Beim Gestalten einer geschäftlichen Website muss zuerst das Grundlegende stimmen

Klare Inhalte, einfache Bedienung und Antworten auf die Fragen der Kunden haben den grössten Einfluss auf die Wertschöpfung. Fortgeschrittene Technologie hat viel weniger Bedeutung.

by Jakob Nielsen (deutsche Übersetzung) – 20.03.2006

Hier sind die grössten Fälle von verlorener Wertschöpfung aus einigen unserer jüngsten Beratungsprojekte:

Die drei wichtigsten Dinge

Was war das gemeinsame Thema aller dieser geschäftsschädigenden Usability-Probleme? Alle haben mit einfachen Usability-Prinzipien zu tun, die schon seit zehn Jahren bekannt sind. Keins davon betrifft fortgeschrittene «Web 2.0»-Technologien; keins davon würde verschwinden, wenn man irgendein fantastisches Zeug implementiert, über das alle Welt gerade spricht.

In Wirklichkeit haben die grössten Designmängel, die Wertschöpfung zerstören, normalerweise mit folgenden Fragen zu tun:

Wenn diese drei Dinge stimmen, steigern Sie die Glaubwürdigkeit Ihrer Site, erleichtern Ihren Besuchern den Weg durch die Site und tun auf diese Weise viel mehr für Ihre Wertschöpfung als mit irgendeinem JavaScript-Trick.

Bessere Inhalte

Was zählt, sind die Inhalte. Das war vor zehn Jahren schon so und es ist heute genauso. Die Leute nutzen nichts, was sie nicht verstehen. Schreiben fürs Web wird nach wie vor zu gering bewertet und die meisten Sites verwenden zu wenige Ressourcen darauf, die Texte zu verfeinern, die sie ihren Nutzern anbieten.

Das gleiche gilt für Fotos: Auf zahllosen Sites sind die Produktfotos zu klein, zu unscharf oder zu dunkel, oder sie wurden aus einem schlechten Blickwinkel aufgenommen, wodurch die Produkte schwer zu erkennen sind. Die gleichen Sites verschwenden Pixel über Pixel an grosse glamouröse Illustrationen, die, wie unsere Eyetracking-Studien zeigen, gar keine Blicke abbekommen.

Im Allgemeinen brauchen Sie nur zwei Dinge: offene, ehrliche Worte und saubere Fotos. Dennoch werden diese beiden Design-Elemente in der Fachpresse so gut wie nie behandelt. Jeden Monat erscheint offenbar in einem führenden Organ ein neuer Artikel über drehbare 3D-Animationen, obwohl 3D in den meisten Fällen so gut wie nutzlos ist. Aber nie sieht man einen Artikel darüber, wie man bessere Headlines schreibt oder deutlichere Produktfotos macht.

Warum nutzloses, fantastisches Zeug beworben wird

Ich habe eine Erklärung dafür, warum die Diskussion zugunsten der Dinge verzerrt wird, die am wenigsten bringen: Man spricht genau deshalb darüber, weil es da um Technik geht.

Das soll nicht bedeuten, dass neue Techniken überhaupt keine Rolle spielen. Wir arbeiten zurzeit mit einer Firma, die eine extrem komplizierte Anwendung im Internet platzieren will. Das kriegt sie mit guter Usability alleine nicht hin; sie muss dazu auch etliche «Rich-UI»-Tricks einsetzen. Aber da geht es um eine Internet-Anwendung, und eine richtig grosse obendrein. Für 90% der Websites ist es wichtiger, sich auf eine klare Kommunikation zu konzentrieren – egal ob es E-Commerce-Sites, Unternehmensauftritte, amtliche oder gemeinnützige Websites sind.

Eliten-Erlebnis contra Nutzer-Erlebnis

Ein weiterer Grund, warum sich die Aufmerksamkeit auf Dinge richtet, die für die Masse der geschäftlichen Websites wenig Bedeutung haben: Die klatschende Klasse im Web hat den Hang, sich zu sehr für das Erlebnis der Internet-Elite zu interessieren. Diese Leute kümmern sich um das Internet um seiner selbst Willen und verblöden an neuen Arten, einen Stadtplan zu präsentieren. Im Gegensatz dazu wollen durchschnittliche Nutzer im Internet einfach nur bestimmte Aufgaben erledigen. Sie mögen das Web nicht bloss deshalb, weil es das Web ist und wollen eigentlich so schnell wie möglich zu ihrem Job oder zu ihrer Familie zurückkehren.

Die durch die Wall Street schillernde Internet-Blase 2.0 ist eine Sache. Aber ich habe die Sorge, dass auch die Internet-Profis einen gefährlichen Zug aus der Seifenblase nehmen und sich vormachen, dass ihre eigenen Präferenzen und Interessen repräsentativ seien für normale Kunden.

Eine der am härtesten erkämpften Usability-Lektionen ist diese: «Sie sind nicht der Nutzer.» Wenn Sie an einem Entwicklungsprojekt arbeiten, sind Sie per Definition untypisch. Sie müssen das Nutzererlebnis für Aussenstehende optimieren und nicht für Insider. Das Gegengift zum Seifenblasendampf sind Nutzertests: Finden Sie heraus, was repräsentative Nutzer benötigen. Liefern Sie das Grundlegende, das Ihre Kunden wertschätzen; das ist der Weg, um Wertschöpfung aufzubauen.

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