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13.06.2005

Usability-Berichte richtig ablegen

In der Praxis wird oft zu wenig Nutzen aus Nutzertest gezogen, weil Ergebnisberichte und Reports nicht systematisch abgelegt sind. Ein Intranet-basiertes Archiv bietet dagegen vier wesentliche Vorteile.

 

by Jakob Nielsen (deutsche Übersetzung) - 13.06.2005

 

Kürzlich fragte ich 245 Praktiker aus dem Bereich Usability, was sie mit ihren Berichten aus früheren Nutzertests anfangen. Ihre Antworten:

  • 12% lagern die Berichte in einer Knowledge Base.
  • 27% sammeln die Berichte online und an einem zentralen Ort.
  • 29% speichern ihre Berichte online, legen sie aber an verschiedenen Orten ab, so dass sie bei Bedarf danach suchen müssen.
  • 33% stellen ihre alten Reporte gar nicht erst online zur Verfügung.

Das heisst also letztlich, dass die meisten Organisationen kein systematisches Archivierungsverfahren anwenden. Das ist wirklich bedauernswert, denn ein einfacher Zugriff auf die Resultate der Nutzerforschung bietet zahlreiche Vorteile.

Archivierungsstrategien

Ich rate davon ab, extra eine formale Informationsdatenbank (Knowledge Base) für Usability-Berichte aufzubauen. Das Wissensmanagement befindet sich derzeit immer noch auf einem primitiven Stand, und dessen Nutzen rechtfertigt den ganzen Aufwand und die Kosten kaum. Aber wenn Ihre Firma natürlich schon ein Wissensmanagement für andere Dokumente aufgebaut hat, können Sie auf den Zug aufspringen.

Zumindest aber sollten Sie einen Usability-Bereich auf dem Intranet einrichten, der dann als fester zentraler Speicherort für alle Usability-Berichte dient. Müssen die Leute das Intranet innerhalb einzelner Projekte nach Usability-Berichten absuchen, werden sie nämlich meist scheitern; oder aber, sie wissen gar nicht erst, wonach sie suchen müssen, denn es gibt ja keinen speziellen Ort, wo alle Berichte aufgelistet sind. Noch schlimmer aber ist es, wenn ehemalige Projektbeteiligte oder -leiter die Resultate von Usability-Aktivitäten bei sich lagern: dann besteht innerhalb der Organisation das Risiko, dass wertvolles institutionelles Wissen verloren geht, sobald diese Personen die Firma verlassen oder versetzt werden.

Immer wenn Sie die Mühe auf sich nehmen und einen gründlichen formellen Bericht samt detaillierter Analyse erstellen, sollten Sie den Nutzen für diese Investition maximieren, indem Sie Ihre aktuellen Erkenntnisse so ablegen, dass Sie auch in Zukunft noch schnell und leicht Zugriff darauf haben. Sie sollten selbst informelle Usability-Berichte archivieren. "Ergebnisprotokolle auf die Schnelle" und Zusammenfassungen von Erkenntnissen in Form von E-Mails sind wichtig innerhalb eines Projekts und haben auch noch später einen gewissen Wert - wenn auch nicht so viel wie detaillierte Berichte.

Vorteile eines Archivs

Ein gutes Archiv für Erkenntnisse aus vergangenen Usability-Aktivitäten bietet vier Hauptvorteile, die sowohl taktischer als auch strategischer Natur sind:

  • Wenn sich neue Leute einem Projekt anschliessen, verschaffen ihnen frühere Erkenntnisse einen guten ersten Überblick darüber, was bereits über die Nutzer bekannt ist. Dadurch kommen sie rasch ins Projekt rein und begehen nicht noch einmal dieselben Fehler, die durch frühere Tests bereits dokumentiert sind.
  • Projekte erstrecken sich gerne über mehrere Jahre, besonders wenn viele Versionen und Änderungen vorhanden sind. Über die Jahre sind immer wieder andere Leute beteiligt, vor allem, wenn das Design extern durch ständig wechselnde Agenturen erstellt wird. In so einem Fall sind Usability-Berichte dann häufig das einzige Argumentarium dafür, weshalb gewisse Designansätze gewählt und andere verworfen wurden, nachdem sie bei den Nutzern nicht ankamen. Wenn man nicht weiss, was in der Vergangenheit bereits überprüft wurde, wird man eventuell frühere Fehler nochmals machen. Ohne zu wissen, was man über die Nutzerbedürfnisse gelernt hat, wird man diese Bedürfnisse in der nächsten Version weniger gut befriedigen können. Ausserdem kann die Umsetzung von Usability-Erkenntnissen eine lange Zeit beanspruchen: einer unserer älteren Kunden rief uns kürzlich an und meinte: "Wir sind jetzt dann bald mit der Umsetzung der Empfehlungen durch, die Sie uns vor 2 Jahren abgegeben haben." Wenn der Kunde den alten Bericht nicht gespeichert und während der Designarbeit nicht darauf zugegriffen hätte, so hätte er für sein Geld nicht den vollen Wert gekriegt.
  • Individuelle Resultate lassen sich in Form von Richtlinien generalisieren, wenn sie wiederholt auftreten. Ein sehr gutes und bewährtes Mittel zur Produktivitätssteigerung seiner Usability-Gruppe ist es, wenn man für seinen bestimmten Oberflächentyp speziell angepasste Richtlinien aufstellt.
  • Nachdem Sie eine grosse Zahl an Berichten zusammengestellt haben, können Sie über die Zeit Trends verfolgen und dadurch die Auswirkungen Ihrer Usability-Aktivitäten verfolgen; werden Sie besser oder schlechter? Sie können auch Meta-Analysen quer über mehrere Projekte hinweg durchführen und dadurch Einsichten gewinnen, die über diejenigen einzelner Projekte hinausgehen. In meiner Präsentation über die Zufriedenheit von Nutzern greife ich beispielsweise auf Daten von Tests mit 209 Websites zurück, um die Verteilung der Zufriedenheitsrate zu illustrieren und um jenen Wert auszurechnen, den eine Website erreichen sollte, wenn sie auf dem Web eine überdurchschnittliche Kundenzufriedenheit erzielen möchte. So ähnlich können Sie auch innerhalb einer Firma die gefundenen Werte aus mehreren Studien zusammenlegen und so für ein neues Projekt festlegen, welche Erfolgsraten und Zeitspannen zum Lösen gewisser Aufgaben erreicht werden sollten oder welche Zufriedenheitswerte akzeptabel sind.

Auf individueller Ebene stellen archivierte Usability-Berichte eine ausgezeichnete Möglichkeit dar, um seine Fähigkeiten im Bereich Usability zu steigern. Obwohl der beste Weg zum Usability-Profi in der Durchführung unzähliger Nutzertests liegt, kommt man schon sehr weit, indem man die Resultaten aus fremden Studien liest. Somit schädigen Sie also letztlich Ihre Kollegen und Ihre Organisation als Ganzes, wenn Sie Ihre Berichte für sich behalten oder sie sonst irgendwie schwer zugänglich ablegen.

 

© Deutsche Version von Jakob Nielsens Alertbox. Institut für Software-Ergonomie und Usability AG. Alle Rechte vorbehalten.

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