Scrollen und Scrollbalken

Obwohl die damit verbundenen Risiken wohlbekannt sind, trifft man auf Websites immer noch schlecht gestaltete Scrollbalken an. Die Probleme, die sich deswegen ergeben, reichen von frustrierten Usern über Schwierigkeiten beim uneingeschränkten Zugang (Accessibility) bis hin zu übersehenem Inhalt.

by Jakob Nielsen (deutsche Übersetzung) – 11.07.2005

Es gibt fünf grundsätzlich Usability-Richtlinien fürs Scrollen und für Scrollbalken:

Obwohl horizontales Srollen bereits 2002 zu den zehn häufigsten Webdesign-Fehlern des Jahres zählte, treffe ich dieses Übel heute immer noch an. Es lohnt sich also, erneut davor zu warnen.

Häufige Probleme

Aus Nutzertests wissen wir, dass die Leute horizontales Scrollen hassen und sich immer negativ äussern, wenn sie das antreffen. Die Kundenzufriedenheit alleine ist sicherlich schon Grund genug, auf vertikales Scrollen zu verzichten. Doch es gibt noch zwei weitere Gründe:

In jedem Fall aber sollte die zentrale Information im oberen Bereich ohne Scrollen zu sehen sein, da Scrollen Probleme bei der Accessibility verursachen kann.

Auch wenn die meisten Kinder keine Accessibility-Probleme im traditionellen Sinn haben, so senkt Scrollen doch häufig die Usability für Kinder, da diese in der Regel unmittelbarer als Erwachsene sind und aufgrund dessen handeln, was sie sehen. Für Teenager ist Scrollen weniger problematisch als für Kinder, doch auch sie ziehen Websites mit weniger Scrollaufwand vor.

Die besten Scrollbalken halten sich ans Standard GUI Design

Die wichtigste Guideline für das Erscheinungsbild eines Scrollbalkens ist einfach: Nutzen Sie den Standard-Scrollbalken der Plattform – das ist das, was die Anwender erwarten. Wenn Sie für Windows designen, verwenden Sie das entsprechende Design von Microsoft. Wenn Sie für Mac designen, dann nehmen Sie das Design von Apple. Wenn Sie Flash nutzen, bedienen Sie sich der standardmässig vorhandenen GUI-Elemente.

Mit speziell entworfenen Scrollbalken wird man sehr wahrscheinlich Usability-Probleme hervorrufen. In unseren Nutzertests mit Flash-Usability verwendeten die Leute die selbst gemachten Scrolldesigns meist gar nicht. Im Folgenden drei Beispiele:

Scrollbalken, die nicht funktionierten

Das Beispiel ganz links zeigt ein Tool zum erstellen eines Avatars. Wie sich herausstellte, konnten einige Nutzer ihren virtuellen Charakter nicht konfigurieren, weil sie nicht bemerkten, dass die verschiedenen Optionen für Kleidung, Haare, Farbe usw. durch Klicken auf die kleinen Dreiecke links und rechts der Bilder geändert werden.

Beim Produktkonfigurator in der Mitte übersahen einige Nutzer die Scrollbalken aufgrund ihrer rechwinkligen Form, die sich optisch stark an die Farbquadrate anlehnen. Die Lösungen, die die Anwender wählten, beschränkten sich daher auf die paar Farben, die sichtbar waren. Damit waren die Produkte auch nicht so ansprechend, wie sie es mit der vollen Farbauswahl gewesen wären.

In der interaktiven Karte rechts bemerkten die meisten Nutzer den Scrollbalken nicht, weil er aussah wie ein Nord-Süd Richtungsanzeiger auf der Karte. Weitere Probleme sind hier z.B. auch: Der Scrollbalken lag ausserhalb des Bereichs, für den er eigentlich dient; der obere und der untere Knopf sehen aus wie Kompassnadeln; zudem fehlt im Scrollbar ein Schieber.

Vergleichen Sie die missratenen Scrollbalken mit den folgenden funktionierenden Beispielen, die ebenfalls handgemacht sind:

Scrollbalken, die funktionierten

In diesen drei Beispielen für gutes Design bemerkten die Nutzer die Scrollbars jeweils sofort und nutzten sie auch ohne Probleme. Durch einen Vergleich dieser paar Beispiele hier sowie einiger anderer Designs, die wir bereits getestet haben, bestimmten wir vier Anforderungen an einen guten Scrollbalken:

Scrollbalken gut zu gestalten ist eigentlich ganz leicht. Es ist sogar so, dass der Balken umso besser ist, je weniger Arbeit man darin investiert. Die Usability ist beinahe immer höher, wenn man den im System vorhandenen Scrollbalken nutzt und keinen eigenen entwirft.

Wenn Sie trotzdem eigene Scrollbalken entwerfen müssen, dann halten Sie sich so nahe wie möglich an die Erwartungen der Anwender. Denn: Wenn Ihre Scrollbalken nicht wie solche aussehen, werden die Anwender sie möglicherweise nicht erkennen. Wenn Ihre Scrollbalken sich nicht wie solche verhalten, werden die Anwender Mühe haben, sich den gewünschten Inhalt anzeigen zu lassen. In beiden Fällen sind Ihre Kunden an genau die Informationen gebunden, die sie ohne Scrollen wahrnehmen – und es kann sehr leicht passieren, dass sie sich nie das ganze Angebot durchlesen können.

Zweifellos erreicht man durch das Einhalten der Usability-Richtlinien für Scrollbalken noch mehr bei vielen anderen Richtlinien.

© Deutsche Version von Jakob Nielsens Alertbox. Institut für Software-Ergonomie und Usability AG. Alle Rechte vorbehalten.