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07.09.2003

Usability-Missverständnisse

Missverständnisse über Usability-Kosten, die Zeit, die Usability beansprucht und ihre Auswirkungen auf die Kreativität bewahren Unternehmen davor, entscheidende Anwenderdaten zu erhalten. Genau so wie der falsche Glaube, dass existierende Kundenfeedback-Methoden ein guter Ansatz fürs Interfacedesign sind.

 

by Jakob Nielsen (deutsche Übersetzung) - 08.09.2003

 

Die meisten Unternehmen nutzen immer noch keine systematischen Usability-Methoden um ihre Design zu steuern. Die daraus resultierende weit gestreute Ignoranz bezüglich Usability hat Anlass zu einigen Missverständnissen gegeben, die eine Antwort erfordern.

Usability ist teuer

Ja, es ist bekannt, dass grosse Computerfirmen in millionenteure Usability-Labore investiert haben. Ja, erfahrene Usability-Fachleute sind sehr gut bezahlt. Und ja, gross angelegte Anwendertests, die verschiedene Designalternativen quer über mehrere Länder hinweg testen, können mehr als $ 200'000.00 kosten.

Aber die meisten alltäglichen Usability-Projekte sind günstig. Kleine Unternehmen brauchen keine Labore; Sie können Anwendertests in einem freien Konferenzraum durchführen. Anstatt teuere Usability-Experten mit einer zehnjährigen Erfahrung anzuheuern, können Sie ihren Mitarbeitern beibringen, wie man Studien durchführt. Auch wenn internationale Studien sehr gut sind, man fängt nicht mit ihnen an: Man verbringt zuerst ein paar Tage damit, 5 vor Ort lebende Anwender zu testen.

Auch mit einem Budget von $200 können Sie Usability-Aktivitäten durchführen. Die Methoden sind unglaublich flexibel und passen sich den Umständen an. Im Durchschnitt beanspruchen "Best Practices" etwa 10% des Designbudgets für die Usability. Das ist ein günstiger Weg um sicherzustellen, dass die verbleibenden 90% richtig eingesetzt werden.

Usability Engineering wird die Einführung verzögern

Fallstudien werden normalerweise von Firmen herausgegeben, die dem gesamten "User-Centred"-Design im Detail gefolgt sind und mit der Feldstudie angefangen haben. Diese Berichte können sich auf Projekte mit kleineren Budgets und engerem Zeitplan einschüchternd auswirken.

Usability muss nicht grandios sein. Die einfachste Methode eines Anwendertests, die ich empfehle dauert drei Tage, es sind aber auch schnellere Tests möglich - besonders, wenn Sie Methoden wie Papier-Prototyping anwenden, welche Sie in wenigen Stunden durch mehrere Iterationen des Designs hindurch führen.

Einer der Hauptvorteile, das Design anhand von Nutzerprofil-Analysen zu erstellen ist, dass Sie keine Zeit für Features verschwenden, welche die Anwender im Endeffekt gar nicht brauchen. Frühzeitig durchgeführte Studien zeigen Ihnen auf, worauf Sie fokussieren müssen, um Ihre Ressourcen richtig einzusetzen und um Ihr Produkt fristgerecht einzuführen.

Usability kann Ihnen zu guter Letzt auch helfen Zeit einzusparen, indem mögliche Argumente in Ihrem Designteam schnell aufgehoben werden. Die meisten Projekte verschwenden unzählige teure Mannstunden damit in Meetings darüber zu diskutieren, was Anwender vielleicht haben möchten oder was sie vielleicht unter gewissen Umständen tun würden. Anstatt zu debattieren, würden sie es besser herausfinden. Es ist schneller und erfordert während der Zeit der Studie nur eine Person des Teams.

Usability tötet die Kreativität

Design ist im Allgemeinen das Lösen von Problemen unter gewissen Einschränkungen: Sie müssen ein System entwerfen, welches auch gebaut werden kann, das im Rahmen des Budgets bleibt und welches in der "realen Welt" auch tatsächlich funktioniert. Usability fügt eine zusätzliche Einschränkung hinzu: Das System muss für den Anwender relativ einfach nutzbar sein. Diese Einschränkung existiert, ob Sie in ihrem Design-Prozess formale Usability-Methoden anwenden oder nicht.

Das menschliche Kurzzeitgedächtnis kann nur eine bestimmte Anzahl bzw. "Chunks" von Informationen aufnehmen. Wenn Sie von den Anwendern verlangen, sich an zu viele Dinge zu erinnern, wird das Design fehlerhaft und schwer nutzbar sein, weil er Dinge vergessen wird, wenn sein Gedächtnis überladen wird.

Es ist auch so, dass wenn Sie eine Website entwerfen, es nur eine unter Millionen sein wird und die Anwender werden ihr nur wenig Aufmerksamkeit schenken, bevor sie weiter gehen.

Das sind die Tatsachen des Lebens. Alles, was Usability macht, ist sie genauer darzustellen, so dass Sie sie für Ihr Design verwenden können. Usability-Richtlinien zeigen Ihnen auf, wie Anwender typischerweise mit ähnlichen Designs umgehen. Anwendertests zeigen Ihnen auf, wie die Anwender mit dem von Ihnen vorgeschlagenen Design umgehen. Sie können diesen Daten Beachtung schenken oder nicht; in der realen Welt erkennt man die selbe Rücksichtslosigkeit.

Das Kennen dieser Tatsachen erhöht die Kreativität, denn es bietet Designern Ideen für Designverbesserungen an und inspiriert sie dazu, Ihre Energie auf tatsächliche Probleme zu fokussieren.

Wenn man Design-Konventionen folgt wird die Kreativität nicht zerstört. Konventionen und Standards für das Schnittstellendesign sind wie ein Wörterbuch für die englische Sprache: Sie definieren die Bedeutung von Schnittstelleneinheiten und bieten Richtlinien an, um sie miteinander zu verbinden. Aber ein Wörterbuch definiert nicht, ob Sie Harry Potter, ein Thriller von Stephan King oder eine Alertbox schreiben. Schreiben bietet reichlich Gelegenheit kreativ zu sein, trotz der Erwartung, dass Sie eine Sprache so verwenden, dass die Leser sie verstehen werden. Interaktionsdesigner können gleichermassen kreativ sein, trotz der Anforderung, dass sie ein Design für Homo Sapiens entwerfen.

Wir brauchen Usability nicht, wir hören uns schon das Feedback unserer Kunden an

Methoden der Marktforschung, wie beispielsweise Fokusgruppen und Kundenzufriedenheitsbewertungen sind gut, wenn Sie Ihre Position auf dem Markt analysieren möchten oder wenn Sie bestimmen möchten, welche Mitteilungen Sie für eine Werbekampagne wählen müssen. Sie sind nicht gut, um Fragen bezüglich der Nutzerschnittstellen zu entscheiden - in der Tat sind sie meist irreführend.

Wenn eine Gruppe von Leuten an einem behaglichen Tisch sitzt und Snacks isst, ist sie sehr leicht von Website-Präsentationen mit fantasievollen Features und Multimedia-Elementen beeindruckt. Lassen Sie dieselben Leute alleine vor einem Computer sitzen und sie werden möglicherweise dieselbe Website bereits nach kurzer Zeit verlassen.

Das bekannteste Beispiel des Demoeffektes tritt mit 3-D Nutzerschnittstellen auf, besonders mit auf dem Bildschirm aufblinkenden komplexen Datenmengen. Diese Systeme sehen immer unglaublich toll und überzeugend aus, laufen aber im herkömmlichen Gebrauch praktisch nie.

Sich eine Demo anzusehen oder etwas tatsächlich zu nutzen sind zwei ganz unterschiedliche Dinge. Was Kunden sagen und was sie tun stimmt ebenso selten überein; sich anzuhören, was Kunden brauchen nutzt die falsche Methode, um die falschen Daten zu sammeln.

Glücklicherweise sind die richtigen Usability-Methoden günstig und einfach zu implementieren. Zudem verzögern sie ihr Projekt nicht. Warum wollen Sie sich also auf irreführende Methoden verlassen, die tatsächlich teurer sind?

 

© Deutsche Version von Jakob Nielsens Alertbox. Institut für Software-Ergonomie und Usability AG. Alle Rechte vorbehalten.

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