Mobile Inhalte: im Zweifelsfall lieber weglassen

Texte für mobile Leser zu schreiben erfordert noch strengeres Kürzen als das Schreiben für das Internet. Wer unterwegs ist, hat weniger Geduld mit Füllwörtern.

by Jakob Nielsen (deutsche Übersetzung) – 10.10.2011

Unsere kürzlich durchgeführte Studie zur Frage, wie die Nutzer auf mobilen Geräten lesen, hat eine Art Paradoxon aufgedeckt:

Wie kann es sein, dass die Menschen sich die Zeit vertreiben wollen und zugleich ärgerlich werden, wenn sie Zeit verlieren? Ein Rätsel, dass gelöst werden will.

Um das Problem zu lösen, muss man erkennen, dass auch Entspannung ein zielgerichtetes Verhalten ist: Nach der Theorie der Informationsfuttersuche versuchen die Nutzer, ihr Kosten-Nutzen-Verhältnis zu maximieren. Das heisst, die Leute wollen mehr Spannung und weniger Interaktionsaufwand.

Leider sind die Interaktionskosten bei mobilen Geräten von Natur aus höher, weshalb wir unsere mobilen Inhalte viel stärker konzentrieren müssen als die Inhalte von Websites für Desktop-Computer. Hier ein typisches Beispiel aus einer unserer kürzlichen Studien:

Die CNN-News-App, wie sie auf dem Mobiltelefon eines Teilnehmers der Studie dargestellt wird.

(Das oben gezeigte Bild ist ein Ausschnitt einer Videoaufzeichnung unserer Usability-Studie. Normalerweise verwenden wir Bildschirmausdrucke, die direkt von einer Internetseite oder App gemacht wurden, aber in diesem Fall war der Artikel bereits aus der App verschwunden, als wir die Studie beendeten. Deshalb dienen uns Videoaufzeichnungen mit hoher Qualität als Backup. Allerdings ist diese Methode bei Studien zu mobilen Geräten auch etwas kniffliger als bei traditionellen PC-basierten Nutzertests. Mehr zu diesem Problem in unserem Seminar: Mobile Usability-Methoden: Wie Sie Ihre eigenen mobilen Nutzerstudien durchführen.)

Füllstoff ist schlecht

Beim Lesen der oben gezeigten Eilmeldung über einen Tornado sah eine Testnutzerin die Kommentare von betroffenen Anwohnern und sagte dazu: «Ich muss nicht wissen, was jeder hier zu sagen hat und wie sie das Ereignis erlebt haben. Ich habe nichts gegen ein Zitat eines Lokalpolitikers, aber für mich ist das alles Füllstoff und ich würde es nicht lesen.»

Sie sagte weiter: «Das soll eine Eilmeldung sein? Das ist zu viel. Es sollte so sein: Das und das ist passiert, das und das geht gerade vor.»

Mehrere andere Testnutzer merkten an, dass sie auf ihren Mobiltelefonen nicht die ganzen Nachrichten lesen wollen – vor allem keine Füllinhalte. Die Nutzer wollten sich nicht mit zusätzlichem, aber sekundärem Kram herumschlagen, schon gar nicht bei mobilen Apps, die für den schnellen Konsum von Informationen gedacht sind. Sie wollen nur die wichtigsten Punkte sehen.

Jetzt könnte man fragen, warum die Nutzer dann nicht einfach aufhören zu lesen, sobald sie die Informationen bekommen haben, die sie zu einem bestimmten Thema haben wollten. Natürlich hören die Nutzer auf zu lesen und verlassen die Websites schnell wieder. Aber sie fühlen sich auch vom Text angezogen und überfliegen oft mehr Inhalte, als sie eigentlich wollen. Und danach fühlen sie sich betrogen, weil sie nicht genug Resultate für ihre kostbare Zeit bekommen haben.

Zwei Lösungen:

Wenn Sie für die Nutzer mobiler Geräte schreiben, sollte dies Ihre Maxime sein: Im Zweifel lieber weglassen.

© Deutsche Version von Jakob Nielsens Alertbox. Institut für Software-Ergonomie und Usability AG. Alle Rechte vorbehalten.