Schreiben für diverse Nutzungen

Oft betrachten die Nutzer Online-Inhalte ausserhalb des Kontextes und lesen sie mit ganz anderer Absicht, als die Autoren zuvor angenommen haben. Man kann zwar nicht alle derartigen Absichten voraussehen, aber man kann den Text für unterschiedlichste Nutzungen konzipieren.

by Jakob Nielsen (deutsche Übersetzung) – 02.03.2009

Unabhängig vom Medium ist man fast immer gut beraten, sich beim Schreiben einfach an den Lesern und ihren Aufgaben zu orientieren. Bei den alten Medien sind die Absichten der Leser gut bekannt und reichen von dem Wunsch nach Unterhaltung (beim Lesen eines Fantasy-Romans) bis zum Wunsch nach Investment-Ideen (beim Lesen des Märkte-Teils im Wall Street Journal).

Beim Schreiben fürs Web ist das allerdings anders, weil unterschiedliche Nutzer sich dem gleichen Stück Text auf ganz unterschiedliche Weise nähern können:

In manchen dieser Szenarios bekommen die Nutzer nur einen kleinen Teil des Inhalts ohne Kontext angezeigt. Sie sehen zum Beispiel nur die Überschrift oder nur die Überschrift, eine Zusammenfassung und ein kleines Foto.

Schreiben für unterschiedliche Kontexte

Die erste Herausforderung besteht darin, den Text so zu schreiben, dass er auch dann noch Sinn hat, wenn er aus dem Zusammenhang gerissen wird. Zum Glück können Sie in den meisten Ohne-Kontext-Szenarios selber die Usability ihres Inhaltes einschätzen:

Schreiben für unterschiedliche Nutzer-Absichten

Die zweite Herausforderung ist schwerer zu erfüllen: Sind Ihre Inhalte auch für solche Nutzer hilfreich, deren Absichten andere sind als der hauptsächliche Zweck, für den Sie geschrieben haben?

Wir haben kürzlich getestet, wie die Leute Weblogs lesen und andere alternative Internet-Genres, um unser bevorstehendes Seminar «Schreiben für das Web 2.0» vorzubereiten. Unsere Studie beleuchtet die Usability-Probleme, die entstehen, wenn Leser und Autoren sich mit dem gleichen Inhalt befassen und dabei einander widersprechende Aufgaben im Kopf haben.

Einer unserer Testnutzer las den Firmen-Blog von Whole Foods (einer grossen Lebensmittelkette) und war plötzlich interessiert an einem Beitrag über die kürzlich aufgekommene Gesundheitspanik im Zusammenhang mit Erdnussbutter.

Der Nutzer wollte herausfinden, ob das Problem auch Erdnussbutter der Marke Skippy betraf. Weil so viele Lebensmittelprodukte zurückgerufen worden waren, und weil viele Leser Kommentare abgeben wollten, war der Weblog-Beitrag zu 28 Bildschirmseiten des Formats 1280 x 1024, wie wir es bei den Testsitzungen verwenden, angewachsen. Überwältigt von der meterlangen Scroll-Seite ging der Nutzer schnell auf die Seiten-interne Suche und tippte dort «Skippy» ein.

Der folgende Screenshot zeigt, was passierte: Unser Testteilnehmer fand schnell von Nutzern erzeugten Inhalt zu der Frage: «Ist Skippy-Erdnussbutter in Ordnung?»

Der Testteilnehmer blätterte immer weiter durch den Weblog und suchte nach dem Stichwort «Skippy», bis er zu einem weiteren Nutzerkommentar kam. Am Ende kam der Testteilnehmer zu dem Schluss, dass Whole Foods keine Antwort auf die Frage nach der Skippy-Erdnussbutter gegeben habe.

Falsch.

Wie der Screenshot oben zeigt, steht direkt unter der Frage von Chryl Smith nach Skippy die Antwort eines verantwortlichen Mitarbeiters der Firma. Warum also hat der Nutzer diese offizielle Information übersehen, ungeachtet der Tatsache, dass sie (a) gleich neben der Frage stand, (b) hervorgehoben und (c) als offizielle Antwort gekennzeichnet war?

Das hatte zwei Gründe:

Inhalte für diverse Aufgaben modularisieren

Sie können zwar nicht voraussehen, nach was einzelne Besucher Ihrer Website suchen werden, aber Sie können so schreiben, dass wechselnde Absichten unterstützt werden.

Die drei wichtigsten Richtlinien dafür sind:

Über alledem steht die übergreifende Richtlinie, einfach die Natur des Internet zu beachten: Die Leute verwenden Ihre Texte anders, als Sie erwarten, und Sie sollten beim Schreiben stets diesen Aspekt des Online-Lebens im Kopf behalten.

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