Mehrdeutige oder generische Befehle

Ähnliche Befehle mit unterschiedlichen Resultaten zu verknüpfen, kann mitunter verwirrend sein. Denselben Befehl für mehrere Vorgänge zu verwenden, erhöht die Usability, wenn die Ergebnisse vom Konzept her gleich sind.

by Jakob Nielsen (deutsche Übersetzung) – 19.12.2011

Um die Komplexität von Interaktionsdesigns zu handhaben, kann es sinnvoll sein, Befehlen mehrere Bedeutungen zu geben. Man kann dies auf zwei Arten tun, mit unterschiedlichen Implikationen für die Usability:

Ich bin bereits in einem früheren Artikel ausführlich auf generische Befehle eingegangen. Heutzutage ist der bekannteste generische Befehl der Zangengriff-Zoom, der bei den meisten Touchscreen-Nutzeroberflächen funktioniert. Tatsächlich ist dieser Befehl so allgegenwärtig, dass die Nutzer erwarten, dass er überall funktioniert und tief enttäuscht sind, wenn sie auf eine Anwendung stossen, bei der es nicht klappt. Die «Zange» zu öffnen vergrössert manchmal Texte und manchmal Bilder. Die Nutzer scheren sich nicht um die Unterschiede; sie verlassen sich einfach auf die Geste als einen generischen Befehl, wenn sie auf etwas stossen, das zu klein ist und das sie grösser haben wollen.

Generische Befehle verbessern die Usability, weil die Nutzer nur eine Sache lernen müssen und diese dann vielfach einsetzen können. Wie auch in unserem Trainingskurs The Human Mind and Usability: How Your Customers Think behandelt wird, verbessert sich das Gedächtnis durch wiederholtes Abrufen; also kann man sagen, dass die Nutzer den Befehl umso besser lernen, je öfter sie ihn einsetzen können.

Mehrdeutige Befehle sind oft verwirrend

Man könnte denken, dass die mehrdeutigen Befehle genauso gut sind. Mit dem gleichen Befehl unterschiedliche (aber immerhin ähnliche) Ergebnisse zu erzielen, klingt auch nach einer guten Idee.

In der Praxis dagegen verwirren die mehrdeutigen Befehle die Nutzer oft:

Ein klassisches Beispiel für mehrdeutige Befehle sind Websites mit unterschiedlichen Suchfeldern. Ich habe aufgehört zu zählen, wie oft die Nutzer auf einer solchen Website einen Suchbegriff ins falsche Suchfeld getippt haben. (Es gibt jedoch eine Ausnahme zur Richtlinie, unterschiedliche Suchfelder zu vermeiden: Das sind Personensuchen in Intranets.)

Bei unserem kürzlich durchgeführten Nutzertest mit dem Kindle Fire haben wir mehrere Beispiele von verwirrend mehrdeutigen Befehlen gesehen. Zum Beispiel verfügt die App der Zeitschrift Condé Nast über eine «Home»-Schaltfläche oben am Bildschirm, die die Nutzer zu einer Liste anderer Magazine führt, und eine «Home»-Schaltfläche, die die Nutzer zum Startbildschirm des Kindle Fire führt:


Zwei «Home»-Buttons in der Condé-Nast-App für den Kindle Fire

Die beiden Schaltflächen haben unterschiedliche Icons und tauchen an unterschiedlichen Stellen auf, aber sind dennoch verwirrend.

Noch schlimmer ist es beim «Zurück»-Button, die viele verschiedene Interpretationen innerhalb der Kindle Fire Apps zulässt:

Seit zehn Jahren ist es eine der primären Richtlinien für Startseiten-Usability, nur eine einzige Seite als Startseite für jede Website zu definieren. Die Nutzer sind verwirrt, wenn mehrere Seiten mit «Home» benannt sind. Die Hauptseite für einen untergeordneten Bereich sollte anders genannt werden, zum Beispiel «Dingsbums-Hauptseite», «Dingsbums-Überblick» oder – wenn es unbedingt sein muss – «Dingsbums-Home» (innerhalb der Abteilung «Dingsbums»).

Bei mobilen Anwendungen ist es eine gute Idee, wenn man eine «App-Startseite» hat, zu der die Nutzer wie in einen sicheren Hafen zurückkehren können, wenn sie die App durchforscht haben. Das ist besonders wichtig bei inhaltsreichen Apps wie denen von Zeitungen und Zeitschriften. So verwendet, fungiert die «Home»-Schaltfläche als generischer Befehl: Vom Konzept her funktioniert sie immer gleich, auch wenn sie die Nutzer unterschiedlicher Apps an unterschiedliche Orte bringt.

Im Gegensatz dazu verwirrt es nur, innerhalb einer Website oder App mehrere verschiedene «Homes» (Startseiten) anzubieten, wodurch der Befehl «Home» mehrdeutig wird.

Ein letztes Beispiel für Risiken, die bei der Verwendung mehrdeutiger Befehle entstehen können, ist die Mehrdeutigkeit des Wisch-Befehls, die wir bei den Nutzertests zum iPad feststellten. Wenn der gleiche Befehl (hier die Wisch-Geste) zu unterschiedlichen Ergebnissen führt, je nachdem, wo und wie der Nutzer «wischt», ist Verwirrung vorprogrammiert, es sei denn, die Abgrenzungen sind klarer zu erkennen als bei den Apps, die wir getestet haben.

Effektives Befehls-Recycling

Wie diese Beispiele zeigen, kann es schwierig sein zu entscheiden, ob die Wiederverwendung eines Befehls nun generischer Natur ist (also üblicherweise gut) oder mehrdeutig (also nicht gut). Dabei gibt es zwei Kriterien, die bei der Entscheidung helfen:

Beide Kriterien sind abhängig davon, wie die Nutzer die Nutzeroberfläche interpretieren. Woher kann man wissen, was sie denken? Nun ja, Sie könnten es für sich selbst analysieren und versuchen, die Stärke der Ähnlichkeiten und Unterschiede zu bewerten. Aber empirische Tests sind sicherer.

© Deutsche Version von Jakob Nielsens Alertbox. Institut für Software-Ergonomie und Usability AG. Alle Rechte vorbehalten.