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27.04.2003

Werden textbasierte Werbeanzeigen weiterhin die Überhand behalten?

Textbasierte Werbeanzeigen sind viel effektiver als Banner, aber liegt das nur an ihrer Neuartigkeit? Suchmaschinentextwerbung wird wohl auf lange Sicht ihre Überlegenheit behalten, aber Textwerbung auf anderen Sites wird nur funktionieren, wenn sie die Bedürfnisse der Anwender unmittelbar befriedigt.

 

by Jakob Nielsen (deutsche Übersetzung) - 28.04.2003

 

Im Allgemeinen funktioniert Werbung im Netz nicht, das ist eine Tatsache, die den Usability-Forschern schon seit 1997 klar ist. Anwender ignorieren Werbeanzeigen, weil sie konträr zum grundlegenden Konzept des Webs stehen. Dieses lässt die Nutzer an den gewünschten Ort steuern und Informationen erhalten, die sie unmittelbar zufrieden stellen. Von Anfang an war jedoch klar, dass die Verurteilung von Werbeanzeigen zwei Ausnahmen hat:

  • Klassifizierte Werbeanzeigen funktionieren, weil es sich dabei aus Sicht der Anwender um Inhalt und nicht um Werbung handelt: Anwender suchen aktiv nach Klassifikationen, wenn Sie mit dem Ziel, etwas zu kaufen suchen. Dies erklärt den Erfolg von eBay, Monster/HotJobs und viele andere solcher Sites. Die Überlegenheit der Web-Klassifizierungen deutet auf eine unheilverkündende Zeit für traditionelle Printmedien hin, da ihre lukrativste Einnahmequelle sich weiterhin Richtung "Online" verschiebt.
  • Werbeanzeigen von Suchmaschinen funktionieren, weil Suchmaschinen eine Art von Websites sind, welche die Anwender mit dem speziellen Ziel besuchen, eine andere Site zu finden. Wenn Anwender also eine Werbeanzeige sehen für die sich sich interessieren, ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass sie diese Anzeige anklicken. Werber können die Bedürfnisse der Anwender unmittelbar befriedigen, weil sie die Werbeanzeigen gezielt auf die Anfrage des Anwenders ausgerichtet haben. (Das erklärt auch, warum Werbeanzeigen auf den Homepages der Suchmaschinen nicht funktionieren: es ist unmöglich die Werbeanzeige gezielt auf die Anfrage des Anwenders auszurichten solange der Server nicht erkennen kann, wie die Anfrage lautet.)

Rein textbasierte Werbeanzeigen auf Suchmaschinen-Sites sind in den letzten Jahren besonders erfolgreich geworden, und auf Sites ohne Suche wird nun - in der Hoffnung, diesen Erfolg zu replizieren - mit diesem Beispiel experimentiert. Es ist jedoch zweifelhaft, ob sich die Bemühungen lohnen werden, weil Websites ohne Suchfunktion das entscheidende Element fehlt: die Zielstrebigkeit der Anwender, die Site so schnell wie möglich zu verlassen.

Von der Banner-Blindheit zur Box-Blindheit

Rein textbasierte Werbeanzeigen könnten noch für einige Zeit besser funktionieren als grafikbasierte Anzeigen. Webanwender haben ihre Banner-Blindheit lange zur Schau gestellt und alles vermieden, was auch nur im Entferntesten wie eine Anzeige ausgesehen hat. Textanzeigen erinnern nicht an die Designs, bei den sich die Leute angewöhnt haben, nicht hinzuschauen. Und die sich daraus ergebende Sichtbarkeit trägt sicher zum Erfolg von textbasierten Werbeanzeigen bei.

Zudem profitieren Textanzeigen vom momentanen Neuartigkeits-Effekt, wie jedes andere Werbeformat, welches die Anwender noch nicht zu ignorieren gelernt haben. Auf lange Sicht wird der Effekt der Neuartigkeit jedoch verschwinden. Anwender könnten auch gegenüber der Box eine Blindheit entwickeln, die dazu führt, dass sie Textboxen genauso ignorieren, wie sie es lange Zeit mit den Werbebannern gemacht haben. Textanzeigen haben deshalb ausserhalb ihrer ursprünglichen Suchmaschinenumgebung keine Garantie für eine schöne Zukunft.

Kommunikativer Inhalt

Textbasierte Werbeanzeigen könnten einen lang andauernden Vorteil haben: da sie über ein Low-End Medienformat verfügen, nehmen die Anwender sie vielleicht ernster. Wenn man gezwungen ist, eine Nachricht in ein paar Worten auszudrücken, dann bringt es die Gedanken der Werbetexter auf den Punkt und führt so wahrscheinlich zu kommunikativeren Anzeigen, die darauf fokussieren, dem Anwender aufzuzeigen, wie er vom jeweiligen Produkt oder Service profitieren kann.

Auch wenn es keinen intrinsischen Grund dafür gibt, Text auf Websites nicht für geistloses Geschwätz zu verwenden - wie zum Beispiel "where do you want to go today?" - die Anwender werden auf keinen Fall auf solche Werbeanzeigen klicken. Die unmittelbaren Bedürfnisse der Anwender zu ignorieren bedeutet im Netz den sicheren Tod.

Unternehmen, die ausgefallene Werbeanzeigen schalten, welche die Bedürfnisse der Anwender ignorieren täuschen sich, wenn sie denken, dass sie die "Marke fördern"; in Wirklichkeit werden sie einfach ignoriert, weil sie nicht auf die Bedürfnisse der Anwender eingehen. Das reine Textformat stellt jedoch inhaltslose Nachrichten viel klarer dar und bewahrt Werber so von den unguten Gefühlen, die sie über die alten Medien hatten.

Nach 10jähriger Beobachtung von Webanwendern zeigt sich ein Ergebnis ganz klar, nämlich das, dass Anwender selbstbezogen sind und im "Hier und Jetzt" leben. Den Anwendern genau das zu geben, was sie aktuell möchten, ist im Web der Weg zum Erfolg und kleine Textblöcke schreiben zu müssen, ermutigt Werber, diesen Weg auch einzuschlagen.

 

© Deutsche Version von Jakob Nielsens Alertbox. Institut für Software-Ergonomie und Usability AG. Alle Rechte vorbehalten.

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