Usability von Websites für Teenager
Wenn Teenager Websites nutzen, haben sie eine geringere Erfolgsrate als Erwachsene und sind schneller gelangweilt. Damit sie mit Teens funktionieren, müssen Websites einfach sein - aber nicht kindisch - und viele interaktive Funktionen anbieten.
by Jakob Nielsen (deutsche Übersetzung) - 31.01.2005
Es ist zwar schon ein Klischee, wenn man sagt, Teenager pflegen eine verdrahtete Lebensweise, aber sie tun es tatsächlich. Wie sie in unserer Studie angegeben haben, nutzen Teens das Internet für
- Hausaufgaben,
- Hobbys und andere spezielle Interessen,
- Unterhaltung (einschliesslich Musik und Spielen),
- Nachrichten,
- Informationen über gesundheitliche Themen, über die sie sich nicht zu sprechen trauen,
- E-Commerce.
Und auch wenn sie nicht wirklich selber online einkaufen, so nutzen Teenager Websites doch für Produktrecherchen und um Wunschlisten für die mit Kreditkarten ausgestatteten Erwachsenen in ihrem Umfeld zusammenzustellen.
Nutzerforschung
Wir führten eine Serie von Nutzertests durch, um festzustellen, wie Websites Teenager besser zufrieden stellen könnten. 23 Websites wurden systematisch getestet und wir baten die Teenager, beim Besuch der Sites bestimmte Aufgaben zu lösen und dabei laut nachzudenken. Weitere Testpersonen baten wir, Aufgaben im Web zu lösen und dabei alle passenden Websites zu nutzen. Dadurch erweiterten wir unsere Daten um ein zusätzliches Feld von Websites und haben Einsichten in die Frage gewonnen, wie Teens entscheiden, mit welchen Sites sie arbeiten. Schliesslich befragten wir die Teilnehmer, wie und wann sie das Web nutzen und liessen uns ihre Lieblings-Sites zeigen.
Insgesamt nahmen 31 Nutzer im Alter zwischen 13 und 17 an den Tests teil. Die meisten Sitzungen fanden in den USA statt; ein paar Tests führten wir in Australien durch, um die internationale Anwendbarkeit der Ergebnisse abzuschätzen. Wir konnten dort keinen grösseren Unterschied feststellen: Die Faktoren, die Websites für Teens leicht oder schwer nutzbar machen, waren in beiden Ländern die gleichen, ebenso die charakteristischen Designs, die Teens anziehend finden.
Der einzige grosse Unterschied zwischen den Ländern bestätigten ein Stereotyp über die Australier: Australier sind verrückt nach Sport. Auf die Frage nach ihren Lieblings-Sites hat fast jeder australische Teen eine Mannschafts-Site der australischen Fussball-Liga nominiert. Ein australischer Teen hat ausserdem die Google-Funktion gelobt, mit der man ausschliesslich nach australischen Sites suchen kann. Websites lokal zu verankern und länderspezifische Inhalte und Dienste anzubieten, ist für alle Altersgruppen zu empfehlen.
Innerhalb der USA führten wir Studien in ländlichen Regionen Colorados und an drei Orten in Kalifornien durch. Berücksichtigt wurden dabei sowohl wohlhabende Vorstädte als auch benachteiligte Stadtviertel. Die Anzahl der getesteten Jungen und Mädchen war in ungefähr gleich.
Brennpunkt Web-Usability
Teenager nutzen ein breites Spektrum technischer Produkte sehr intensiv; darunter sind Musik-Download-Dienste und MP3-Spielgeräte, Chat und Instant Messaging (IM), E-Mail, Handy und SMS, Online-Tagebücher und vieles mehr. Gleichwohl haben wir unsere Nutzerforschung auf die Website-Nutzung von Teens konzentriert, aus zwei Gründen:
- Es gibt bereits eine Menge Berichte darüber, wie Teens computergestützte Kommunikationsmedien nutzen, mobile Geräte und andere Technologien ausserhalb des Webs. Derartige Studien verwenden bei der Durchführung nicht immer passende Usability-Methoden und neigen dazu, sich mehr auf Eigenberichte über das Verhalten zu verlassen als auf direkte Beobachtung des wirklichen Verhaltens. Dennoch ist dieser Bereich bereits gut von anderen Forschern abgedeckt.
- Interaktives Design ausserhalb des Webs ist ein enger Markt: Es gibt etwa drei wichtige Anbieter von Chat- und IM-Software, zehn grosse Handy-Anbieter und eine Handvoll bedeutender Musik-Download-Dienste. Es macht keinen Sinn, für so wenig Leser einen allgemeinen Bericht zu veröffentlichen. Dagegen gibt es 60 Millionen Websites auf der Welt, und ein grosser Anteil davon ist vielleicht daran interessiert, wie er Teenager besser bedienen könnte.
Webdesign für Teens ist als Gegenstand verbreitet genug, um eine eigene Spezialstudie zu rechtfertigen.
Wir haben Sites aus den folgenden Genres getestet:
- Schulangebote (BBC Schools, California State University, SparkNotes),
- Gesundheit (Australisches Drogenhilfswerk, KidsHealth, Nationales Institut für Drogenmissbrauch),
- Nachrichten und Unterhaltung (BBC Teens, ChannelOne.com, MTV, The Orange County Register),
- E-Commerce (American Eagle Outfitters, Apple, Volcom),
- Unternehmens-Sites (McDonald's, Pepsi-Cola, The Principal Financial Group, Procter & Gamble),
- Regierungsstellen (Portal der australischen Regierung, Abteilung Motorfahrzeuge in Kalifornien, Weisses Haus),
- Gemeinnützige Stellen (Alzheimer-Gesellschaft, The Insite, Museum für Toleranz, Nationaler Naturschutzbund).
Wie die Liste zeigt, haben wir sowohl spezielle Sites getestet, die ausdrücklich auf Teenager abzielen, als auch Sites von allgemeinem Interesse, für die Teens Teil eines grösseren Zielpublikums sind.
Missverständnisse über Teenager
Viele Leute denken, Teens seien Technik-Freaks, die mit Hingabe durchs Web surfen. Man nimmt auch allgemein an, der beste Weg, Teens anzuziehen, sei eine volle Ladung fetter, glitzernder, blinkender Grafiken.
Unsere Studie hat diese Stereotypen widerlegt. Teenager sind keineswegs die grossen Web-Genies, die mit allem zurechtkommen, das die Sites ihnen zuwerfen. Wir haben bei den jugendlichen Nutzern in dieser Studie eine Erfolgsrate von nur 55% gemessen, deutlich weniger also als die 66% bei erwachsenen Nutzern in unserem letzten gross angelegten Test über ein breites Spektrum von Websites. (Die Erfolgsrate zeigt im Verhältnis an, in wie vielen Fällen die Nutzer auf der Ziel-Site eine repräsentative, von vorne bis hinten durchführbare Aufgabe vollständig lösen konnten. Mithin steht jede Rate unter 100% für einen Designfehler und für verlorene Geschäfte mit der Site.)
Das schlechte Abschneiden der Teens wird von drei Faktoren verursacht: ungenügenden Lesefähigkeiten, weniger geschickten Recherchestrategien und einem dramatisch niedrigeren Geduldsniveau.
Wir konnten nachweisen, dass Teens cool aussehende Grafiken mögen und überhaupt dem visuellen Erscheinungsbild einer Website grössere Aufmerksamkeit schenken als erwachsene Nutzer. Allerdings waren die Sites, über die unsere jugendlichen Nutzer gesagt haben, dass sie mit ihnen am meisten zufrieden sind, solche mit einem relativ moderaten, klaren Design. In der Regel haben sie übermässig glitzernde Sites als zu schwierig zu nutzen abgewertet. Die Teenager möchten allerhand anstellen im Web und mögen keine Sites, die langsam sind oder zwar fantastisch aussehen, sich aber schwerfällig verhalten.
Warum gibt es so viele Missverständnisse über Teens? Zwei Gründe: Erstens befinden sich die meisten Leute, die für Websites verantwortlich sind, am oberen Ende der Köpfchen- und Technik-Enthusiasmus-Kurve. Diese Leute sind hochgebildete und oberschlaue Technik-Pioniere und verbringen eine Menge Zeit online. Die meisten Teens, die sie kennen, teilen diese Eigenschaften. Nur wenig Leute aus den oberen 5 Prozent verbringen nennenswert Zeit mit den 80 Prozent der Bevölkerung, die die breite Mehrheit des Publikums bilden.
Zweitens, wenn Sie einige Teenager kennen, wird Ihnen der eine Super-User in der Schar am ehesten im Gedächtnis bleiben und künftig als "typischer Teen" dienen, auch wenn er oder sie in Wirklichkeit eine Ausnahme war. Teens, die sich nicht freiwillig melden, um Ihren auf "12:00" blinkenden Videorekorder in Ordnung zu bringen, bleiben Ihnen nicht im Gedächtnis.
Bloss keine langweiligen Sites
Die Teens haben sich oft über Sites beklagt, die sie langweilig fanden. Langweilig zu sein ist der Todeskuss, wenn es darum geht, Teens auf Ihre Site zu ziehen. Dieses Stereotyp hat unsere Studie bestätigt: Teens haben eine kurze Aufmerksamkeitsspanne und wollen stimuliert werden. Das ist auch der Grund, weshalb sie Sites verlassen, die ihnen zu schwer zu durchschauen sind.
Teenager wollen im Web nicht viel lesen. Davon haben sie in der Schule schon genug. Ausserdem sind die Lesefähigkeiten vieler Teens geringer, als man hoffen möchte, besonders bei jüngeren Teens. Sites, die man leicht überfliegen kann oder die ihr Anliegen visuell illustrieren, wurden andern Sites mit dichtem Text stark vorgezogen.
Ein Ergebnis der Studie überraschte: Teenager mögen kleine Schrift genau so wenig wie Erwachsene. Wir haben schon oft davor gewarnt, in Websites kleine Schriftgrössen zu verwenden, wegen der negativen Wirkung auf ältere Bürger - und auch auf Leute in den oberen Vierzigern, deren Sehkraft bereits nachlässt. Stets haben wir angenommen, dass kleine Schriftgrössen im Web deshalb vorherrschen, weil die meisten Web-Designer jung sind und noch die volle Sehkraft haben, deshalb haben wir nicht erwartet, dass die Schriftgrösse auch bei jüngeren Nutzern ein Thema sein könnte. Jedoch haben kleine Schriften bei den jugendlichen Nutzern in unserer Studie oft zu Problemen geführt oder negative Kommentare ausgelöst. Die meisten Teens sind zwar genügend scharfsichtig, bewegen sich aber zu schnell und sind zu schnell abgelenkt, um klein geschriebenen Texten folgen zu können.
Was war gut? Folgende interaktiven Funktionen haben alle gut funktioniert, weil sie es den Teens ermöglichen, etwas zu tun und nicht bloss lesend dazusitzen:
- Online-Quizfragen,
- Formulare für die Eingabe von Kommentaren und Fragen,
- Online-Abstimmungen,
- Spiele,
- Funktionen, bei denen man gemeinsam Bilder malen oder Geschichten erzählen kann,
- Pinnwände für Botschaften,
- Foren, in denen man Rat anbieten oder bekommen kann,
- Funktionen, mit denen man eine Website bauen oder auf andere Weise Inhalte hinzufügen kann.
Diese interaktiven Funktionen erlauben es den Teenagern, ihre Spur im Internet zu hinterlassen und sich selbst auf verschiedenste Art und Weise auszudrücken - die einen im Grossen, die anderen im Kleinen.
Unterschiede zwischen den Altersgruppen
Die folgende Tabelle fasst die wichtigsten Unterschiede zwischen den Webdesign-Ansätzen für jüngere Kinder, Teenager und Erwachsene zusammen. (Die Ergebnisse über Kinder stammen aus unseren besonderen Tests mit sechs- bis zwölfjährigen Nutzern.)
Animation und Klangeffekte | Minensuche nach Links | Werbung | Scrollen | Lesen | |
Kinder | |||||
Teens | |||||
Erwachsene |
Legende:
angenehm, interessant und attraktiv, oder die Nutzer können sich leicht darauf einstellen | |
Die Nutzer akzeptieren es bis zu einem gewissen Grad, aber übermässige Verwendung kann problematisch sein. | |
Die Nutzer mögen es nicht, tun es nicht oder finden es schwierig zu handhaben. |
Klar, es gibt viele Unterschiede zwischen den Altersgruppen, und das höchste Usability-Niveau bei Teenagern erreichen Designs, die speziell auf ihre Ansprüche und ihr Verhalten abzielen. Teens haben andere Ansprüche als Erwachsene und nochmals andere als jüngere Kinder. Das gilt sowohl fürs Interaktionsdesign (wie in der Tabelle aufgeführt) als auch für offensichtlichere Faktoren wie die Auswahl der Themen und den inhaltlichen Stil.
Manche Websites in unserer Studie versuchen, Kinder und Teens im gleichen Bereich zu bedienen, den sie gewöhnlich Kids oder so ähnlich nennen. Das ist ein schwerwiegender Fehler; das Wort "Kids" schreckt Teens ab. Teenager sind heftig stolz auf ihren neu gewonnenen Status und mögen keine allzu kindischen Inhalte (ein weiterer Grund, die heftigen Animationen und blutigen Farbschemata aufzulockern, die man zurzeit für jüngere Zielgruppen einsetzt). Wir empfehlen, getrennte Sektionen für jüngere Kinder und Teens einzurichten und sie Kids und Teens oder vergleichbar zu benennen.
Marktlücke Teenager
Der Durchschnittsteilnehmer unserer Studie verbringt fünf bis zehn Stunden pro Woche im Web. Und das zusätzlich zu den vielen Stunden, die sie mit anderen Techniken verbringen.
Laut dem Pew Internet and American Life Project sind 83% der amerikanischen Teenager online. Andere fortschrittliche Länder weisen ähnliche Raten auf. Die Websites sollten ihr Design verbessern, um die wirklichen Ansprüche und Wünsche dieser gewaltigen Nutzergruppe besser zu treffen, anstatt auf irrige Stereotypen zu zielen. Bedarf ist vorhanden.
© Deutsche Version von Jakob Nielsens Alertbox. Institut für Software-Ergonomie und Usability AG. Alle Rechte vorbehalten.
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