Es ist an der Zeit, Technik zum Laufen zu bringen

Die IT-Industrie reift. Es bleibt zu hoffen, dass diese Reife zu einer langsameren Einführung neuer Features führt. Dies wiederum würde es den Firmen ermöglichen, ihre Aufmerksamkeit und Ressourcen darauf zu fokussieren, die bereits vorhandene Technologie für die Nutzer zu optimieren.

by Jakob Nielsen (deutsche Übersetzung) – 15.09.2003

Die Informationstechnologie reift – eine Tatsache, die in Silicon Valley viel Kopfzerbrechen auslöst. Da sich die Gewinnspannen sowohl für Hardware als auch für Software verkleinern, sind die Firmen eher bereit, ihre Software-Entwicklung in Billigproduktionsländer zu verlagern. Wegen der schlechten Usability-Praxis in den Offshore-Ländern führt dies aber zu einigen Bedenken.

Such decisions may improve an IT company’s financial position, but they are unlikely to reduce IT customer unrest. The world’s CIOs are tired of paying for enterprise software that is so complicated to implement and maintain that the total cost far exceeds the potential savings. And the world’s CEOs are tired of constantly funding new technology purchases – instead of IT departments focusing on improving  worker productivity  and making existing features work.

Die IT zum Laufen bringen

Dieses Jahr berichtete das Harvard Business Review voller Stolz: «IT spielt keine Rolle» für die Wettbewerbsfähigkeit einer Firma. Es ist zweifellos zutreffend, dass Investitionen in Computertechnologie in der Vergangenheit negativ mit der Rentabilität korrelierten, und dass wir während vieler Jahre sowohl in den USA als auch in anderen Ländern ein verringertes Produktivitätswachstum hatten. Der Hauptgrund war in beiden Fällen eine übermässig schnelle Einführung neuer Technologie, welche für Menschen ungeeignet war.

In letzter Zeit haben sich Investitionen in neue Technologien verlangsamt und die Produktivität begann zu schwanken, weil Firmen sich darauf konzentrierten, vorhandene Technologie zum Laufen zu bringen, anstatt den letzten Trends nachzujagen.

Meine kurze Wunschliste, um die Technologie zum Laufen zu bringen:

Jedes dieser Kriterien erfordert Heerscharen von Programmierern für die Implementierung. Schön. Das Resultat wird aber für die Kunden weit nützlicher sein, als wenn die gleichen Ressourcen für die Implementierung neuer Features verwendet werden, welche die Anwender normalerweise gar nicht benötigen.

Innovation ist hier gefordert

Genau so wie Francis Fukuyama falsch lag, «das Ende der Geschichte» vorauszusagen, wäre es falsch, das Ende der IT-Innovation vorherzusagen. Wir brauchen immer noch neue Features; aber hoffentlich tauchen sie langsamer auf als in der Vergangenheit und werden zudem solider entworfen und implementiert, bevor sie veröffentlicht werden.

Am wichtigsten ist, dass die Entwickler realisieren müssen, dass dem gegenwärtigen PC-Paradigma das Ende naht.

Microsofts bevorstehendes «Attentional User Interface«sollte bereits viele dieser Änderungen unterstützen. Leider ist es aber nicht wahrscheinlich, dass der Wechsel von GUI zu AUI in nächster Zeit geschehen wird, besonders weil Microsoft dafür bekannt ist, zur Version 3 zu kommen, bevor ein neues Produkt funktioniert.

Web Browsers: Der Weg in die Zukunft

Web Browsing braucht dringend Verbesserungen. Ich habe lange vorausgesagt, dass der Internet Explorer 8.0 der erste gute Web Browser sein würde, und es ist zweifellos möglich, dass Microsofts versprochenes Such-Tool die lang erwartete Integration zwischen Websuche und kundenseitiger Navigation ermöglicht. Zum Beispiel brauchen die Nutzer eine Möglichkeit, den Bereich einer Suche so einzuschränken, dass nur «Seiten, die ich schon gesehen habe» oder «Websites, die ich schon besucht habe» berücksichtigt werden.

Ebenso braucht es Navigations-Links, welche die Relevanz der gewünschten Seite für die gegenwärtige Frage des Nutzers zeigt. (Eine neue Studie des Palo Alto Forschungszentrums fand heraus, dass das Zufügen letzterer Eigenschaft beinahe zu einer Verdopplung der Nutzerleistung führt: das Lokalisieren der Produkte auf der Xerox Website dauerte 3,5 Minuten mit einfachem Browsen, 3,0 Minuten mit herkömmlichen Suchen und 1,6 Minuten, wenn die Links mit Such-Relevanz als Verbindungen in einem experimentellen «Spurensuche»-Interface hervorgehoben wurden)

Eigenschaften wie Sitemaps, Breadcrumbs und andere strukturelle Elemente müssen zu Browser-Befehlen werden. Die Navigation aus einer Webseite heraus zu filtern schützt den Anwender vor den Launen der Web-Designer und stellt so konsistente und standardisierte Navigationsfeatures sicher.

Die Web-Geschichte hat gezeigt, dass Leute allgemeine Befehle wie den Back-Buttonweit mehr verwenden als gelegentliche Features, welche, wenn sie vorhanden sind – und die Nutzer sie auch tatsächlich finden können – dazu tendieren, auf unterschiedlichen Seiten anders zu funktionieren.

Klar, wir benötigen beides: einige neue Features und einen Paradigmenwechsel bei Betriebssystemen. Im Grossen und Ganzen wäre es für Nutzer allerdings besser, wenn die IT-Industrie in einen kollektiven Tiefschlaf sinken und sich verlangsamt darauf konzentrieren würde, bestehende Features zum Laufen zu bringen.

© Deutsche Version von Jakob Nielsens Alertbox. Institut für Software-Ergonomie und Usability AG. Alle Rechte vorbehalten.