Nutzertests sind keine Unterhaltung

Betreiben Sie keine Studie zu Gunsten der Leute im Beobachtungsraum. Testen Sie, um die Wahrheit über das Design zu erfahren, auch wenn die Nutzeraufgaben langweilig anzuschauen sind.

by Jakob Nielsen (deutsche Übersetzung) – 11.09.2006

Ich beobachte den beunruhigenden Trend, dass man bei Nutzerstudien lieber einen unterhaltsamen Gang einlegt als den Gang, bei dem Kenntnisse über das zielgerichtete Design gewonnen werden. Leute, die solche Studien betreiben, haben die besten Absichten: Sie wollen ihren Kunden altbekannte Usability-Probleme eindrucksvoll präsentieren und so deren Unterstützung für Design-Verbesserungen gewinnen.

Ihre Philosophie geht davon aus, dass die meisten Webmanager keine Ahnung von Nutzern hätten und deshalb sei es das eigentliche Ziel von Usability-Tests, das Management weiterzubilden.

Jedoch: Wenn Sie Ihre Studie anlegen, um etwas zu demonstrieren, was Sie schon längst wissen, werten Sie Ihre Studie in zweierlei Hinsicht ab:

Typische Fehler

Nutzer-Tests, die sich auf den Unterhaltungswert konzentrieren, führen häufig zu Fehlern. Dazu gehören:

Wenn Sie sich dabei erwischen, wie Sie beim Testen ein Auge darauf werfen, wie die Versuchspersonen im Beobachtungsraum herumspielen könnten, machen Sie etwas falsch. Sie bekommen definitiv nicht die Daten, auf die Ihr Team angewiesen ist (und für die Ihr Kunde Sie bezahlt).

Usability als Showbiz

Es gibt Aspekte bei Usability, die eine gängigere Annäherung erfordern. Irving Berlin sagte: «Es gibt kein anderes Buiness als das Showbusiness» und lag damit falsch, denn jedes Business ist ein Showbusiness. In einer von Informationen überfluteten Businessumgebung müssen Sie die Leute beeindrucken und bewegen, um ihre Aufmerksamkeit auf Ihrer Botschaft zu belassen.

Wenn Sie Höhepunkte von Usability-Studien-Aufzeichnungen auswerten, sollten Sie nicht einen 10minuten-Clip aufnehmen, der einen Nutzer dabei zeigt, sich 20 falsche Sites anzugucken. Zeigen Sie die ersten ein oder zwei falschen Klicks, blenden Sie dann den Untertitel «9 Minuten später…» ein und schleissen Sie mit dem Clip, in dem der Nutzer sagt: «Dieses ist eine grauenhafte Website. Ich kann nichts finden. Hier werde ich nie wieder hinkommen.»

In einer Usability-Präsentation schlagen zwei unterhaltsame Minuten zehn langweilige. Ihre Mitarbeiter und Vorgesetzte werden Ihren Befunden nicht nur mehr Aufmerksamkeit schenken, sie werden Ihre nächsten Usability-Instruktionen auch lieber annehmen.

Schneiden Sie langweilige Stellen raus um die Spannung zu erhöhen. Ja, diese sehr häufig anfallenden Fehler zeigen Ihnen, warum die Nutzer nichts finden können, aber es gibt grundlegende Unterschiede darin, wie Sie Probleme entdecken, zeigen und dokumentieren.

Schliesslich: Wenn Sie Ihre Studie als ein Unterhaltungsangebot anlegen, werden Sie Ihre Ergebnisse schwächen und eine Produktverbesserung gefährden. Alle Usability-Probleme, die Sie nicht vollkommen wissenschaftlich getestet haben, werden auf der Nutzeroberfläche wieder erscheinen. Und Ihre Vorgesetzten werden schlussfolgern, dass Usability keinen so hohen Return On Investment hat, wie ich es ihnen versprochen hatte.

Am Ende entscheidet das Geld und Sie optimieren Return On Investment, in dem Sie auf unverfälschte Studien und auf beobachtendes Verhalten Wert legen. In einem Design-Projekt ist die Rolle der Usability die Quelle der Wahrheit. Sie belegt, was wirklich funktioniert, im Gegensatz zu den Hoffnungen des Teams was funktionieren könnte. Je gründlicher Sie die Wahrheit aufdecken, desto wenige wird Ihr Unternehmen Sie auf längere Sicht brauchen.

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