Kontrastarme Texte sind keine Lösung
Kontrastarme Texte sind keine Lösung

Kontrastarme Texte sind keine Lösung

Kontrastarme Texte sind zwar im Trend, aber leider unlesbar, nicht auffindbar und nicht erreichbar. Denken Sie daher über nutzerfreundlichere Alternativen nach.

by Katie Sherwin (deutsche Übersetzung) – 07.06.2015

Der Trend des kontrastarmen Designs spukt derzeit im Internet herum und hat es eindeutig auf die Lesbarkeit und Auffindbarkeit abgesehen. Er strapaziert unsere Augen und sorgt dafür, dass wir uns alt und weniger leistungsfähig fühlen. Basierend auf dem Trend des Minimalismus, verabschieden sich Websites von ihren kontrastreichen Traditionen und wechseln auf die dunkle Seite (oder vielleicht eher die mittelgraue Seite). Für Websites, die bereit sind, die Lesbarkeit einem trendigen Design zu opfern, ist kontrastarmer Text eine logische Wahl – mit vorhersagbaren, immerwährenden Usability-Problemen.

Bevor Sie kontrastarme Farben auf einer Website verwenden (was vor allem für Texte gilt), sollten Sie sich Gedanken über die Gründe machen, aus denen Sie die Usability verschlechtern möchten. Überlegen Sie danach, aus welchen Gründen Sie sich für ein kontrastarmes Design entschieden haben und informieren Sie sich über Alternativen, die Ihnen dabei helfen, diese anfänglichen Designziele zu erreichen, ohne das Nutzererlebnis zu verschlechtern.

Es ist offensichtlich, dass Squarespace.com Nutzer dazu bringen möchte, auf den kontrastreichen Button Get Started in der oberen rechten Ecke zu klicken. Doch möchte das Unternehmen auch, dass sich Kunden über die Funktionen informieren und die Navigation verwenden? Der graue Text auf hellgrauem Hintergrund kommuniziert Gleichgültigkeit. Der Kontrast des Menüs und des Haupttexts ist so gering, dass nur wenige Nutzer die Inhalte lesen werden.

Kontrastarmer Text verschlechtert die Usability (doch das wussten Sie bereits)

Ein zu geringer Kontrast zwischen Textfarbe und Hintergrund verschlechtert die User Experience aus folgenden Gründen:

Sehen Sie, auf welcher Seite sich der Nutzer gerade befindet? Der aktuell geöffnete Karteireiter (Support) auf der Apple.com Website wird kommuniziert, indem der graue Text etwas dunkler eingefärbt wird. Die Navigation ist ein besonders risikoreicher Ort für kontrastarme Texte, da Nutzer glauben könnten, dass ihre Optionen beschränkt sind. Ausserdem könnten sie Zeit verschwenden, während sie versuchen, ihren Standort auf der Seite zu ermitteln.

Auf GitHub ist das Suchfeld mit dem Text Search Showcases grau eingefärbt, was den Eindruck erweckt, dass es nicht verfügbar ist.

Warum Designer kontrastarme Texte verwenden

Wir leben wohl oder übel in einem Zeitalter des Minimalismus.

Der Minimalismus im Webdesign begann als Gegenbewegung zur jahrzehntelangen Entwicklung von Nutzeroberflächen, auf denen so viele Elemente hervorgehoben wurden, dass diese um Aufmerksamkeit kämpften und zu visueller Überforderung führten.

Ein positiver Aspekt des Minimalismus ist die Entfernung unwesentlicher Elemente. In den meisten Fällen ist das eine empfohlene Vorgehensweise.

Der Minimalismus wird allerdings zum Problem, wenn sich auf einer Seite sehr viele wichtige Inhalte befinden. Grosse Mengen von Inhalten passen nicht zum minimalistischen Designzugang. Der Kompromiss der Designer war es, den Kontrast dieser Elemente zu reduzieren, damit die Website auf den ersten Blick immer noch minimiert «aussieht».

Ja, kontrastarme Texte sehen minimiert aus – ähnlich, wie ein verschwommenes Foto auf Instagram den Retro-Stil verkörpern kann. Doch Sie würden Ihre Website sicherlich nicht verschwommen darstellen, selbst wenn es modern wäre. Verringern Sie daher auch nicht den Kontrast.

Der Trend ist vor allen auf Websites zu beobachten, die ein hochwertiges und anspruchsvolles Elite-Erscheinungsbild kommunizieren möchten. Wenn im Internet ein neuer Trend, wie kontrastarme Texte, auftaucht, beobachten Unternehmen meist andere grosse Marken, die mit dem Trend gehen, und nehmen an, dass dieser getestet und für gut befunden wurde. Das ist allerdings nicht immer der Fall.

Ich wage die Vorhersage, dass wir in zehn Jahren über die kontrastarmen Texte lachen werden – genau wie wir über Websites mit langen Flash-Ladezeiten (engl.) aus den 1990er Jahren lachen.

Bevor Sie sich also für hellgrauen Text auf mittelgrauem Hintergrund entscheiden, fragen Sie sich, weshalb Sie diese Entscheidung treffen. Falls Sie versuchen, ein Element weniger auffällig zu machen, um andere Elemente hervorzuheben, stehen Ihnen bessere Möglichkeiten zur Verfügung. Falls Sie sich aufgrund ihres tollen Aussehens für die Kontrastarmut entscheiden, nehmen Sie nicht an, dass das Prinzip eine gute Idee ist, nur weil es auf anderen Websites umgesetzt wurde.

Auf den Artikelseiten von Quartz.com wird die linke Navigationsleiste zuerst kontrastreich angezeigt (links). Sobald der Nutzer allerdings den Mauszeiger über einen Artikel der Liste hält, wird die Zelle so stark verdunkelt, dass der Text fast unleserlich wird (rechts). Der Text, für den sich der Nutzer am meisten interessiert, ist plötzlich extrem schwer erkennbar.

Strategien zur Erhöhung oder Reduktion der Auffälligkeit, ohne die Usability zu beeinträchtigen

Falls Sie kontrastarme Texte in Erwägung ziehen, möchten Sie wahrscheinlich die Auffälligkeit eines Elements reduzieren – oder ein anderes Element stärker hervorheben. Es gibt allerdings andere, nutzerfreundlichere Möglichkeiten, um das zu tun.

Schlussfolgerung

Es ist wichtig, die Gründe hinter jedem Trend zu verstehen und in Frage zu stellen, ob er sich für Ihre Website eignet oder nicht. Die meisten Websites verfügen über keinen bekannten Namen und haben keine Armee von treuen Anhängern, die sich sogar mit einem frustrierenden Nutzererlebnis zufriedengeben. Anstatt sich für kontrastarme Designs zu entscheiden, sollten Sie über andere Möglichkeiten nachdenken, um die Auffälligkeit der Elemente auf dem Bildschirm zu verändern, ohne die Usability oder Erreichbarkeit zu beeinträchtigen.

Referenz:

W3.org, ‹Contrast (Minimum), Understanding Success Criterion 1.4.3›. (engl.) (enthält eine Liste von Ressourcen zur Überprüfung von Farbkontrasten).

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