Nutzerfreundlicher Zugriff von mehreren Standorten

Etwa die Hälfte aller Internetnutzer greift heute von mehreren Orten auf das Internet zu. Trotz der Auswirkungen, die diese Tatsache auf das Design hat, gehen viele Systeme immer noch davon aus, dass Internetnutzer immer vom selben Computer aus arbeiten.

by Jakob Nielsen (deutsche Übersetzung) – 26.05.2002

Tief vergraben in einem aktuellen Bericht des US-Handelsministeriums findet sich eine interessante Angabe mit tiefgreifenden Auswirkungen für die Zukunft des Internets: Im September 2001 griffen 45% der US-Internetnutzer sowohl von zu Hause aus als auch von ausserhalb (meist vom Arbeitsplatz) auf das Internet zu. 1998 hatten vergleichsweise erst 20% der Internetnutzer von mehr als einem Standort Zugriff aufs Netz.

In nur drei Jahren hat sich die Internetnutzung radikal verändert – von einer hauptsächlich von einem Ort aus betriebenen Aktivität zu einer Aktivität, die fast die Hälfte aller Nutzer von mehreren Orten aus betreibt. Wenn man bedenkt, dass die Erhebungsdaten schon fast sechs Monate alt sind, würde es mich nicht überraschen, wenn der Prozentsatz der Internetnutzer, die von mehreren Orten aus online gehen, inzwischen die 50%-Marke erreicht hätte.

Das eine zum anderen bringen

Ich kenne Leute, die ihre Büro- und Heim-PCs synchronisieren, indem sie sich ein Kästchen an den Gürtel klemmen, das sie hin- und herschleppen. Das Kästchen kann zwar Palm Pilot heissen, ist aber trotz seines hochtrabenden Namens ein fast vorsintflutliches Gerät der modernen Technologie.

Sowohl mein Blackberry-PDA als auch meine Workstation sind mit «Always-on»- Internetverbindungen ausgestattet. Warum also kann ich die Adressbücher und Kalender nur synchronisieren, wenn ich den Blackberry in eine primitive Dockingstation stecke? Warum werden die Updates zwischen den Maschinen nicht automatisch gesendet, wenn das Netzwerk freie Kapazitäten hat?

Multi-Computer Nutzungsschnittstellen erfordern eine nahtlose und unsichtbare Koordination der Geräte. Wenn die Nutzer von sich aus aktiv werden müssen, wird es immer wieder zu Situationen kommen, in denen sie dies vergessen und die daraus resultierende unzureichende Synchronisation zu eigenartigen Vorkommnissen im ganzen System führt.

Das Netzwerk ist die Erfahrung des Anwenders und deshalb sollten wir beginnen, individuelle Komponenten zu entwickeln, die in dieses grössere Ganze hineinpassen. Derzeit wird es jedes Mal als grosse Überraschung empfunden, wenn ein Technologieelement – sei es Hardware, Software, eine Website oder ein Intranetdienst – mit mehr als einem anderen Element zusammenarbeiten muss.

Designauswirkungen

Der signifikante Anstieg der Zahl der Nutzer, die von mehreren Orten aus auf das Internet zugreifen, stellt grundsätzliche Herausforderungen an das Systemdesign:

Mehr Nutzer = Erhöhter Usability-Bedarf

Eine weitere interessante Information aus dem Bericht des US-Handelsministeriums: Im September 2001 nutzten geschätzte 54% der US-Bevölkerung das Internet. Dies ist ein drastischer Anstieg gegenüber den 33% von drei Jahren zuvor.

Inzwischen ist die Hälfte der US-Bürger online und andere reiche Länder verzeichnen ähnliche Statistiken. Natürlich liegt der Tag, an dem alle Menschen online sein werden, noch in weiter Ferne und wir stehen weiterhin vor dem Problem des langsameren Wachstums in ärmeren Ländern.

Im Grunde ist heute die gesamte Elite online: Das Internet wird inzwischen von fast allen Meinungsführern, Technologiebegeisterten und Hochgebildeten verwendet. Im nächsten Jahrzehnt werden wir uns der Usability-Herausforderung stellen müssen, das Internet so nutzerfreundlich zu machen, dass es auch für die andere Hälfte der Bevölkerung attraktiv wird. Etwas für einen Hochschulabsolventen einfach zu machen, ist ein Kinderspiel im Vergleich dazu, es für jemanden einfach zu machen, der die Schule abgebrochen hat – aber das ist sowohl unsere Herausforderung als auch unsere Chance in der vor uns liegenden Zeit.

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