Low-End Medien für User Empowerment

Übertriebene Medieneinsätze fallen bei Anwendertests typischerweise durch. Einfacher Text und klare Fotos treten nicht nur besser mit dem Anwender in Verbindung, sie steigern auch das Gefühl der Steuerbarkeit und stützen folglich die Mission des Webs als ein Umfeld unmittelbarer Zufriedenstellung.

by Jakob Nielsen (deutsche Übersetzung) – 21.04.2003

Praktisch jede Web-Usability Studie, die wir durchgeführt haben belegt, dass Low-End Medieneinsätze den High-End Medieneinsätzen überlegen sind. Sogar die wenigen Ausnahmen bestätigen das Phänomen der Überlegenheit von Low-End Medien: Die Anwender möchten die Kontrolle über das System haben.

Low-End Medien funktionieren in den meisten Situationen besser. Zum Beispiel:

Über die High-End Webcasts hatten die Nutzer unserer Investor Relations Studie Folgendes zu sagen:

«Ich nehme nie an Telefonkonferenzen teil, weil sie zu lang dauern. Ich möchte die Zeit dafür nicht aufbringen. Ich bevorzuge es, die Veröffentlichungen der Presse zu überfliegen, um zu sehen was mich interessiert und was nicht.»

«Ich würde keinem Webcast zuhören und auch nicht irgendwelchen anderen Audio-Online-Angeboten. Es ist frustrierend. Die Anwender verkrampfen sich und der Ton ist nicht gut. Ich würde es bevorzugen, die Informationen einem Artikel zu entnehmen… Webcasts sind enttäuschend und Downloads brauchen ewig lange.»

«Webcasts zuhören, ich glaube nicht, dass ich das tun würde. Ich habe es getan, aber es ist nicht etwas, das ich regelmässig tun würde… nur, wenn es interessant wäre. Wenn es mit einem technischen Durchbruch zu tun hätte – nicht mit einem Quartalsabschluss. Wenn es etwas mit Innovativem zu tun hätte.»

Warum Einfachheit gewinnt

Es sind nur einige wenige technische Hindernisse, die sich verschwören, um komplexe Medien für die Anwender weniger ansprechend zu machen.

Diese technischen Probleme werden mit der Zeit verschwinden. Innerhalb von 10 Jahren werden die meisten Anwender hoffentlich über einen Breitband-Anschluss verfügen und die Schnittstellen-Standards für Website werden sich soweit stabilisiert haben, dass fortgeschrittene Features einfacher zu nutzen sind.

Low-End Medien bleiben aber wegen eines grundlegenden Faktors bevorzugt: Sie lassen die Anwender ihre Erfahrungen steuern. Das Web besteht, um eine sofortige Befriedigung zur Verfügung zu stellen. Die Anwender legen ihre Hand auf die Maus und entscheiden, wohin sie gehen. Je einfacher es für die Anwender ist, genau das zu bekommen, was sie möchten, umso zufriedener werden sie sein.

Low-End Medien geben den Anwendern über folgende 3 Schlüssel-Prozesse die Kontrolle: wie sie lesen, wie einfach sie relevante Informationen finden und wie einfach sie Informationen herstellen können.

High-End Media führt häufig dazu, dass die Nutzer unter dem Material, welches die Designer zur Schau stellen möchten leiden, anstatt sie direkt zum Material zu führen, für das sie auf die Site gekommen sind. Das widerspricht der Bewegungsfreiheit, welche eine gute «User Experience» auf dem Web auszeichnet.

Anstatt die Nutzer mit übertriebener Media beherrschen zu wollen, sollte man sie mit einfachen Medienmitteln dazu ermächtigen, die Kontrolle zu haben und ihre Bedürfnisse unmittelbar erfüllen zu können.

Warum komplexe Medien auf Websites erscheinen

Low-End Medien sind in den meisten Fällen am besten und sind fast immer günstiger zu implementieren als High-End Medien. Warum verwenden denn so viele Websites unpassende aufwendige Medien?

Kein Verkäufer wird Web-Manager damit belästigen, Geld zu sparen, indem sie nur wenig für gute Fotos und ein paar wenige Seiten mit gut ausformuliertem Inhalt ausgeben. Fotografen und Texter könnten die Einfachheit befürworten, doch sie sind normalerweise weniger gut organisiert und weniger einflussreich als die grossen Hersteller und Agenturen.

Ausnahmen: Newsletter und Internet-Anwendungen

Low-End Medien bieten nicht immer die höchste Usability an, auch wenn Ausnahmen die Regel bestätigen.

E-Mail-Newsletter sind die erste Ausnahme. Beim Testen einer breiten Palette von Newsletter haben wir herausgefunden, dass HTML-Newsletter besser sind, als reine textbasierte Newsletter. Obwohl ich immer noch empfehle, eine ASCII-Version für Anwender mit geringen Bandbreiten oder für Anwender, die Low-End Newsletter bevorzugen anzubieten, bevorzugen die meisten Anwender HTML. Der Grund? Ein erweitertes Layout macht es leichter, die Artikel zu überfliegen und einige wenige Bilder können den kommunikativen Wert des Newsletters erhöhen.

Internetanwendungen sind eine andere Ausnahme. Die Usability wird erhöht, wenn ein mit vielen Features ausgestattetes System grafische Nutzerschnittstellen besitzt, die im allgemeinen besser sind, als die plumpen, «page-by-page»-Präsentationen, welche die traditionellen HTML-Seiten anbieten.

Beide dieser gegenteiligen Beispiele bestätigen meine Hauptgrundregel: Es ist am besten, den Anwendern eine granulierte Kontrolle über Ihre Erfahrung zu geben.

Privat Musik und Videos herunter zu laden ist eine andere offensichtliche Ausnahme (wie auch die entsprechenden legalen Dienste), aber diese Internet-Services sind keine Websites. Das gleiche zählt übrigens auch für E-Mail und Internet-Anwendungen. Es ist wichtig, sich daran zu erinnern, dass das Web und das Internet unterschiedliche Konzepte sind.

Für aktuelle Websites haben wir während unserer Usability-Tests eine Ausnahme gefunden; sie bezieht sich auf den Gebrauch des Webs durch Kinder. Im Gegensatz zu Diensten für Erwachsene, profitiert eine spezielle «Kinderecke» auf einer Website von zusätzlichen Soundeffekten und Animationen.

Für Erwachsene ist die Lösung jedoch vollkommen klar: eine Website ermächtigt die Anwender, wenn sie Inhalt in Form von Low-End Media liefert, die einfach «überfliegbar» ist und die Fragen, welche die Anwender möglicherweise haben, einfach beantwortet. Heben Sie sich die High-End Media für die seltenen Fälle auf, in denen sie wirklich einen Mehrwert bringen indem sie etwas zeigen, was sonst nicht darzustellen wäre.

© Deutsche Version von Jakob Nielsens Alertbox. Institut für Software-Ergonomie und Usability AG. Alle Rechte vorbehalten.