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17.02.2013

Qualitätssicherung und User Experience

Qualitätssicherung beeinflusst die User Experience: Wenn Dinge nicht funktionieren, stellen Nutzer ihr Verständnis in Frage und entwickeln irrationale und ineffiziente Umwege.

Qualitätsmanagement

© DOC RABE Media - Fotolia.com

 

by Jakob Nielsen (deutsche Übersetzung) - 17.02.2013

 

Qualitätssicherung (QA) und User Experience (UX) haben eine Verbindung, die in beide Richtungen funktioniert:

  • Es ist naheliegend, Usability ist ein Qualitätsmass des Designs. Eine gute User Experience verlangt ein QA-Denken, um die Usability zu gewährleisten.
  • Nebst dem User Interface (UI) selbst wird die UX auch durch vielen anderen Qualitätsfragen beeinflusst.

Usability als Qualitätssicherung

Per Definition beinhaltet die Usability messbare Qualitätsattribute wie das leichte Erlernen, Effizienz bei der Nutzung und Nutzerzufriedenheit.

Meine 30-jährige Erfahrung mit Usability hat mir wiederholt das gleiche aufgezeigt: Qualitätssicherung schlägt Qualitätskontrolle als Ansatz für Designqualität bei weitem.

Es ist viel besser, die Usability von Anfang an in Betracht zu ziehen - noch bevor Sie überhaupt etwas gestaltet haben -, als auf das fast fertige Design zu warten und dann einer "Validierung" durch Nutzertests auszusetzen.

Ein früher Fokus auf die Usability steigert auch den ROI erheblich: es ist hundertmal günstiger, einen Designfehler auf dem Reissbrett zu korrigieren als nach der Produkteinführung.

(Erinnern Sie sich an das erste Gesetz der Usability: Ihr Design wird von Nutzern getestet - Sie können lediglich bestimmen, ob Sie den Test selbst und vor der Einführung durchführen, sodass Sie die unvermeidlichen Probleme schnell und preiswert lösen können und nicht im Nachhinein teure Nachbesserungen vornehmen müssen.)

Das ist die genau gleiche Schlussfolgerung wie in anderen Qualitätsbereichen: Ob es um Produktion, Luftfahrt oder Krankenhaushygiene geht - die besten Ergebnisse erzielt man immer durch die proaktive Qualitätssicherung, bei der die Qualität als Teil des grundlegenden Prozesses betrachtet wird. Qualitätskontrollmassnahmen, die im Nachhinein erfolgen, sind zwar immer noch besser als nichts, weil sie das Bewusstsein für das nächsten Mal schärfen. Aber beste Qualität erreicht man so nicht.

Die Qualitätssicherung für das Nutzererlebnis ähnelt anderen Qualitätskategorien noch auf eine weitere Weise: Qualitativ hochwertiges Design kommt nicht davon, dass man es sich wünscht. Es kommt davon, dass man qualitätssichernde Aktivitäten in den Projektplan integriert.

Wie Qualitätssicherung das Nutzererlebnis beeinflusst

Gut, wir wollen ein qualitativ hochwertiges Design. Um das zu erreichen, müssen wir uns nebst dem User Interface auch um die andern Qualitätsfragen kümmern, welche die UX negativ beeinträchtigen können.

Schon oft habe ich das Thema Antwortzeiten angesprochen. Es leuchtet ein, dass ein fixer Code nicht nur den Stolz des Programmierers befriedigt. Die Geschwindigkeit des Systems hat Auswirkungen auf alle Usability-Bereiche:

  • Natürlich nervt ein langsames System und verringert unmittelbar die Zufriedenheit des Nutzers. In jedem Test, den ich seit 1994 durchführe, beschweren sich die Nutzer über langsame Websites und loben die schnellen.
  • Eine effiziente Handhabung ist ebenfalls eng mit der Geschwindigkeit des Systems verbunden: Wenn jede Aktion langsamer abläuft, dauert auch die Erledigung der Aufgabe länger. Allerdings ist das Endergebnis oft noch schlimmer als die Summe der Verzögerungen im System: Die Nutzer zögern nämlich, nützliche Aktionen durchzuführen, da sie die Wartezeit scheuen.
  • Dass ein langsamer Code auch die Erlernbarkeit reduziert, mag zunächst weniger offensichtlich sein, trifft aber trotzdem zu. Das menschliche Kurzzeitgedächtnis verflüchtigt sich schnell und somit sind Nutzer eher verwirrt, wenn sie warten müssen. Zudem haben sie keine Lust, neue Dinge auszuprobieren (und sie somit zu erlernen), wenn Langsamkeit die Kosten für die Interaktion erhöhen.

Auch andere Qualitätsprobleme beeinflussen das Nutzererlebnis. Bugs und Abstürze machen die Nutzer rasend und verhindern, dass sie ihre Aufgaben erledigen können - manchmal so sehr, dass zeitraubende Umwege erforderlich sind. Solche Fehler in der Umsetzung des Systems reduzieren aber auch die Erlernbarkeit und deshalb entwickeln Nutzer oft ausgeklügelte irrationale Vorstellungen rund um das Problem: "Wenn ich X machen will, kann ich nicht Y nicht machen, denn dann stürzt alles ab." Wenn die mentalen Modelle der Nutzer aus der Spur geraten, haben sie auch Schwierigkeiten, die Teile des Systems zu nutzen, die ohne Probleme funktionieren.

Oft glauben die Nutzer auch nicht, dass die Probleme durch den Computer verursacht werden. In der Tat ist es üblich, dass sich die Nutzer selbst die Schuld geben.

Anfang Januar bekam ich zum Beispiel ein Schreiben des grossen Finanzdienstleisters, der sich um meine Rentenversicherung kümmert: der Beginn des neuen Steuerjahres sei eine gute Gelegenheit, hiess es, Geld auf mein Rentenkonto einzuzahlen. So weit, so gut. Ich ging also auf die Website und versuchte, den entsprechenden Betrag von meinem Bankkonto auf mein Rentenkonto zu überweisen. Das Ergebnis? Eine Fehlermeldung: Ich sei dabei, mehr Geld als erlaubt zu überweisen.

Es gibt viele Gründe, warum so etwas passieren könnte. Die beiden ersten, die mir in den Sinn kamen, waren:

  • Ich hatte vielleicht die Zahl falsch eingegeben - zum Beispiel 65‘000 $ anstatt 6‘500 $. Also versuchte ich es wieder und habe diesmal gut aufgepasst, dass ich mich nicht vertippe. Die gleiche Fehlermeldung.
  • Ich hatte vielleicht die Änderung bei den Steuergesetzen falsch verstanden, die, so glaubte ich, Menschen meines Alters gestattete, ab 2013 6‘500 $ zu sparen. Schliesslich sind diese Gesetze sehr komplex und ändern sich jedes Jahr. Also habe ich die ganzen umfangreichen Informationen noch einmal gelesen.

Es zeigte sich, dass ich meine Zeit vergeudet hatte. Ich hatte die Zahl richtig eingetippt und ich hatte auch genau den Betrag anweisen wollen, der vorgesehen war. Das System war fehlerhaft und hat fälschlicherweise die Steuergesetze von 2012 auf Renteninvestitionen für 2013 angewendet. Natürlich stand das nirgendwo. Stattdessen wird dem armen Nutzer suggeriert, er sei schuld und man lässt es ihn wieder und wieder versuchen, nur damit es jedes Mal wieder nicht funktioniert. (In diesem Fall habe ich das Konto behalten, aber wenn das ein wiederkehrendes Problem oder ich ein Neukunde gewesen wäre, hätte ich mein Geld bei der Konkurrenz angelegt.)

Es ist klar, dass ein Computersystem am 1. Januar mit den Regeln für das neue Jahr aktualisiert werden muss und nicht erst am 10. Januar. Auch leuchtet ein, dass Bugs schlecht sind und die Antwortzeiten schnell sein müssen.

Wenn das alles so offentlichtlich ist, warum grassieren dann solche Probleme? Weil die Unternehmen die Qualität nicht ernst nehmen. Sie investieren lieber in neue Funktionen, als die alten Funktionen robuster zu machen. Aber das Nutzererlebnis würde unheimlich verbessert, wenn wir anerkennen würden, dass Qualitätssicherung die Grundlage für das Selbstvertrauen der Nutzer und Zufriedenheit der Kunden ist. Sobald alles gut läuft, kann man über neue Funktionen nachdenken.

Ich habe schon vor zehn Jahren gesagt, es ist Zeit, dass die Technik funktioniert. Wir schlagen uns jetzt wahrscheinlich mit weniger Bugs herum als noch vor zehn Jahren, aber schlechte Qualität ist leider immer noch an der Tagesordnung. Also wiederhole ich mich: Jetzt ist es wirklich Zeit, dass die Technik funktioniert.

 

© Deutsche Version von Jakob Nielsens Alertbox. Institut für Software-Ergonomie und Usability AG. Alle Rechte vorbehalten.

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