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01.04.2013

Mobilgeräte-Usability für Katzen: unerlässliche Design-Prinzipien

Feline (katzenartige) Nutzer erfordern besondere Überlegungen, darunter grössere Berührungsflächen für Pfoten, kontinuierliche Animation und eine hörbare Vertonung.

Katze mit Handy

© Ferenc Szelepcsenyi - Fotolia.com

 

by Jakob Nielsen (deutsche Übersetzung) - 01.04.2013

 

YouTube wird seit Kurzem von Katzen dominiert. Selbst die einfachsten Videos von Katzen, die eine iPad-App nutzen, bekommen Millionen von Zuschauern.

Kunden, die sich dieser Übernahme beugen wollen, fragen uns immer wieder: "Wie können wir unsere Website oder App für Katzen verbessern?" Da sie keinen Daumen besitzen, den sie den Fingern gegenüber stellen können und da ihr Fokus ständig wechselt, sind Katzen als Zielpublikum sicherlich eine Herausforderung.

Nutzerforschung

Für unsere Studie haben wir 16 Katzen als Testteilnehmer rekrutiert: 4 Britische Kurzhaar-Katzen, 3 Perser- und 2 Siamkatzen, 2 Maine Coon, 2 Russisch Blaukatzen und 3 Katzen "unbekannter Herkunft". 4 der 16 Katzen waren entkrallt (d. h. ohne Krallen, eine in USA verbreitete Praxis), 4 waren Kätzchen unter 3 Monaten.

Ausser dreien durften alle Katzen täglich nach draussen und alle Testnutzer hatten Erfahrung mit gängigem Katzenspielzeug wie Bällen und Milchflaschenringen (bunte Ringe, die Bestandteil amerikanischer Plastikmilchflaschen sind).

Wir haben insgesamt 28 Apps und 12 Websites getestet, darunter auch Apps, die sich bereits auf den Handys und Tablet-PCs der Katzen befanden. Die Studie umfasste Android-, iOS- und Windows-Geräte.

Usability-Ergebnisse

Das am weitesten verbreitete Usability-Problem war die Grösse der Berührungsflächen auf den meisten Nutzeroberflächen. Alle erwachsenen Katzen waren deutlich frustriert - und fauchten sogar -, wenn sie mal wieder versehentlich die App geschlossen hatten, die sie gerade benutzten.

Obwohl die Katzen in der Studie kleiner waren als die meisten menschlichen Nutzer, die wir getestet haben, machen es die Unterschiede zwischen der humanen und der felinen Anatomie eine Modifikation unserer traditionellen Richtlinie für mobile Geräte (engl.) notwendig, nach der berührbare Flächen mindestens 1 cm Durchmesser haben sollen. Anhand der durchschnittlichen Grösse von Katzenpfoten empfehlen wir mindestens 3 cm (d. h. etwas mehr als 1 Zoll), auch wenn eine Maine Coon wegen ihrer enormen Pranken noch grössere Flächen benötigen würde.

Barrierefreiheit für ausgewachsene polydaktyle Katzen würde weitere 3 mm erfordern.

Katze mit iPad
Dieser Testnutzer war deutlich irritiert - und sogar aggressiv -, nachdem er versehentlich Fruit Ninja geschlossen hatte.

Andere Ergebnisse:

  • Schnelle Doppel- und Dreifachberührungen sind bei Katzen verbreitet, besonders bei Kätzchen; die Reaktion auf solche Vielfach-Berührungen sollte noch schneller/lauter/bunter erfolgen als die auf eine einfache Berührung.
  • Das Fittsche Gesetz gilt, wie wir herausgefunden haben, auch für Katzen. Wir erwarten, dass dies in zukünftigen Studien auch für die meisten anderen Säugetierarten bestätigt werden wird.

    • Über die Thematik der aktuellen Forschung hinaus vermuten wir, dass sich das Fittsche Gesetz bei Schnecken und anderen Kriechtieren nicht bestätigen wird: dort dürfte sich die Zeit bis zum Erreichen des Ziels linear mit der Distanz belegen.

  • Das Wischen muss aus und in jeder Richtung funktionieren; stellen Sie also sicher, dass Ihre Ziele extra responsiv sind und korrespondierende Sounds auslösen.
  • Animationen sind besonders wichtig, einschliesslich blinkender Animationen. Es ist sogar so, dass Ihre App ziemlich nutzlos sein dürfte, wenn sie nicht animiert ist.

    • Dies ist ein revolutionäres Ergebnis, in Anbetracht der Tatsache, dass blinkende Elemente im Webdesign rückläufig sind, seit sie 1996 auf Platz 3 der zehn grössten Designfehler (engl.) landeten.

  • Ein von Sensoren aktivierter Pausenmodus ist sehr empfehlenswert, weil fast die Hälfte der Katzen das, was sie gerade getan hatten, völlig zufällig unterbrachen, um sich für geraume Zeit auf ihrem Gerät hinzulegen, auszustrecken, zu putzen oder ein Nickerchen zu machen, ehe sie mit ihren Aufgaben fortgefahren sind.

Ton schlägt das geschriebene Wort

Eine andere Quelle von Irritationen war das sinnlose Auftreten von Instruktionen wie auch jeder andere Gebrauch der englischen Sprache. Während menschliche Nutzer Instruktionen nur selten lesen, haben die Nutzer in dieser Studie überhaupt nichts gelesen.

Ein Siam-Kätzchen hat sich um die hilfreichen Hinweise (Fischstäbchen) bei Laser Kitten überhaupt nicht gekümmert und sich stattdessen darauf versteift, einfach den Bildschirm wiederholt zu schlagen, in Erwartung "plötzlicher Ergebnisse". Die App mit dem besten Ergebnis, Fruit Ninja, startete dagegen direkt Musik, sich drehende Wassermelonen und responsive "Krallenmarken".

Startbildschirm Laser Kitten App
Die App Laser Kitten im Text: die Nutzer ignorierten wiederholt die Anleitung und gingen gleich dazu über, auf die Nutzeroberfläche einzuschlagen.

Älteren Katzen fehlt die Aufmerksamkeit

Eine überraschende Entdeckung war das völlige Fehlen von Aufmerksamkeit bei den Senioren in der Studie. Es schien so, als sei den älteren Katzen alles egal. Ein Kater, Stephen Pawking, ein 16 Jahre alter Britisch Kurzhaar, starrte die Website des Magazins Cat Fancy trotz ihres aufregenden Flash-Intros absolut gelangweilt an. Wir modifizierten das Forschungsprogramm und gaben Mr. Pawking eine Fang-die-Maus-App, aber da er sein Leben ausschliesslich in Wohnungen verbracht hatte, fehlten ihm die notwendigen Raubtierfähigkeiten und er reagierte auch darauf nicht. Allerdings konnten wir schliesslich mit der App Call-A-Cat, die immer wieder das Geräusch eines Dosenöffners wiederholt, eine positive Reaktion erzielen. Dies unterstreicht einfach die Wichtigkeit von Geräuscheffekten.

Insgesamt, aber besonders bei jüngeren Katzen und Kätzchen, liegt der verbreitete Schwerpunkt des felinen Gebrauchs von mobilen Geräten bei den Spielen - ein Ergebnis, das auch beim Testen junger Menschen auftrat. Es ist hilfreich zu wissen, dass die jüngere Altersgruppe dazu neigt, wegen ihrer Hyperaktivität und ihrer schärferen Krallen die Geräte zu zerfetzen. Für Testzwecke werden starke Gehäuse und Bildschirmschützer empfohlen.

Jenseits der Mensch-Computer-Interaktion

Wenn wir den Nutzerstamm verbreitern, um die anthropozentrische Sichtweise zu überwinden, ist es keine Überraschung, dass viele Ergebnisse aus der Erforschung der Mensch-Computer-Interaktion (HCI) (engl.) modifiziert werden müssen.

Unsere erste Studie mit felinen Nutzern hat einen Grund für FCI-Richtlinien gelegt. Wie immer empfehlen wir Ihnen, eigene Nutzertests durchzuführen, wenn Sie Designs für Katzen entwerfen. Wenn wir berücksichtigen, dass diese Zielgruppe im Ruf steht, notorisch ungehorsam und geistig unabhängig zu sein, ist es noch weniger wahrscheinlich als bei Menschen, dass sie schlechtes Design hinnehmen wird.

 

© Deutsche Version von Jakob Nielsens Alertbox. Institut für Software-Ergonomie und Usability AG. Alle Rechte vorbehalten.

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