Zielgerichtete E-Mail-Newsletter zeigen weiterhin Stärke
E-Newsletter, die informativ und komfortabel sind und rechtzeitig eintreffen, werden gegenüber anderen Medien oft bevorzugt. Allerdings hat eine neue Studie gezeigt, dass nur 11% der Newsletter gründlich durchgelesen werden; Layout und Scannbarkeit des Inhalts sind also von allergrösster Bedeutung.
by Jakob Nielsen (deutsche Übersetzung) - 17.02.2004
E-Mail-Newsletter sind weiterhin einer der wichtigsten Wege im Internet, um mit Kunden zu kommunizieren. Newsletter bauen Beziehungen zu den Nutzern auf und bieten ausserdem einen zusätzlichen sozialen Nutzen, weil die Anwender die relevanten Newsletter an Freunde und Kollegen weiterleiten können. Trotzdem sind die Nutzer sehr kritisch gegenüber Newslettern, die ihre Zeit verschwenden, und ignorieren oder löschen oft Newsletter mit ungenügender Usability.
Nutzertests
Unsere letzte Untersuchung über Newsletter-Usability stammt aus dem Jahre 2002. Dies ist zeitlich sehr nah, wenn man bedenkt, dass sich das Nutzerverhalten von Jahr zu Jahr in der Regel nicht allzu sehr ändert. Normalerweise würde ich einen einzelnen Design-Bereich nicht so rasch erneut untersuchen, aber Newsletter sind aus verschiedenen Gründen anders als andere Medien. Erstens hat sich die Erfahrung der E-Mail-Nutzer tatsächlich substanziell geändert, vor allem was Spam betrifft. Zweitens wollten wir in der neuen Studie den Schwerpunkt mehr auf die Nutzererfahrungen beim Erhalten und Lesen der Newsletter legen; die erste Studie hat hauptsächlich die Usability beim Abonnieren, beim Abbestellen und bei der Verwaltung des Nutzer-Kontos getestet.
Wir haben die neue Studie mit Hilfe einer Tagebuchmethode von aussen angeleitet, was eine weite geographische Streuung der Teilnehmer erlaubt hat. Wir haben Teilnehmer in zwölf Staaten quer durch die USA getestet, daneben Nutzer in Australien, Hongkong, Japan, Schweden und Grossbritannien. Wir haben 101 der 345 Newsletter untersucht, welche die Teilnehmer bereits aus eigenem Antrieb abonniert hatten, indem wir in den meisten Fällen die Newsletter-Erfahrungen der Nutzer über eine vierwöchige Zeitspanne, in einigen Fällen über eine zweiwöchige Spanne getestet haben.
Dieser längerfristige Ansatz hat es erlaubt, mehr Betonung darauf zu legen, wie die Leute während ihres Arbeitstages mit Newslettern umgehen. Ausserdem wurde es dadurch möglich, viel mehr B2B- und Intranet-Newsletter zu testen als in der ersten Studie, bei der wir hauptsächlich B2C-Newsletter getestet haben. Von den Newslettern, die die Nutzer in unserer zweiten Studie erhalten haben, dienten 65% persönlichen Zwecken und 40% geschäftlichen Zwecken (die Nutzer haben 5% der Newsletter sowohl als persönlich als auch als geschäftlich bezeichnet, so dass wir diese zweimal gezählt haben).
Durch Kombination der Daten aus beiden Studien haben wir 127 Design-Richtlinien für E-Mail-Newsletter-Usability aufgestellt. Im Vergleich dazu hatten wir nach der ersten Studie 79 Richtlinien aufgestellt. Die alten Richtlinien sind weiterhin gültig: Alles in allem sind zwei Jahre eine kurze Zeit, und die Best Practices ändern sich nicht so schnell. Allerdings hat der Schwerpunkt der neuen Studie, der auf anderen Aspekten der Newsletter-Nutzererfahrungen lag, dazu geführt, dass wir 48 neue Richtlinien hinzufügen und einige der vorhandenen etwas verfeinern mussten.
Spam ist eine Tatsache im Leben
Obwohl es eine kleine gute Nachricht über den Einfluss von Spam auf E-Mail-Newsletter gibt, sind die meisten Nachrichten schlecht. Die gute Nachricht ist, dass die Nutzer in unserer jüngsten Studie, verglichen mit denen der früheren Studie, besser in der Lage waren, zwischen legitimen, selbst gewählten Newslettern und unerwünschten E-Mails zu unterscheiden. Spam hat jetzt einen sehr hohen Stellenwert bezüglich der öffentlichen Wahrnehmung, der Presse und der schieren Menge, mit welcher er in die Posteingänge drängt. Die Nutzer haben deshalb ein vernünftiges Verhältnis zu dem Phänomen entwickelt, anstatt einfach nur über die unerwarteten E-Mails verdutzt zu sein.
Die schlechte Nachricht ist, dass der zunehmende Spam die Leute noch gestresster und ungeduldiger gemacht hat, wenn sie ihren Posteingang bearbeiten. Die Nutzer haben weniger denn je Toleranz für Newsletter, die ihre Zeit verschwenden.
Wir haben auch herausgefunden, dass die Nutzer oft ihre Spam-Filter einsetzen, um Newsletter abzuwehren, die sie nicht länger haben wollen. Anstatt sie abzubestellen, was den Nutzern oft zu lästig vorkommt, sagen sie einfach ihrem Spam-Filter, dass der Newsletter Spam ist. Voilà: Der Newsletter erscheint nicht länger im Posteingang.
Die Tatsache, dass viele Nutzer einen Newsletter zu Spam erklären, wenn sie genug von ihm haben, hat eine schreckliche Tragweite: Legitime Newsletter können auf die schwarze Liste gesetzt werden, und die Internet-Provider könnten die Auslieferung an andere Abonnenten blockieren. Dies ist ein zwingender Grund, die Usability des Abbestellungsvorgangs zu verbessern: Besser, man verliert einen Abonnenten, als als Spam aufgelistet zu werden.
Die Scanbarkeit
In unserer Studie klagten die Nutzer am häufigsten über Newsletter, die sie zu oft erhalten. Und wenn wir sie gebeten haben Luft abzulassen, war der häufigste Ratschlag unserer Teilnehmer für die Newsletter-Herausgeber: "Fasse dich kurz".
Newsletter müssen so gestaltet sein, dass sie das Scannen erleichtern. In unserer ersten Untersuchung haben die Teilnehmer 23% der Newsletter gründlich durchgelesen. In unserer zweiten Studie, zwei Jahre später, wurden nur 11% der Newsletter durchgelesen. Der gesunkene Anteil durchgelesener Newsletter ist ein guter Indikator für die zunehmende Menge an E-Mails, die die Nutzer bearbeiten müssen.
Die überwiegende Weise, wie die Nutzer mit E-Mail-Newslettern umgehen, ist das Überfliegen: Mit 57% der Newsletter in unserer zweiten Studie ist das geschehen. Die verbleibenden Newsletter wurden entweder überhaupt nicht gelesen (22%) oder gespeichert, um sie später zu lesen (10%). Freilich werden viele Newsletter, die die Nutzer »speichern«, in Wirklichkeit nie gelesen: Wenn sie einmal aus dem sichtbaren Bereich des Posteingangs verschwunden sind, werden sie wohl nie wieder gesehen.
Manchmal überfliegen die Nutzer die Überschriften, um einen neuen Stand oder einen Überblick darüber zu gewinnen, was im Themenfeld des Newsletters vor sich geht. Wie einer der Nutzer sagte: "Ich möchte in der Branche auf dem Laufenden bleiben, mich aber nur selten mehr vertiefen als bis zur Frontseite." In anderen Fällen picken sich die Nutzer bewusst einige wenige Elemente heraus, die ihnen am wichtigsten vorkommen, und ignorieren den Rest. Wie ein anderer Nutzer sagte: "Ich gehe den Inhalt nach Firmen durch und lese nur über die Firmen, die mich interessieren."
Für Nutzer zu gestalten, die eher scannen als lesen, ist für Newsletter überlebenswichtig. Scannbarkeit ist auch für Websites wichtig, aber rund 50% wichtiger für Newsletter. Was kann man daraus folgern? Das Layout muss so gestaltet sein, dass die Nutzer den Inhalt jedes Artikels schnell begreifen und sich auf Spezifisches konzentrieren können. Inhalt und Schreibstil müssen den Nutzern weiterhelfen, die nur einen Teil des Materials lesen.
Die unmittelbare Nützlichkeit
Newsletter müssen aktuell und zeitgemäss sein, wie drei der vier Hauptgründe zeigen, welche die Nutzer dafür genannt haben, dass für sie ein bestimmter Newsletter der wertvollste war. Jeder der folgenden Gründe wurde von mehr als 40% der Nutzer genannt:
- Nachrichten und/oder Aktivitäten, die mit der Arbeit in der eigenen oder in anderen Firmen zu tun haben (von 2/3 der Nutzer genannt)
- Preise und Angebote
- Persönliche Interessen und Hobbys
- Veranstaltungen
Wie diese Liste zeigt, spielt die Frage "Was hast du in letzter Zeit für mich getan?" eine gewichtige Rolle. Newsletter müssen ihren Platz im Posteingang von Tag zu Tag aufs Neue rechtfertigen. Dass sie in der Vergangenheit einmal relevant waren, genügt nicht. Wegen der Unmittelbarkeit des Mediums müssen Newsletter heute relevant sein und die besonderen Bedürfnisse befriedigen, die der Nutzer im Moment hat.
Allerdings haben Newsletter doch etwas Spielraum dabei, weil sie Beziehungen zu den Lesern aufbauen und weil es so einfach für die Leser ist, einzelne Ausgaben zu ignorieren. Das Entscheidende für einen Newsletter ist, dass er bei bestimmten Gelegenheiten vorhersehbar relevant ist. In der Zeit, in der ein Newsletter für die Nutzer irrelevant ist, können sie ihn einfach ignorieren, ohne ihn abzubestellen.
Zum Beispiel hat eine Logopädin an einer Grundschule gesagt, dass sie nur am Ende des Schuljahres neue Produkte kaufen könne und deshalb im übrigen Jahr produktbezogene Newsletter ignoriere. Dennoch hat sie diese nicht abbestellt. Dadurch erhält sie die Newsletter auch dann noch, wenn ihr Budget da ist. Die Newsletter dann zu lesen, unterstütze sie beim Einkauf.
Die Zukunft der E-Newsletter
In unserem Newsletter-Bericht des Jahres 2002 habe ich zur Zukunft der E-Mail-Newsletter gesagt: "Vielleicht gibt es keine. Der legitime Gebrauch von E-Mails ist im Krieg mit dem Spam, und der Spam könnte gewinnen."
Obwohl zwei Jahre ein sehr kurzer Zeitraum sind, um grosse Trends auszumachen, glaube ich jetzt, dass diese Prognose zu negativ war. E-Mail-Newsletter sind so machtvoll, dass die besten doch eine Zukunft haben, ungeachtet anwachsender widriger Umstände.
Der stets steigende Informationsüberfluss lässt die Nutzer sicherlich zögern, ehe sie weitere E-Mails abonnieren. Und wenn die Newsletter im Posteingang des Nutzers liegen, können sie einfach im Zuge der morgendlichen Anti-Spam-Massenlöschaktion mitgelöscht werden. Schliesslich hält, wie oben gezeigt, die Angst vor Spam und sonstigem E-Mail-Missbrauch die Nutzer davon ab, rational mit Newsletter-Abonnements umzugehen.
Der Kampf ums Überleben im Posteingang könnte deshalb nur für die nützlichsten, am zielgerichtetsten Newsletter Platz lassen, während die anderen, weniger wertvollen im Staub versinken. Aber gute Newsletter haben eine Zukunft, weil sie Beziehungen mit den Nutzern etablieren und kontinuierlich Nutzen bringen.
Als wir die Nutzer gebeten haben, den Nutzen der E-Mail-Newsletter zu beschreiben, stachen drei Gründe heraus, von denen jeder von mehr als einem Drittel der Nutzer hervorgehoben wurde:
- Informativ: Sie halten die Nutzer auf dem Laufenden (von zwei Dritteln der Nutzer genannt).
- Komfortabel: Sie werden direkt in die Informationszentrale des Nutzers geliefert und erfordern keine weitere Tätigkeit als einen einfachen Klick.
- Zeitgemäss: Sie bieten aktuelle Informationen und Lieferung in Echtzeit.
Newsletter, die an diesen drei Hebeln ansetzen (und an anderen Punkten, die die Nutzer erwähnt haben), haben eine sichere Zukunft. Um zu überleben müssen Newsletter den Nutzern lediglich spezifischen Nutzen bringen, der ihnen im Leben und der Arbeit im Hier und Jetzt weiterhilft.
Zum Vergleich von E-Mail-Newslettern mit anderen Medien hat ein Nutzer gesagt: "Unterm Strich, ich hab’s lieber in einem E-Mail-Newsletter als in der normalen Post. Ich kann auf Entfernen klicken, wenn ich ihn nicht haben will; ich muss nichts wegwerfen; und es ist gewöhnlich leichter, ihn abzubestellen, wenn man ihn nicht mehr kriegen möchte." Regeln der Bequemlichkeit.
In der Tat, dies ist eine der wenigen Stellen, die wir gefunden haben, an der die virtuelle Welt besser und komfortabler ist als die physische Welt. Websites zum Beispiel haben normalerweise eine derart armselige Usability, dass sie beim Vergleich mit Geschäften in der wirklichen Welt oder mit persönlichen Dienstleistungen und Gemeinschaften sehr schlecht abschneiden. Im Gegensatz dazu sind E-Mail-Newsletter in einer sehr starken Position.
Um ihr Potenzial zu verwirklichen, müssen E-Mail-Newsletter sorgfältig zugeschnitten werden, nicht nur auf enge Leserschaftssegmente, sondern auch auf spezielle Probleme und Situationen, die im jeweiligen Segment vorkommen. Breit ausgelegte, plauderhafte oder abstrakte Informationen sind weniger gut für E-Mail-Newsletter geeignet.
Das Wall Street Journal hat neulich über die schlechten Aussichten eines Newsletters berichtet, der "auf Frauen zugeschnitten" war. Aber 50% der Bevölkerung sind nicht wirklich eine enge Zielgruppe, und abstrakte, nicht situationsspezifische Informationen profitieren nicht von den besonderen Eigenschaften der E-Mail. Nicht alle Medienformen sind für alle Zwecke geeignet. Das Internet ist noch nie ein Massenmedium gewesen; Newsletter passen sogar noch schlechter zu einem Massenpublikum. Aber sie glänzen bei eng zugeschnittenen Diensten, die ausserordentlich lukrativ sein können.
© Deutsche Version von Jakob Nielsens Alertbox. Institut für Software-Ergonomie und Usability AG. Alle Rechte vorbehalten.
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