in unserem Kurs über Grundlagen der Mensch-Computer-Interaktion genauer diskutiert.
Junge Erwachsene sind ungeduldig. Ein dritter Vorteil des Page Parkings ist, dass nicht mehr auf Websites, die langsam laden, gewartet werden muss, da die Seiten in Tabs geladen werden, die derzeit nicht sichtbar ist. Das ist aber keine Ausrede für langsame Antwortzeiten, da es Nutzern auch möglich sein muss, direkt zu einer Webseite zu navigieren, ohne sie vorher zu parken.
Das folgende Diagramm zeigt das Tab-Öffnungsverhalten während 5 Minuten, in denen ein Nutzer einen Kauf recherchierte. Das Nutzerverhalten war etwas ungewöhnlich: es wurden schnell hintereinander drei verschiedene Anfragen (Q1, Q2 und Q3 im Diagramm) in drei neuen Tabs gestellt, danach wurde direkt zu den 3. Suchresultate gewechselt (Q3 im Diagramm). Die erste Anfrage (Q1) wurde erst zu einem späteren Zeitpunkt der Sitzung geöffnet. (Die meisten Nutzer können Anfragen nicht sehr gut umformulieren, diesem Nutzer war allerdings von Anfang an klar, dass für diese Aufgabe mehrere Anfragestrategien notwendig sein werden.)
Page Parking Beispiel aus einer Produkt-Rechercheaufgabe: jeder Kreis repräsentiert ein neues Tab, das vom Nutzer geöffnet wurde. Grössere Kreise repräsentieren Tabs, die für Suchmaschinenanfragen (Q1–Q4) verwendet wurden. Beachten Sie, dass viele Tabs mit untergeordneten Tabs verbunden sind (und sogar Tabs dritten Grades vorhanden sind), da einige der Zielseiten, die über die Suchresultatseite geöffnet wurden, den Nutzer dazu motivierten, noch mehr Tabs zu öffnen. Gegen Ende der Sitzung starte der Nutzer eine weitere Google-Suche (Q4) in einem neuen Tab und klickte nur auf eines der Resultate. Sogar dieses Resultat wurde in einem neuen Tab geparkt, was dem gewohnten Verhaltensmuster des Nutzers entspricht. Dieses letzte Auftreten des Page Parkings war unnötig (und hatte überflüssige Klicks zur Folge), da der Nutzer keine anderen Ergebnisse dieser Suchresultatseite in Erwägung gezogen hatte.
Konsequenzen des Page Parkings
Früher sagten wir, dass die Konkurrenz im Internet immer nur einen Mausklick entfernt ist. Aus diesem Grund sind alle Websites, die nicht hervorragend gestaltet wurden, automatisch Verlierer. Durch Page Parking erhält dieses alte Argument für die geschäftliche Bedeutung des Nutzererlebnisses weitere Brisanz: jetzt wurden mehrere Websites Ihrer Konkurrenten bereits geöffnet und in Tabs neben Ihrer Seite geparkt. Das Page Parking intensiviert somit die zahlreichen bestehenden Richtlinien für das Nutzererlebnis im Internet: falls bei der Nutzung Ihrer Webseite Probleme auftreten, schliesst der Kunde Ihr Tab und wendet sich den Tabs Ihrer Konkurrenz zu. Neben unseren alten Ratschlägen, sollten Sie die folgenden 7 Richtlinien befolgen, um Page Parking zu unterstützen:
- Erstens sollten Sie Page Parking unbedingt zulassen: ermöglichen Sie es Nutzern, einen Link auszuwählen und ihn in einem neuen Tab zu öffnen, indem die normale Browsersteuerung verwendet wird. Viele Websites verstossen gravierend gegen diese Richtlinie, indem sie ihre Links mit JavaScript oder anderen seltsamen Codes codieren, wodurch die Nutzer den Link nur im aktuellen Tab öffnen können. Da Nutzer, die Page Parking verwenden, höchst engagierte Kunden sind, die an mehreren Ihrer Angebote interessiert sind, ist es kaum zu glauben, dass Webseite zusätzlichen Programmieraufwand investieren, um diese Kunden zu vergraulen.
- Designen Sie ein gutes Favicon, damit Nutzer jene Tabs identifizieren können, die zu Ihrer Webseite gehören. (Das Favicon – kurz für „Favorite Icon“ – ist das kleine, 16x16 Pixel grosse Symbol, das eine Webseite in Tabs und im Menü Favoriten repräsentiert.) In einer sehr vollen Tab-Leiste ist das Favicon der einzige Hinweis, der Information Scent liefert und Nutzer daran erinnert, sich die geparkten Unterseiten Ihrer Webseite anzusehen. Befolgen Sie die Richtlinien für die Usability von Icons, stellen Sie aber sicher, dass das winzige Favicon einfach ist und weniger Details enthält, als normale Icons.
- Beginnen Sie jeden Seitentitel mit informativen Wörtern, die die Seite von anderen Websites unterscheiden. Im besten Fall werden in jedem Tab 2 bis 3 Wörter angezeigt – wenn allerdings viele Tabs geöffnet wurden, könnten nur wenige Zeichen pro Tab sichtbar sein. Durch die beschränkte Zeichenanzahl ist es Nutzern eventuell nicht möglich, jene Website in den geparkten Tabs zu finden, die sie gerade öffnen wollten. Eine Testnutzerin unserer Studie an kanadischen Millennials recherchierte einen Autokauf und öffnete 12 Tabs, in denen der folgende Text zu sehen war (inklusive 2 Tabs über andere Dinge, nach denen sie gesucht hatte): Welche dieser Bezeichnungen ermöglicht es ihr, sich daran zu erinnern, was sie in diesem Tab geparkt hat? Später öffnete dieselbe Nutzerin 15 Tabs, wodurch noch weniger Text angezeigt wurde und es noch schwieriger war, sich an den Inhalt zu erinnern.
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- Verwenden Sie Breadcrumbs und „Sie sind hier“ Navigationsindikatoren, um Menschen daran zu erinnern, wie eine Unterseite mit dem Rest der Website in Verbindung steht. Zwischen dem Parken einer Seite und dem Besuch der Website könnten mehrere Minuten vergehen – und in dieser Zeit vergessen Nutzer sehr viel. Stellen Sie auch weiterführende Links zur Verfügung, um es Nutzern zu ermöglichen, schnell auf weiterführende Seiten zu gelangen (und denken Sie daran, dass Nutzer eventuell auch diese weiterführenden Seiten parken möchten).
- Bei der Websitesanalyse können wir die Besuchsdauer einer Website nicht mehr als Intervall zwischen dem Öffnen einer Seite und dem Verlassen der Seite definieren. Die Website könnte während eines Grossteils der Zeit in einem verborgenen Tab geparkt worden sein, was nicht in die aktive „Besuchszeit“ inkludiert werden sollte
- Ausserdem sollten Sie darüber nachdem, eine neue Analysekennzahl hinzuzufügen, um das Ausmass des Page Parkings auf Ihrer Webseite zu messen. Je mehr Page Parker es gibt und je mehr Seiten geparkt werden, desto attraktiver sind Ihre Inhalte. (Falls Nutzer die Seite allerdings verlassen, ohne zu Kunden zu werden, gibt es ein Problem: der Inhalt sollte nicht nur attraktiv genug erscheinen, um nach einem ersten Blick geparkt zu werden, sondern sollte auch Resultate liefern, nachdem Nutzer ihm ihre ganze Aufmerksamkeit gewidmet haben.)
- Zwingen Sie Nutzer nicht zum Page Parking, indem Links automatisch in neuen Tabs geöffnet werden. Ein neues Tab zu öffnen sollte immer eine Option sein, die der Kontrolle des Nutzers unterliegt, und sollte nur aktiviert werden, wenn Nutzer durch die Verwendung der jeweiligen Steuerungselemente darum bitten. Nutzer, die Websites parken möchten, wissen ganz genau wie das geht. Viele Nutzer möchten Websites allerdings nicht parken, sondern bevorzugen es, das Linkziel direkt im aktuellen Tab sehen.
Obwohl Page Parking eine gängige Verhaltensweise ist, ist es nicht allgegenwärtig. Das normale Surfen macht immer noch einen Grossteil der Webnutzung von Millennials und älteren Nutzern aus. Es ist daher wichtig, weiterhin die normale Navigation und Suche zu unterstützen und einen Zurück-Button anzuzeigen, der auf zuvor geöffnete Websites führt. Das Unterstützen des Page Parkings erweitert einfach die bestehenden Aufgaben der Webdesigner.
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