Laut Denken: das Usability-Werkzeug Nr. 1

Einfache Usability-Tests, bei denen die Nutzer laut denken, sind kostengünstig, robust, flexibel und leicht zu erlernen. Lautes Denken sollte das Werkzeug Nr. 1 in Ihrer UX-Toolbox sein, auch wenn es einige Risiken birgt und nicht alle Probleme löst.

by Jakob Nielsen (deutsche Übersetzung) – 16.01.2012

«Laut Denken ist möglicherweise die einzige wirklich wertvolle Methode, die Usability zu entwickeln.» Das habe ich 1993 in meinem Buch Usability Engineering geschrieben und ich stehe auch heute noch dazu. Die Tatsache, dass die gleiche Methode auch nach 19 Jahren noch die Nummer 1 ist, ist ein guter Indikator für die Langlebigkeit von Usability-Methoden.

Die Richtlinien für die Usability überdauern eine lange Zeit; Usability-Methoden halten noch länger. Das menschliche Verhalten verändert sich viel langsamer als die Technik, die wir alle so faszinierend finden und die besten Ansätze, dieses Verhalten zu studieren, verändern sich so gut wie gar nicht.

Definition von Laut-Denken-Tests

Um Laut Denken zu definieren, zitiere ich, was ich vor 19 Jahren gesagt habe:

DefinitionBei einem Laut-Denken-Test bitten Sie die Teilnehmer, ein System zu verwenden und währenddessen fortwährend laut zu denken – also einfach ihre Gedanken in Worte zu fassen, während sie sich durch die Nutzeroberfläche bewegen.

(«Einfach» sollte hier in Anführungsstrichen stehen, da es für die meisten Menschen nicht einfach ist, einen Monolog zu halten. Der Studienleiter muss normalerweise die Nutzer dazu ermuntern, immer weiter zu sprechen.)

Um eine einfache Usability-Studie mit lautem Denken durchzuführen, müssen Sie nur drei Dinge tun:

  1. Rekrutieren Sie repräsentative Nutzer.
  2. Geben Sie ihnen repräsentative Aufgaben, die sie durchführen sollen.
  3. Seien Sie still und lassen Sie die Nutzer reden.

Vorteile der Laut-Denken-Methode

Die Methode hat eine Fülle an Vorteilen. Der wichtigste ist, sie öffnet ein Fenster zur Seele und offenbart Ihnen, was die Nutzer wirklich über Ihr Design denken. Vor allem werden Sie Zeuge ihrer Missverständnisse, was sich meistens in direkt umsetzbare Redesign-Empfehlungen verwandeln lässt: Wenn die Nutzer Designelemente missverstehen, müssen Sie sie ändern. Besser noch, Sie erfahren meist, warum sich die Nutzer unter einigen Teilen der Nutzeroberfläche etwas anderes vorstellen und warum sie andere leicht zu benutzen finden.

Die Laut-Denken-Methode bietet noch weitere Vorteile, denn sie ist

Nachteile der Laut-Denken-Methode

Niedriger Preis und Robustheit sind deutliche Vorteile von qualitativen Methoden wie der Laut-Denken-Methode. Aber die Kehrseite ist, dass sich diese Methoden nicht eignen, detaillierte Statistiken zu ermitteln, es sei denn, Sie führen eine gigantische und teure Studie durch. Das können Sie natürlich machen, ich empfehle es aber nicht für die Mehrzahl der Projekte. Sparen Sie lieber Ihr Budget und investieren Sie in iteratives Design.

Andere Probleme sind

Lassen Sie sich von den Nachteilen nicht entmutigen. Wenn Sie es noch nie vorher ausprobiert haben, führen Sie eine schnelle Laut-Denken-Studie an Ihrem aktuellen Design-Projekt durch. Da diese vereinfachten Studien so kostengünstig sind, sind sogar wöchentliche Nutzertests machbar – wenn Sie also jetzt ein paar Fehler machen, können Sie sie in der nächsten Woche wieder korrigieren.

© Deutsche Version von Jakob Nielsens Alertbox. Institut für Software-Ergonomie und Usability AG. Alle Rechte vorbehalten