Suche allein reicht nicht aus: Die Synergie zwischen Navigation und Suchfunktion
Wenn Websites die Wichtigkeit der Suche über diejenige der Navigation stellen, müssen Nutzer kognitive Leistungen erbringen um Suchanfragen zu erstellen und mit schlecht funktionierenden Suchmaschine umzugehen.
by Raluca Budiu (deutsche Übersetzung) - 07.09.2014
Wir haben uns schon oft beklagt dass der moderne Desktoptrend, die globale Navigation (engl.) hinter einem Hamburgermenüs zu verstecken, ein sehr schlechtes Verständnis dafür reflektiert, was hinter der eigentlichen Idee der Chrome-Minimierung steht. Aber eine Frage ist durchaus legitim: Warum sollen wir uns um die Navigation kümmern, wenn wir eine Suchfunktion haben? Jetzt, wo die Suche wirklich gut geworden ist, sollte dies doch ausreichen. Ausserdem zeigt ja der Erfolg von Google und Amazon, dass Nutzer gerne suchen. Die Nutzer lieben das Suchfeld ja geradezu. Und das sogar auf den mobilen Geräten, wo das schreiben oft mühsam und fehleranfällig ist.
Hier aber 5 Gründe, weshalb sich eine Website nicht nur auf die Suchfunktion verlassen darf.
1. Die Suche erfordert Kenntnis des Suchraums
Um einen wirklich effektiven Suchbegriff zu formulieren, muss der Nutzer eigentlich ziemlich genau wissen was er sucht. Er muss den Suchumfang kennen und die richtigen Schlüsselbegriffe eingeben. Manchmal ist das sehr einfach - wenn man beispielsweise nach dem nächsten Safeway-Shop sucht, kann eigentlich jeder schnell den passenden Suchbegriff finden. Aber wenn man neu auf einer Domain ist und zum Beispiel einen Ofen oder einen Rasenmäher sucht braucht man wahrscheinlich etwas Unterstützung bei der Suche. Welche Eigenschaften sind für den Ofen wichtig, oder welche Typen von Rasenmähern gibt es eigentlich da draussen?
Kategorisierte Landing Pages (engl.) haben oft eine Navigation, die dem Nutzer schnell dabei helfen, ein mentales Modell des Suchraumes zu erstellen: Welche Unterkategorien stehen zur Verfügung und welche Eigenschaften sind relevant für die jeweilige Kategorie. Bleiben wir vorerst mal bei den Rasenmähern. Auf der Rasenmäher Seite von Sears.com, finden wir schnell heraus, dass es solche mit Motorenantrieb und solche ohne Antrieb gibt. Ausserdem gibt es kabellose, aufladbare und kabelgebundene Rasenmäher, Spindelmäher und Moosentferner. Wir sehen ausserdem schnell, dass die Art des Terrains auch eine Rolle spielt, genauso wie Entleerung und Geschwindigkeit. All das gibt uns einen sehr deutlichen Überblick über die Kriterien die für die Suche eines Rasenmähers entscheidend sind. Und das auch, wenn man das aller erste Mal nach Rasenmäher sucht.
Sears.com: Die Rasenmäher Seite zeigt an, welche Sorten von Rasenmähern es gibt und sie zeigt Facetten die dem Nutzer dabei helfen, herauszufinden welches Produkt am besten die Bedürfnisse abdeckt.
Facetten, so wie sie in den meisten modernen Seiten zu finden sind, haben eben genau diesen Vorteil: Sie verwandeln die Suchfunktion in eine Navigation (engl.) und lösen so das Problem eines Nutzers, der mit einem unbekannten Suchraum konfrontiert sieht. Facetten strukturieren den Suchraum und geben dem Nutzer eine Vorschau auf die Inhalte die angetroffen werden können.
2. Die Suche erhöht die Gedächtnisauslastung
Auch wenn Nutzer mit dem Suchraum vertraut sind, erfordert Suchen ein Informationsabruf im Gedächtnis. Um eine sinnvolle Abfrage zu erstellen muss der Nutzer über alle relevanten Attribute nachdenken und sie dann in die Suchanfrage einbinden.
Die Navigation ersetzt das Abrufen der Information durch die Wiedererkennung (und folgt somit einer der 10 Usability Heuristiken für UI Design(engl.)): Statt die Nutzer zu zwingen, selbst eine komplexe Suchanfrage zu erstellen, können diese sich auf das Abrufen eines Minimums beschränken und dann die Wiedererkennung nutzen, um ihre Anfrage mit relevanten Begriffen zu erweitern. Wenn im Beispiel des Rasenmähers nur eine Suchfunktion zur Verfügung stehen würde müssten Sie Ihre eigenen Einschränkungen finden und sie anschliessend in die Terminologie der Website übersetzen. Sie könnten es mit "Ich würde gerne ein wenig trainieren, während ich den Rasen mähe" versuchen. Nun müssten Sie sich überlegen welche Eigenschaft das für den Rasenmäher bedeutet, und diese aus ihrem Gedächtnis abrufen um eine funktionierende Suchanfrage zu erstellen. Das Umwandeln des Nutzerzieles in eine Abfrage, die der Terminologie der Website entspricht, ist keine einfache Aufgabe. (In der Tat scheitern die meisten Nutzer daran - siehe unten) und erhöht den kognitiven Aufwand (engl.) deutlich, als es beispielsweise beim Setzen ein paar Häkchen der Fall wäre.
Vergleichen wir das Interface von Sears mit dem von Netflix. Dafür stellen wir uns nun vor, dass Sie sich einen Film ansehen möchten, zusammen mit einem 14-jährigen Bekannten der auf Slapstick steht, aber keine Sprachwitze mag.
Netflix.com: Comedy Auswahl.
In der Comedy-Rubik ist es ziemlich schwierig, herauszufinden welcher Film den oben genannten Kriterien gerecht wird. Sie haben nun 2 Möglichkeiten: Entweder sie gehen durch die Liste, sehen sich die Beschreibung jedes Filmes kurz an und wählen dann einen der Ok scheint. Oder sie nutzen die Suchfunktion und versuchen zu erraten welche Suchbegriffe den Film anzeigen könnten, der ihre Anforderungen berücksichtigt. Vielleicht: "Slaptsticks, PG-13" oder auch "Jim Carrey PG-13"? Viel Glück bei dieser Aufgabe.
Wie sie sehen, ist diese Übung um einiges schwieriger als einen geeigneten Rasenmäher bei Sears zu finden. Zusätzliche Filter auf der Website von Netflix wären hier absolut besser geeignet, um Filme zu finden, die anspruchsvollere Kriterien zufriedenstellen als diejenigen, die unter Subgenres aufgeführt sind. (Einer der Filter in der Subgenre Liste ist Teen Movies. Aber von dort muss ein Nutzer immer noch eine passende weiterführende Suchanfrage finden, oder einfach alle Filmbeschreibungen lesen, die mit der Verwendung des Filters angezeigt werden.)
3. Die Suche hat höhere Interaktionskosten als das Browsen
Das Suchen zwingt Nutzer dazu, mehr zu tun. Sie müssen eine Suchanfrage erstellen und diese auch eintippen. Das Eintippen eines Textes wird mit hohen Interaktionskosten (engl.) bewertet. Es ist fehleranfällig und braucht auch mit der Verwendung einer Tastatur einiges an Zeit (am meisten jedoch auf einem Touchscreen). Die Interaktionskosten der Suche sind höher als diejenigen des Browsens. Klar, einige dieser Interaktionskosten werden durch Textvorschläge gemildert (wie gezeigt beim ROI Radikale Verbesserung von Intranets (engl.)). Aber diese Vorschläge sind auch nur dann hilfreich, wenn die Suchanfrage einfach und oft genutzt wird. Und ausserdem haben nicht viele Seiten eine wirklich gute Umsetzung dieses Features.
4. Die Website-Suche funktioniert oft schlecht
Auch wenn die Nutzer in der Lage sind, eine durchdachte Suchanfrage zu erstellen, besteht trotzdem die Gefahr, dass die angezeigten Resultate irrelevant sind. Grosse Suchmaschinen arbeiten meist mit komplexen Algorithmen und einer grosse Datenbank. Und auch wenn die Suchanfrage nicht perfekt formuliert ist, besteht die Chance, dass gute Resultate angezeigt werden. Das ist bei den seitenintegrierten Suchfunktionen aber meistens eher nicht der Fall. Eine Suche nach "Slaptsticks, PG-13" und "Jim Carrey PG-13" auf der Netflix Seite haben absolut keine relevanten Ergebnisse hervorgebracht, wie folgenden Screenshots zu entnehmen ist.
Netflix.com: Die Resultate einer Suche mit komplexen Suchanfragen sind irrelevant, wie aus diesen Beispielen zu entnehmen ist. Links sehen Sie die Resultate für die Suche nach: "physikalisches Comedy, PG-13" und rechts jene nach "Jim Carrey, PG13".
Ausserdem Machen Nutzer oft Fehler, wenn sie etwas eintippen. Die meisten Seitensuchmaschinen sind nicht gut genug, um diese Fehler zu erkennen und ignorieren. In der Tat hat die Suche nach "Jim Carey", (ein "r" zu wenig) auf Netflix keine Resultate zu Jim Carrey angezeigt. Auf Bing hingegen wurde mit dem falsch geschriebenen Namen sofort die korrigierte Version angezeigt und es folgen viele Resultate zu dem Schauspieler.
5. Nutzer haben schlechte Suchfähigkeiten und wissen, nicht wie die Suchmaschine funktioniert.
Vor kurzer Zeit hat Jakob Nielsen die Suchfähigkeit von Nutzern als "inkompetent" bezeichnet. Und das ist noch immer wahr. Wir sehen das immer und immer wieder: Die Leute wissen nicht, was ein guter Suchbegriff für eine Webseite ist. Das mentale Model der Suche ist durch die grossen Suchmaschinen beeinflusst und es wird erwartet, dass jede Suchmaschine auf einer Seite genau so funktioniert. Wir haben gesehen dass Nutzer "gut sitzende Komfort Schuhe Grösse 36 schwarz flache Sohle" in einem Internetshop eingegeben hat, und dann total verwirrt über die Suchresultate war. Manche Seiten führen eine Syntaxanalyse des Suchbegriffs durch und vergleichen diese mit den Eigenschaften ihrer Produkte. Dieser Vergleich ist aber meistens sehr schlecht, wie Sie in dem Beispiel von Zappos sehen können.
Zappos.com: Die Suchresultate zum Begriff "gut sitzende Komfort Schuhe Grösse 36 schwarz flache Sohle" sind eher irrelevant, wie man erkennt da auf der ersten Seite Einlegesohlen angezeigt werden.
Das Erhalten von Resultaten (wenn auch irrelevant) ist trotzdem besser als, überhaupt keine Resultate (engl.) zu erhalten wie im folgenden Beispiel auf Autozone, wo es gar keine Resultate für "Scheibenwischer Camry" gibt.
Autozone.com: Keine Resultate für "Scheibenwischer Camry".
Schlussfolgerung
Seitensuche ist wichtig, und kann den Tag jener retten, die genau wissen was sie suchen und den Suchraum gut kennen. Trotzdem: Wenn sie daran denken die Navigation auf Ihrer Seite durch die Suche zu ersetzen, dann denken Sie nochmals darüber nach. Die Navigation dient wichtigen Funktionen: Sie zeigt den Nutzern was auf der Seite gefunden werden kann, und gibt ausserdem Auskunft über die Strukturierung des Suchraums. Die Kategorien der Navigation zu verwenden, ist für die meisten Nutzer viel einfacher, als eine Suchanfrage zu generieren. Ausserdem funktioniert die Seitensuche nicht immer optimal und erfordert vom Nutzer, die Einschränkungen der Suche zu kennen.
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