Späte Nachzügler: Die Spanne zwischen Besuch und Kauf
Oft verwandeln sich Besucher erst lange nach ihrem ersten Besuch auf einer Website in Kunden. Ganze 5% der Bestellungen erfolgen erst mehr als vier Wochen nach dem Klick auf die Suchmaschinenanzeige.
by Jakob Nielsen (deutsche Übersetzung) - 06.09.2005
Dr. Alan Rimm-Kaufmann von der Rimm-Kaufmann-Gruppe hat kürzlich eine Million Klicks auf Suchmaschinenanzeigen in Google und Yahoo verfolgt. Diese Werbeklicks führten auf den Ziel-Websites letztlich zu 41'377 Bestellungen. Die untersuchten Kunden müssen zwar anonym bleiben, aber anscheinend haben sie gute Sites, denn ihre Konversionsrate liegt mit 4% doppelt so hoch wie bei durchschnittlichen Websites (2%).
Bei 85% der untersuchten Websites handelt es sich um B-to-C-Sites, bei den andern 15% um B-to-B. Konversionen wurden in der Regel als tatsächliche Käufe definiert, doch einige Sites verwendeten andere Definitionen wie z.B. die Bestellung von Katalogen oder einzelne Schritte eines komplexeren Kaufzyklus.
Verzögerungen im Verkaufszyklus
Sobald die Nutzer von der Suchmaschine kommend auf den Sites gelandet sind, erfolgten die Bestellungen schnell und heftig: Die Hälfte der Konversionen erfolgte innerhalb von 28 Minuten. Bei diesen Nutzern handelt es sich um Leute, die in der Absicht kommen, etwas zu kaufen; sie bestellen bei Ihnen, falls Sie eine gute E-Commerce-Site und das passende Angebot zur Verfügung stellen.
Erfolgten 75% der Konversionen noch innerhalb von 24 Stunden, so stellte sich das letzte Viertel erst nach längerem ein. Erst 12 Tage nach dem Klick auf die Anzeige wurde die 90%-Marke erreicht, und es dauerte vier Wochen, bis 95% erreicht waren. Demnach trafen die letzten 5% der Bestellungen erst über vier Wochen nach dem ersten Klick ein.
Das folgende Diagramm zeigt die Tage an, die nötig waren, um einen bestimmten Prozentsatz der letztendlich erfolgten Konversionen zu erreichen
Wie das Diagramm deutlich zeigt, knickt die Kurve ungefähr bei der 80%-Marke ab. Mit anderen Worten: Vier Fünftel der Bestellungen erfolgen zügig (innerhalb von drei Tagen nach dem ersten Klick), aber das letzte Fünftel bilden die späten Nachzügler - eine Art Nachhut, bei der sich die Bestellungen in viel gemächlicherem Tempo zusammenläppern.
Nach zwei Monaten waren 99% der Bestellungen eingetroffen; für das letzte Prozent musste man sich noch einen dritten Monat gedulden.
Bei grösseren Auftragsvolumen fällt diese späte Nachhut ausgeprägter aus. Bei Gegenständen unter 100$ erfolgten 90%der Bestellungen innerhalb von elf Tagen; dieser Stand war bei Gütern über 300$ erst nach achtzehn Tagen zu verzeichnen.
Das Phänomen der stark verspäteten Konversion kenne ich aus meinem eigenen Geschäft zu genüge. Oft sagen mir Leute, sie hätten fünf Jahre lang die Alertbox gelesen, ehe sie ihren Chef davon überzeugen konnten, Geld für eine unabhängige Usability-Untersuchung auszugeben - zugegebenermassen handelt es sich dabei auch um einen gross dimensionierten Auftrag in Höhe von $35’000.
Späte Nachzügler: Folgen fürs Design
- Wenn Sie A/B-Tests durchführen oder Messergebnisse für Sites sammeln, dürfen Sie keinesfalls nur das Nutzerverhalten bei Erstbesuchen analysieren. Eine Erhebung während eines Tages enthält nur 75% der Reaktionen. Und das gilt für durchschnittliche Sites: Wenn Sie teure oder komplizierte Produkte verkaufen, bringt Ihnen der erste Tag einen noch geringeren Prozentsatz der beabsichtigten Wirkung.
- Ähnliches gilt für Cookies, mit denen Sie die Besuche der Nutzer nachverfolgen möchten: Sie müssen wenigstens 90 Tage lang aktiv bleiben, sonst verlieren Sie die Spur zu etlichen Konversionen.
- Oft kehren die Nutzer noch mehrere Male zu einer Site zurück, ehe sie ihre Entscheidung treffen. Deshalb muss Ihr Design das Verhalten von wiederkehrenden Nutzern unterstützen, das sich vom Verhalten der Erstbesucher unterscheidet. Im Einzelnen bedeutet das zum Beispiel, dass Sie - unter den fünf Qualitätsattributen für Usability - stärker auf Erinnerbarkeit achten sollten, indem Sie beispielsweise die Dinge auf ihrem alten Platz stehen lassen. (Natürlich steht die Erlernbarkeit nach wie vor an der Spitze; wenn die Nutzer bei ihrem ersten Besuch nämlich nicht innerhalb von ein paar Sekunden herausfinden, worum es geht, gibt es überhaupt keine Folgebesuche.)
- Stellen Sie keine verfrühten Anforderungen an jene Nutzer, die noch nicht kaufbereit sind. Verzichten Sie zum Beispiel darauf, eine Registrierung zum Lesen eines Informationsblattes oder zum Betrachten einer Demo zu verlangen. Mit so etwas verscheuchen Sie viele Nutzer, die vielleicht später noch zu Käufern geworden wären.
- Leeren Sie die Warenkörbe nicht. Wenn ein Nutzer zurückkommt, sollte alles, was er zuvor in den Warenkorb gelegt hat, noch dort sein. Das Gleiche gilt für Produkt-Konfiguratoren und Wunschlisten, die die Nutzer angelegt haben. Wenn ein Kunde Interesse an Ihren Produkten gezeigt hat, sollten Sie seine Arbeit nicht zunichtemachen, bloss weil er ein paar Wochen lang nichts gekauft hat.
- Lassen Sie die speziellen Einstiegsseiten (landing pages) für Suchmaschinenanzeigen und andere Kampagnen noch wenigstens drei Monate lang stehen, nachdem die Kampagne beendet ist. Manchmal heben die Nutzer Broschüren auf oder setzen Lesezeichen auf die URL-Adresse von Anzeigen, um sie sich später genauer anzusehen.
Ganz allgemein lehren einem diese späten Nachzügler, dass nicht alle Nutzer bereit sind, sich sofort auf den Kauf festzulegen. Setzen Sie sie nicht unter Druck. Lassen Sie sie die Site durchblättern und Ihre Produkte schrittweise kennen lernen. Und erleichtern Sie Ihnen den Kauf zu einem späteren Zeitpunkt.
© Deutsche Version von Jakob Nielsens Alertbox. Institut für Software-Ergonomie und Usability AG. Alle Rechte vorbehalten.
Kommentare auf diesen Beitrag