Wie Ihre Usability-Resultate in die Tat umgesetzt werden: 5 Tipps, wie man bessere Berichte schreibt
Damit Usability-Tests von Nutzen sind, müssen die Studienergebnisse die Probleme klar aufzeigen und den Teams helfen, Lösungen im Design zu erarbeiten.
by Amy Schade (deutsche Übersetzung) - 15.09.2013
Wenn die Produktteams nicht wissen, was sie mit den Usability-Resultaten anfangen sollen, ignorieren sie sie. Es ist Sache der Usability-Fachleute, ihre Ergebnisse klar, präzise und anschaulich darzustellen und so den Teams zu helfen, das jeweilige Problem zu identifizieren und einer Lösung zuzuführen.
Ein Schlüssel, wie man den Teams helfen kann, das Design auf Basis von Usability zu verbessern, besteht darin, die Resultate handhabbar zu machen. Es nützt nichts, einen Test durchzuführen, die Ergebnisse zu analysieren und einen Bericht zu schreiben, wenn das Team nicht weiss, was es mit den Ergebnissen anfangen soll. Usability-Experten - vor allem Neulinge in dem Feld - beschweren sich manchmal, dass sich die Teams nicht an den Ergebnissen der Studien orientieren. Hierfür kann es natürlich viele Gründe geben, aber oft liegt es an Problemen mit den Ergebnissen als solchen.
Usability-Resultate müssen auch selbst nützlich sein: wir brauchen eine Meta-Usability. Im Weiteren finden Sie fünf Tipps für neue wie auch erfahrene Fachleute, wie man die Usability ihrer Ergebnisse verbessern kann. Diese Tipps eignen sich auch für Manager, Klienten, Produktteams und Kunden, die Usability-Berichte bekommen, um den Wert des Berichts, den sie vor sich haben, besser einschätzen zu können.
Seien Sie genau
Vage Ergebnisse geben den Teams kaum Hinweise, um damit arbeiten zu können. Wenn Details oder Erläuterungen fehlen, fragt sich das Team, was eigentlich das Problem war oder wie man es lösen könnte.
Ein Ergebnis wie "Die Registrierung war schwierig" identifiziert weder das Problem noch zeigt es Lösungen auf. Warum war die Registrierung schwierig? Konnten die Nutzer den Anmeldebereich nicht finden? Haben sie das Login für bestehende Nutzer mit dem Dialog für die Neuanmeldung verwechselt? Gab es zu viele Fragen? Waren die Bezeichnungen der Formularfelder unklar? Wurden die Nutzer nach Angaben gefragt, die sie nicht bereit hatten, nicht wussten oder nicht mitteilen wollten? Gab es unerwartete Schritte? Waren die Buttons schlecht platziert?
Solche Ergebnisse müssen genau sein; etwa so: "Der Button zur Registrierung hatte einen schlechten Farbkontrast und verschwand vor dem Seitenhintergrund." Wann immer möglich, geben Sie genau an, in welchem Bereich des Designs, des Prozesses oder der Interaktion die Nutzer Probleme hatten.
Geben Sie nicht den Nutzern die Schuld
Leicht tappt man in die Falle, im Bericht alles auf die Nutzer zu beziehen: "Der Nutzer konnte dies tun." "Drei Nutzer konnten das und das nicht finden." Diese Art, Ergebnisse zu präsentieren, lenkt den Blickwinkel auf die Nutzer und nicht auf das Design. Das ist problematisch, weil so den Nutzern die Schuld in die Schuhe geschoben wird. Das macht es für Teammitglieder leicht, den Bericht so zu lesen, dass sie denken: "OK, dieser Nutzer konnte den Link nicht finden, andere aber schon." Und das Problem komplett auszublenden.
Es macht es für Teams auch schwer zu erkennen, wie sich eine Nutzeraktivität in eine Änderung des Designs übertragen lässt. Die Resultate sollten die Elemente des Designs erläutern, die die Nutzer verwirrt oder sie in eine falsche Richtung gelenkt haben. War die Navigationsstruktur der Seite unklar? War eine Beschriftung oder ein Link falsch benannt? Stimmte die Organisationsstruktur der Seite mit den Erwartungen der Nutzer überein?
Wenn wir eine Usability-Sitzung beginnen, sagen wir den Nutzern vorab: "Wir testen nicht Sie, sondern das System." Das ist keine Propaganda - sondern in der Tat die ergiebigste Art, mit Testergebnissen umzugehen.
Denken Sie an das grosse Ganze
Es passiert im Usability-Test schnell, dass man sich so auf Details konzentriert, dass ein grosses Problem unbemerkt bleibt. Es ist zwar wichtig, die kleinen Probleme aufzudecken, aber es kommt darauf an, auch die grösseren Probleme beim Design zu erkennen. Zum Beispiel können einzelne Schritte in einem Ablauf verbessert werden, indem das Design der Buttons und die Bezeichnung der Links geändert werden, aber das nützt nicht viel, wenn der Prozess selbst nicht den Erwartungen oder Anforderungen der Nutzer entspricht.
Wenn Sie Sich zu sehr auf Details in einem Bericht konzentrieren, kann das dazu führen, dass die Teams versuchen, einem Design viele Pflaster aufzukleben, das eigentlich ein gebrochenes Bein hat. Wenn die Nutzer bei jedem Schritt Probleme hatten, sind vielleicht der Gesamtablauf oder die Struktur dafür verantwortlich und nicht viele kleine Details.
In der Realität haben viele Projekte weder die Zeit noch das Budget oder die Ressourcen, um ein grosses Designproblem zu beheben - zumindest nicht in naher Zukunft. Lassen Sie also die kleinen Details im Bericht, aber erwähnen Sie auch die Ergebnisse zu grösseren, übergreifenden Problemen, damit diese nicht übersehen werden.
Helfen Sie dabei, Lösungen zu finden
In den meisten Teams ist es Aufgabe des Usability-Experten, die Probleme im Design zu erkennen; sie zu beheben obliegt den Designern und Entwicklern. Allerdings haben Usability-Fachleute oft eine einzigartige Kompetenz, über Designlösungen nachzudenken. Sie haben das Wissen aus erster Hand, was im Usability-Test funktioniert hat und was nicht und haben mitunter jahrelange Erfahrung im Verständnis, welche Design-Elemente gut funktionieren und welche nicht. Daher können sie Einblicke in potenzielle Designlösungen liefern.
Allerdings leidet ein Usability-Bericht, wenn der Fachmann seine Rolle nicht einhält. Die Ergebnisse sollten nicht auf ein ausgearbeitetes Modell hinauslaufen, dass das ganze Design neu aufrollt. Wenn eine neue Bauanleitung an die Stelle von anschaulichen Resultaten tritt, kann das im Team zu Ablehnung führen. Ein kleines Beispiel hier und da, um einen Punkt zu veranschaulichen, ist akzeptabel, aber eine völlig neue Designaufstellung kann das Team schnell vom Wert der Ergebnisse ablenken.
Arbeiten Sie eng mit dem Design- und Entwicklungsteam zusammen, anstatt nur einen Bericht abzuliefern und dann das Projekt sich selbst zu überlassen. Werden die Ergebnisse als Diskussion präsentiert, kann ein Usability-Experte, der die Probleme und Erfolge der Nutzer mit dem Design direkt beobachtet hat, geschulte Einblicke geben, welche Designlösungen zu den beobachteten Problemen passen. Setzen Sie Besprechungen an, und nehmen Sie auch daran teil, bei denen das Team entscheidet, wie die Probleme anzugehen sind, die im Test zu Tage kamen. Noch besser ist es, Teammitglieder einzuladen, den Usability-Sitzungen beizuwohnen und zwischen den Sitzungen Debriefings mit ihnen abzuhalten.
Eine andere Möglichkeit ist es, den Bericht um Redesign-Empfehlungen zu ergänzen. Solche Empfehlungen können dem Team helfen, die Probleme zu verstehen und über mögliche Lösungen nachzudenken. Sie können vorschlagen, einen Button zu versetzen oder eine Bezeichnung zu ändern, Kategorien zusammenzulegen oder deutlichere Linkbezeichnungen zu verwenden. Aber stellen Sie Empfehlungen auch als solche dar. Benennen Sie sie entsprechend und erläutern Sie dem Team schriftlich oder persönlich, dass diese Empfehlungen als Anregung gedacht sind, über Designlösungen nachzudenken und Usability-Probleme illustrieren sollen, nicht aber als einzige oder beste Lösungen zu verstehen sind. Ein kreativer Designer kann durchaus eine noch bessere Lösung finden.
Organisieren und klassifizieren Sie die Ergebnisse
Nicht jedes Problem, das im Usability-Test aufgedeckt wird, ist gleich wichtig. Des Weiteren kann ein Usability-Bericht 5 oder 100 Funde enthalten, abhängig vom Umfang der Studie, dem getesteten Design und dem Usability-Fachmann. Die Teams brauchen eine Strategie, um die Ergebnisse zu sichten und herauszufinden, 1) was jeweils für die Bildschirmseiten, Designs oder Elemente relevant ist, für die sie verantwortlich sind, und 2) welche Probleme aus Sicht der Usability die grössten sind.
Die Ergebnisse sollten mit ähnlichen Ergebnissen zusammen gruppiert werden, es kann also einen Abschnitt zu Problemen mit der Navigation geben oder jeweils einen zu bestimmten Seiten oder Arbeitsabläufen. Ausserdem sollten die Ergebnisse nach ihrer Bedeutung klassifiziert werden. War das Problem nur ein kleiner Schluckauf, der den Nutzer zum Stolpern brachte? War es ein Problem, das nur in zwei Sitzungen beobachtet wurde, aber das gesamte Nutzererlebnis der Probanden negativ beeinflusste? War es etwas so Grosses, dass das Produkt auf keinen Fall Erfolg haben kann, wenn das Problem nicht gelöst wird? Die Ergebnisse nach geringer, mittlerer und hoher Bedeutung einzustufen hilft dem Team dabei zu verstehen, welche kritischen Probleme die Studie aufgedeckt hat. Vergessen Sie nicht, auch positive Resultate einfliessen zu lassen, damit das Team weiss, was schon funktioniert.
Mit deskriptiven Berichten Mehrwert für die Zukunft ansammeln
Die Ratschläge in diesem Artikel bieten einen sofortigen Wert, indem sie die Chance vergrössern, dass die Usability-Ergebnisse in der aktuellen Designphase auch umgesetzt werden. Dies wiederum erhöht die Rentabilität der Investition des Unternehmens in die Usability, da das Produkt verbessert wird und somit höhere Konversionsraten, höhere Kundenzufriedenheit, weniger Fehler und andere messbare Vorteile erreicht werden. (Resultate, denen keine Taten folgen, generieren auch keinen Nutzen.)
Bessere Beschreibungen der Studienergebnisse bieten auch einen Mehrwert für die Zukunft, da das kumulative Wissen des Unternehmens über seine Kunden erweitert wird. Wenn Sie ein Archiv von Usability-Resultaten erstellen, können die Teams darauf zurückgreifen, wenn sie neue Designprojekte planen und durchführen. Es gibt dann keinen Grund mehr, den gleichen Designfehler ein zweites Mal zu machen.
© Deutsche Version von Jakob Nielsens Alertbox. Institut für Software-Ergonomie und Usability AG. Alle Rechte vorbehalten.
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