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20.01.2009

Usability im Pressebereich

Wie drei Studien belegen, benutzen Journalisten das Web als ein Hauptinstrument für ihre Recherchen, wobei Suchmaschinen stark dominieren. Sie haben wenig Geduld mit aufgeblähten Websites, die ihrem Bedarf nicht gerecht werden und keinen PR-Ansprechpartner nennen.

 

by Jakob Nielsen (deutsche Übersetzung) - 20.01.2009

 

Journalisten arbeiten häufig unter dem Druck enger Fristen.

Auch wenn dies mit Sicherheit keine neue Erkenntnis ist, so führt diese Aussage doch direkt zu vielen Richtlinien, die bei der Gestaltung von Firmen-Websites berücksichtigt werden sollten, wenn diese für Journalisten nützlich sein und die gewünschte PR-Wirkung haben sollen. Den meisten PR-Bereichen der Websites, die wir untersucht haben, gelang es nicht, die Journalisten bei ihrer Suche angemessen zu unterstützen, ihrer Suche nach Fakten, Informationen und Kontaktpersonen, die sie brauchen, um Berichte über Firmen und deren Produkte schreiben zu können.

Websites müssen, was den Zweck, die Produkte und die Dienstleistungen einer Firma angeht, gestochen klar sein. Websites für neugegründete Hightech-Unternehmen sind notorische Kandidaten für formelhafte, mit Modewörtern gefüllte Leitbilder ("Mission Statements"), die ebenso gut für ihre ärgsten Konkurrenten gelten könnten wie auch für Firmen, die gänzlich andere Produkte herstellen.

Wenn die Journalisten auf einer Website nicht das finden können, was sie suchen, lassen sie diese Firma aus ihrem Bericht unter Umständen einfach ganz heraus. Journalisten haben wiederholt gesagt, dass schlechte Website-Usability ihre Berichterstattung über eine Firma beeinträchtigen oder komplett ausschliessen kann. So sagte zum Beispiel ein Journalist, nachdem er sich eine Weile mit einer Website herumgequält hatte:

"Ich hätte keine Lust, noch einmal zu dieser Website zurückzugehen. Wenn ich die Wahl hätte, über etwas anderes zu schreiben, dann würde ich lieber über etwas anderes schreiben."

Ein anderer Journalist beschreibt, was er tun würde, wenn er keinen Ansprechpartner oder keine Fakten für seinen Bericht finden könnte:

"Lieber gar nichts schreiben, als es falsch zu schreiben. Ich würde das Thema dann wohl gänzlich meiden."

Viele Journalisten arbeiten von zu Hause. Viele haben ältere Computer und sind nicht gerade die ersten, die sich stets die neueste Software herunterladen. Top-aktuelle Techniken, die noch nicht Standard sind, haben die Tendenz, ihre Internetverbindungen zu überlasten oder sogar ihre Computer abstürzen zu lassen. Es ist also sinnvoll sicherzustellen, dass alle Ihre Presseinformationen auch auf einfachen Computern und mit Software funktionieren, die etwa 2 Versionen hinter der aktuellen Version hinterherhinkt. Wir empfehlen den Websites, alle Presseinformationen im einfachen, standardisierten HTML-Format präsentieren. Die Journalisten mögen PDFs genauso wenig wie andere Nutzer auch.

Nutzerforschung: 3 Runden

Um herauszufinden, wie die Journalisten Websites nutzen, haben wir 3 Runden Nutzerforschung über einen Zeitraum von mehreren Jahren durchgeführt. Die meisten Untersuchungen haben wir in den USA durchgeführt, jedoch einige auch in Dänemark, Hongkong und in Grossbritannien, um die internationale Verwertbarkeit unserer Ergebnisse zu garantieren. Insgesamt nahmen 40 Journalisten an den Studien teil. Sie arbeiteten für eine Vielzahl von Publikationen - von grossen, nationalen Zeitungen und Zeitschriften mit Millionen von Lesern über mittelgrosse Lokalzeitungen und spezialisierte Zeitschriften mit 100'000-500'000 Lesern bis hin zu kleineren Publikationen mit engen Zielgruppen. Zusätzlich zu den Printmedien schrieben die Teilnehmer auch für Radiosendungen und Websites. Einige der Teilnehmer waren angestellte Reporter, andere wiederum Freiberufler.

Wir haben verschiedene Forschungsmethoden benutzt:

  • traditionelle Nutzertests in einem Usability-Labor
  • Besuche am Arbeitsplatz des Nutzers, was häufig ein Büro zu Hause war (vor allem bei freiberuflich arbeitenden Journalisten).
  • Eyetracking-Studien, in denen wir aufgezeichnet haben, wo genau auf dem Bildschirm die Nutzer hinschauen.

Innerhalb der drei Forschungsrunden haben wir 42 verschiedenen Websites und deren Pressebereiche getestet. Die Websites reichten von denen riesiger Firmen - wie zum Beispiel American Airlines, Bayer und China Mobile - zu kleineren Firmen, B-to-B-Anbietern, Neugründungen, gemeinnützigen Gesellschaften und Regierungsbehörden.

Der Informationsbedarf von Journalisten

Das Web ist eins der wichtigsten Recherchemittel für Journalisten. Auf die Frage, wie sie grundlegende Informationen über eine Firma oder Organisation bekommen würden, sagten alle Journalisten in unseren Studien, dass sie mit einer Internetrecherche beginnen würden.

Die meisten Journalisten begannen mit einer Suche auf einem aussenstehenden Anbieter - hauptsächlich Google, aber auch auf traditionellen Quellen wie Dow Jones Interactive und Lexis-Nexis - und besuchten erst danach die eigene Website der Firma. Dieses Ergebnis macht deutlich, wie wichtig es ist, eine einwandfreie Firmen-Website mit eindeutig gekennzeichnetem Presse- oder PR-Bereich zu haben, welcher Journalisten schnell die benötigten Informationen zur Verfügung stellt. Es unterstreicht auch, wie sehr es notwendig ist, auf externen Suchdiensten (zum derzeitigen Zeitpunkt vorwiegend Google) gut repräsentiert zu sein.

Die Journalisten sind nicht leichtgläubig, und die Eigenaussagen einer Firma nehmen sie nicht für bare Münze. In der Tat sagten fast alle Journalisten, dass Pressemitteilungen grösstenteils nur dafür nützlich seien herauszufinden, wie eine Firma sich selbst positionieren will. Wir empfehlen sehr, dass PR-Bereiche auch Links zu externen Quellen enthalten, unter anderem zu Berichterstattungen in den Medien; die Journalisten finden Berichte aus unabhängigen Zeitungen und Zeitschriften häufig wesentlich glaubwürdiger als die selbstverfassten Pressemitteilungen der Firma. Ähnliche Ergebnisse fanden wir in Studien über potenzielle Kunden, die Produkte auf konsumenten- und auf geschäftsorientierten Websites einzuschätzen versuchten; Links zu externen Berichterstattungen können also auch helfen, Ihren Umsatz zu steigern.

Die 5 wichtigsten Gründe, die Journalisten für den Besuch einer Firmen-Website angaben:

  • einen Ansprechpartner finden (Name und Telefonnummer)
  • grundlegende Informationen über die Firma herausfinden (zum Beispiel die Schreibweise des Namens eines Geschäftsführers, einer Geschäftsführerin, sein oder ihr Alter, Hauptgeschäftssitz usw.)
  • erkennen, wie sich die Firma gegenüber aktuellen Ereignissen positioniert
  • finanzielle Informationen herausfinden
  • Bilder herunterladen, die als Illustrationen in Berichterstattungen dienen können

Diese Basisinformationen müssen leicht zu finden sein und sollten von der markteigenen Sprache und ausschweifendem Blabla gereinigt werden, da dies auf vielen Websites die Fakten geradezu unter sich begräbt. Die Journalisten haben keine Zeit, sich durch tiefe, komplexe Navigationen zu kämpfen, oder um die Marketing-"Spreu" erst mal vom sachlichen "Weizen" zu trennen.

Vor allem müssen die Websites Informationen in gut organisierten Häppchen darstellen, die schnell zu überfliegen sind. Ablenkende Animationen und irrelevante Archivbilder helfen keinem Journalisten, der in Eile versucht, die nötigen Fakten herauszufinden.

Das folgende Beispiel aus unserer Eyetracking-Forschung zeigt einen Journalisten, der eine Liste von Finanzberichten für die Muttergesellschaft von American Airlines durchsieht. Beachten Sie, wie die Augen des Nutzers den Blabla-Text übersprungen und sofort zur Liste der einzelnen Punkte gegangen sind. Beachten Sie auch, dass die meisten Überschriften nur 1 oder 2 Fixierungen erhielten: Überschriften für Pressemitteilungen und andere Erklärungen müssen so geschrieben sein, dass Journalisten das Wesentliche verstehen können, wenn sie nur ein paar Wörter gelesen haben, denn so gehen Journalisten mit solchen Listen um. Es ist lohnt sich, es noch einmal zu sagen: Journalisten sind vielbeschäftigt und arbeiten unter extremem Zeitdruck. Entwerfen Sie Ihre PR-Seiten dementsprechend.

Blickverlauf eines Journalisten
Jeder blaue Punkt repräsentiert eine Fixierung der Augen des Nutzers. (Grössere Punkte zeigen eine längere Verweildauer an.)

Fakten und Menschen

Es ist erstaunlich, wie viele Websites es einem schwer machen, den offiziellen Namen einer Firma herauszufinden - eine Hauptinformation, die Journalisten häufig für ihre Berichte brauchen.

Generell gilt, je mehr interessante Fakten Sie über Ihre Firma, Ihre Produkte und Geschäftsführer anbieten, umso besser für Ihre PR. Journalisten suchen nach Fakten, die sie in ihren Berichten verwenden können. Die Teilnehmer in unserer Studie waren wesentlich begeisterter von echten Informationen, als von Marketingbehauptungen, welche sie sofort verwarfen.

Hier zum Beispiel, was ein Journalisten über einige Produktinformationen auf der Website von BMW gesagt hat:

"Das hier sind tatsächlich präsize Informationen. Das ist nicht nur Verkaufsmasche. Diesen Begriff hier, "Knautschzone", den würde ich zum Beispiel in meinen Bericht übernehmen... Was die Lampen angeht, sind das hier alles Hightech-Dinge, die die Leser schon interessant finden würden. Das sind die Einzelheiten, nach denen ich suchen würde."

Die folgende grafische Darstellung aus unserer neuen Eyetracking-Studie zeigt, wie ein Journalist eine Pressemitteilung auf der Website von TNT gelesen hat. Beachten Sie, wie sich der Journalist auf die oben stehende Aufzählung und die zweite Tabelle konzentriert. Die Schlussabsätze hat er kaum gelesen und auch die erste, weniger interessante Tabelle zum grössten Teil ignoriert.

Blickverlauf beim Lesen einer Pressemitteilung
Grafische Darstellung der Augenbewegung eines Journalisten, der eine Pressemitteilung liest. Jeder blaue Punkt repräsentiert eine Fixierung der Augen des Nutzers.

Die Websites müssen auch eine einfache Möglichkeit aufzeigen, jemanden in der PR-Abteilung "live" kontaktieren zu können. Auch wenn Websites viele grundlegende Fragen beantworten und eine grosse Hilfe sein können, so wollen Journalisten doch fast immer auch mit jemandem sprechen. Die folgenden Zitate stammen von zwei Journalisten, die besondere Schwierigkeiten hatten, einen Öffentlichkeitsreferenten und finanzielle Informationen zu finden:

"Ich bin mir sicher, ich hab irgendwo einen E-mailen Sie uns-Button gesehen, aber ich weiss einfach nicht mehr wo. Ich weiss nie, ob da überhaupt jemand die E-Mail liest. Es kommt oft vor, dass ich noch am gleichen Tag abliefern muss, und dann würde ich mich garantiert nicht auf die E-Mail verlassen, wenn ich's heute noch brauche. Ich würde lieber ein wörtliches Zitat von jemandem aus der Firma verwenden."

"Ich gehe mal davon aus, dass meine momentane Frustration nicht in meinen Bericht einfliessen wird. Aber es lässt mich schon an der Kompetenz der Leute in dieser Firma zweifeln. Man weiss doch, dass Journalisten die Website nutzen. Das kommt mir so vor, als ob da jemand entweder was zu verbergen hat oder aber einfach inkompetent ist."

Offensichtlich hat die Tatsache, ob sich auf einer PR-Seite Informationen finden lassen oder aber auch nicht, starken Einfluss auf die journalistische Wahrnehmung der Website und somit auch darauf, wie die Journalisten die Firma insgesamt wahrnehmen.

Veränderungen in der PR-Usability

Da wir unsere Untersuchungen seit 2001 in mehreren Durchläufen geführt haben, können wir die Situation der Vergangenheit mit dem heutigen Stand der Dinge vergleichen. Hierbei fanden wir hautsächlich vier Veränderungen:

  • Besseres Design. Professionell geführte Firmen-Websites halten sich heute an mehr Usability-Richtlinien und machen so häufig weniger Fehler auf ihren PR-Seiten. Obwohl die Seiten noch weit davon entfernt sind, voll und ganz den Bedarf von Journalisten zu befriedigen, sind sie doch nicht mehr so schlecht wie früher. Als Konsequenz daraus haben die Journalisten heute mehr Erfolg darin, die Informationen zu finden, die sie brauchen. Die grösste Verbesserung hat mit einer ihrer wichtigsten Aufgaben zu tun: dem Herausfinden der Telefonnummer eines Ansprechpartners.
  • Zunehmende Vorherrschaft der Suchmaschinen. In unseren früheren Untersuchungen ging ca. die Hälfte der Journalisten direkt zu der Firmen-Website, während die andere Hälfte zunächst eine Suchmaschine befragte. Heute neigen die Journalisten dazu, ihren ersten Schritt in Richtung Suchmaschine zu setzen. Dies ähnelt dem Trend, den wir auch bei normalen Nutzern beobachten können: Auch sie verlassen sich mehr auf Suchmaschinen.
  • Bessere Technik bei den Nutzern. Heute ist es wesentlich unwahrscheinlicher, dass der Computer eines Journalisten wegen PDFs oder anderen Mediendateien abstürzt. Die Technologie hat sich bis zu einem gewissen Grad definitiv stabilisiert. Nichtsdestotrotz empfehlen wir immer noch, dass Sie PDF für Pressemitteilungen und die meisten anderen PR-Informationen vermeiden, da das Format die Nutzer verärgert.
  • Das Aufgreifen von Multimedia (zumindest als Idee). Die Journalisten heute begrüssen Video, Webcasts und andere Multimedia-Anwendungen wesentlich stärker. Ihre Hauptbeschwerde ist jedoch, dass Multimedia-Inhalte häufig schwerer zu benutzen sind und oft nur oberflächliche Informationen enthalten. Die Firmen müssen also offensichtlich noch verstärkt daran arbeiten, die "neuen Medien" in "nützliche Medien" zu verwandeln.

Eine weitere Veränderung ist, dass die Ansprüche an die PR-Usability erheblich gestiegen sind. Die neue Ausgabe unseres Berichts enthält 103 Design-Richtlinien; die erste Ausgabe hatte gerade einmal 32. Die früheren Richtlinien haben immer noch Geltung, so dass zumindest im Ansatz sich bei den grundlegenden Bedürfnissen der Journalisten nicht viel geändert hat. Aber, über diese grundlegenden Dinge hinaus, müssen die Designer noch viele weitere Details richtig hinkriegen, damit der PR-Bereich einer Website auf auf der Höhe der Zeit ist. In Bezug auf eine Website, die nicht ganz auf der Höhe der Zeit war, fasste ein Journalist aus unserer Studie ein Gefühl zusammen, das auch von vielen anderen geäussert worden war:

"Es tut jeder Firma gut, wenn ihre Website leicht zu nutzen ist. Man fängt sofort an, die Firma zu hassen, wenn man Probleme mit der Website hat."

Letztendlich läuft jegliche Usability im PR-Bereich auf eine einfach Frage hinaus: Warum ein Vermögen für aggressive PR ausgeben (dafür, Journalisten aktiv zu werben), wenn man einfache Schritte vernachlässigt, die Wirksamkeit der passiven PR zu erhöhen (d. h. Journalisten, die Ihre Website besuchen, zufriedenstellen)?

 

© Deutsche Version von Jakob Nielsens Alertbox. Institut für Software-Ergonomie und Usability AG. Alle Rechte vorbehalten.

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