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06.07.2014

Schlechte Auffind- und Entdeckbarkeit: Vier Testmethoden, um die Ursachen zu identifizieren

Durch Nutzerforschung im Bereich der Informationsarchitektur und der Nutzungsschnittstelle lässt sich feststellen, ob schlechte Auffind- und Entdeckbarkeit durch die Informationsarchitektur oder durch die Navigation verursacht wird.

© Bartłomiej Szewczyk - Fotolia.com

 

by Jennifer Cardello (deutsche Übersetzung) - 06.07.2014

 

Eine der häufigsten Ursachen für Nutzerfehler ist es, wenn Nutzer die Inhalte auf der Website nicht finden können. Das oberste Gesetzt für E-Commerce Design besagt: "Wenn ein Nutzer ein Produkt nicht findet, wird er es auch nicht kaufen." Diese Mängel im Design sind also nicht nur ein Usability-Problem, sondern oftmals auch gleich das grösste Rentabilitätsproblem einer Website.

Probleme beim Finden und Entdecken

Wenn ein Besucher routinemässig eine Suche nach einem Produkt durchführt, welches durch normales Browsen leicht gefunden werden sollte oder wenn innerhalb der Website nicht genügend Traffic zu kritischen Seiten generiert wird, kann die Auffindbarkeit und die Entdeckbarkeit der Website leiden.

Auffindbarkeit: Nutzer finden Inhalte oder Funktionen, die sie auf der Website vermuten auf einfachem Wege.

Entdeckbarkeit: Nutzer begegnen Inhalten oder Funktionen, deren Existenz auf dieser Website sie sich nicht vorher bewusst waren.

Gute Auffind- und Entdeckbarkeit resultieren aus einer klar definierten Informationsarchitektur und einem gut definierten Navigationssystem. Die grösste Herausforderung bei der Auffind- und Entdeckbarkeit ist das Sicherstellen der Ursache. Ist es die Informations-Architektur (IA) oder das Navigationsdesign?
Hier sind 2 Beispiele, um den Unterschied zwischen IA und Navigations/UI-Problemen aufzuzeigen.

Problem Beispiel 1: Site-Besucher lassen 2 wichtige Abschnitte der Seite aus.

Potentielle Ursachen:

IA-Problem: Die Nutzer verstehen entweder den Titel des Abschnitts nicht oder fühlen sich nicht hingezogen, diesen Abschnitt zu besuchen.

UI-Problem: Die Nutzer erkennen die Links zu diesen Seiten nicht.

Problem Beispiel 2: Site-Besucher nutzen die "Verwandten Links" der Produktseiten nicht.

Potentielle Ursachen:

IA-Problem: Die Inhalte der "Verwandten Links" hängen nicht dem Nutzerbedürfnis zusammen. (Klassifikationsfehler).

UI-Problem: Nutzer erkennen den "Verwandten Link" nicht. (Möglicherweise ist er zu weit unten oder wird als Werbung fehlinterpretiert).

Die Kosten für die Aufspürung der Ursache solcher Probleme können sehr hoch sein. Es wäre eine Schande, viel Geld in ein neues UI-Design zu investieren nur um am Ende herauszufinden, dass die Ursache auf der darunter liegenden Informationsarchitektur basiert, oder umgekehrt. Bei Mangel an Zeit und Ressourcen ist es unschätzbar wichtig, die Ursache des Problems zu kennen. Alle von uns vorgeschlagenen Methoden können schnell durchgeführt werden, via Remote-Forschung und ohne Moderation (engl.) (falls nicht gewünscht). Es wäre unverzeihbar, in solch einem Fall keine Tests durchzuführen.

Anwenden von mehreren Methoden für das Ermitteln der Ursache

Der Schlüssel für das Aufspüren des wahren Problems ist die Kombination mehrerer Methoden. Durch die Durchführung diverser Studien über a) die Informations Architektur (IA) und b) das Nutzerinterface (UI) erhöhen wir die Wahrscheinlichkeit, die Ursache des Problems auf der Website zu finden.

Die 4 im Folgenden beschriebenen Methoden beantworten verschiedene Fragen zu IA und UI und liefern Resultate mit Quantität oder Qualität (oder beidem).

verschiedene Testmethoden

(*) Nutzerfreundlichkeits-Tests sind in der Regel qualitativ, können aber auch quantitativ sein, wenn man ein wenig mehr Aufwand investiert und online Tools wie Loop11 (engl.) verwendet.

1. Tree-Testing

Ein Tree-Test ist eine IA-fokussierte Technik, die entwickelt wurde, um herauszufinden ob "Mission"-kritische Seiten in der IA gefunden werden können. Das UI wird den Teilnehmern dabei nicht angezeigt. Diese Testmethode beinhaltet ausschliesslich das Anzeigen von Linkbezeichnungen.

Fragen, die beantwortet werden:

  • Sind die Kategorie-Bezeichnungen leicht verständlich?
  • Legen die Kategorie-Bezeichnungen den Inhalt korrekt offen?
  • Ist der Inhalt nutzerfreundlich kategorisiert?
  • Sind die Titel der Inhalte einfach voneinander zu unterscheiden?
  • Ist es schwierig, Inhalte zu finden (aufgrund zu breiter oder zu tiefer Struktur)?

Vorbereitung und Test:

Um einen Tree-Test vorzubereiten, erstellen Sie einen Informationsarchitektur-Baum, welcher die Gruppierungen und Hierarchien der Seite beschreibt. Dies kann mit Hilfe einer Tabelle gemacht werden, die in das System kopiert wird, welches für den Test verwendet wird. Sie können spezifische Aufgaben erstellen, die vom Nutzer das Auffinden von bestimmten Informationen in der IA verlangen (sogenannte "Endknoten"). Eine Aufgabe könnte zum Beispiel sein: "Finden Sie einen Krankenversicherungsplan, der eine 4-Köpfige Familie absichert und weniger als 500 Euro monatlich kostet." Die Teilnehmer führen diese Aufgabe dann unter Verwendung des oben genannten Trees durch.

Resultate:

Die Resultate sind quantitativ und beinhalten (nicht nur):

Direkte Erfolgsrate: Wie viele Teilnehmer haben die Aufgabe gelöst ohne im Navigationsbaum nach oben und unten zu navigieren.

Indirekte Erfolgsrate: Wie viele Teilnehmer haben die Aufgabe gelöst, mussten aber wieder nach unten und oben navigieren um das Ergebnis zu finden?

Erster-Klick Daten: Auf welche Ebene haben die Nutzer zuerst geklickt? Das liefert gute Werte um die Wirksamkeit der Kategoriebezeichnungen zu ermitteln.

Werkzeug: Treejack (engl.)

Treejack Tool

Treejack (Baumtest-Oberfläche): Die Zusammenfassung der Aufgabe wird oben angezeigt und die Teilnehmer müssen dann durch die beschriebenen Labels navigieren um die gewünschte Information zu finden.

Zusammenfassung bei Treejack

Treejack fast am Ende die Ergebnisse zusammen und zeigt den direkten und indirekten Erfolg sowie die dafür benötigte Zeit.

2. Geschlossenes Cardsorting

Das geschlossene Cardsorting ist eine IA-fokussierte Methode, die angewendet werden kann um die Wirksamkeit der Kategoriebezeichnungen zu messen.

Fragen die beantwortet werden:

  • Sind die Kategoriebezeichnungen einfach zu verstehen?
  • Vermitteln die Kategoriebezeichnungen treffsichere Resultate?
  • Sind die Inhalte in nutzerfreundliche Kategorien eingeteilt?
  • Sind die Inhaltstitel einfach voneinander zu unterscheiden?

Vorbereitung und Test:

Um diesen Test durchzuführen, geben Sie den Teilnehmern "Karten", die Inhalts- oder Funktionsbeschreibungen anzeigen. Die Teilnehmer müssen diese Karten in vorbereiteten Kategorien einteilen. (Im Gegensatz zum geschlossenen Cardsorting müssen die Teilnehmer eines offenen Cardsortings die Kategoriebezeichnung selbst angeben.)

Resultate:

Die Resultate sind sowohl quantitativ als auch qualitativ und beinhalten folgende Werte:

Ähnlichkeit: Wie oft wurden Inhalte denselben Kategorien zugeteilt?

Standardisierungsmuster: Wie oft wurden die Inhalte der von Ihnen beabsichtigten Kategorie zugeteilt?

Logik der Aufgabe: Bei der Kartensortierung ist es zu empfehlen, einen moderierten Test durchzuführen (In-Person oder online). Dies ermöglicht es Ihnen, die Teilnehmer zu interviewen, und diese erklären zu lassen weshalb bestimmte Inhalte gruppiert, und gewisse Items der Kategorie zugeordnet wurden und wie die Kategorienamen interpretiert wurden.

Tools: OptimalSort (engl.), UXSort (engl.), Usabilitest Card Sorting (engl.), UserZoom Card Sorting (engl.), UsabilityTools Card Sorting (engl.)

OptimalSort Tool

OptimalSort’s Oberfläche für das Sortieren von geschlossenen Karten: Die Karten sind auf der linken Seite und die Kategorien sind im Rumpf der Seite. Die Teilnehmer ziehen die Karten auf die Kategorien um sie zu sortieren.

Auswertung bei OptimalSort

OptimalSort: Das Standardisierungsmuster für geschlossene Karten gibt eine genaue Darstellung, wie oft welche Karte welcher Kategorie zugeordnet wurde. Wenn die meisten Teilnehmer die Karten einer anderen Kategorie zugeordnet haben als von Ihnen beabsichtigt wurde, ist es an der Zeit die IA Struktur zu überdenken.

3. Klicktest

Klicktests sind UI-fokussiert. Sie werden durchgeführt, um herauszufinden wohin die Teilnehmer klicken, wenn sie nach bestimmten Informationen oder Funktionen suchen. Ein Nachteil von Klicktests beruht auf dem Fakt, dass diese nicht interaktiv sind: Teilnehmer erhalten ein statisches Bild der Seite und müssen zeigen wo sie klicken um eine bestimmte Aufgabe anzugehen. Sobald sie einmal geklickt haben ist der Task abgeschlossen und sie werden zur nächsten Aufgabe weitergeleitet. Um interaktive Elemente zu testen müssten also Usability-Tests durchgeführt werden.

Fragen die beantwortet werden:

  • Welche Komponenten der Navigation werden genutzt?
  • Welche Komponenten der Navigation werden leicht übersehen?
  • Welche Komponenten der Navigation werden vermieden?

Vorbereitung und Test:

Um diesen Test durchzuführen müssen Sie Screenshots, Wireframes oder den Entwurf einer Seite in ein Klicktesting-Tool hochladen. Dann legen Sie die Aufgaben fest. Die Teilnehmer klicken dann auf dem Bild an jene Stelle, an der sie mit der Bearbeitung der Aufgabe beginnen würden.

Resultate:

Das Resultat bildet eine Heatmap die anzeigt wo und wie oft geklickt wurde. Dieses Diagramm hilft Ihnen dabei, herauszufinden ob das Navigationsdesign klar ist, oder ob es Elemente gibt die verstörend oder konflikterregend sind.

Tools: Usabilla Visual Survey (engl.), Chalkmark (engl.)

Chalkmark Tool

Chalkmark’s Klick-Test Oberfläche: Die Aufgabe wird am oberen Bildschirmrand zusammengefasst und die Teilnehmer müssen dort klicken, wo Sie mit der Lösung dieser Aufgabe starten würden.

Auswertung von Chalkmark

Chalkmark’s Klick-Test Heatmap zeigt an, wo wie viele Teilnehmer geklickt haben.

4. Usability-Tests

Usability-Tests werden durchgeführt, um herauszufinden wie und weshalb Nutzer bestimmte Navigationselemente benutzen, um auf einer Website (oder einem Prototyp) eine Aufgabe zu lösen.

Fragen die beantwortet werden:

  • Wie finden Nutzer die gewünschte Information?
  • Welche Komponenten der Navigation werden dabei verwendet?
  • Welche Komponenten der Navigation werden leicht übersehen?
  • Welche Komponenten der Navigation werden vermieden?

Vorbereitung und Test:

Um diese Art von Test durchzuführen, können Prototypen (auf Papier oder Interaktiv) oder bereits bestehende Live-Sites verwendet werden. Sie können beliebige Aufgaben erstellen, und die Teilnehmer dann damit beauftragen, diese Aufgaben durchzuführen. Sie beobachten die Teilnehmer dabei und notieren sich wann diese mit welchen Navigationselementen arbeiten, wie sie interagieren und ob sie bestimmte Elemente übersehen oder vermeiden. Sie können diese Usability-Tests persönlich oder Remote mit Remote Usability-Tests (engl.) durchführen und live moderieren (via Tele Konferenz) oder auch unmoderiert unter Verwendung von diversen online Services durchführen.

Standard Nutzertests benötigen keine anderen Hilfsmittel als einen Liveteilnehmer und einen Computer (Oder ein Blatt Papier im Falle eines Papier Prototypings). Wenn es das Budget erlaubt, können sie die Studie mit einem Eye-Tracker (engl.) durchführen, welcher Ihnen hilft herauszufinden ob die Nutzer überhaupt alle relevanten Navigationselemente wahrnehmen.

Resultate:

Die Resultate zeigen die Erfolgsrate und Schwierigkeitsgrade, die Identifizierung der Elemente die im UI Verwirrung verursachen und sie vermitteln ein besseres Verständnis der mentalen Modelle einer Seite für den Nutzer.

Tools: In-Person Tests, Remote Usability Tests mit Services wie z.B. GoTo Meeting oder Webex, Unmoderierte Remote-Test Tools.

Das Identifizieren der Ursache ist der Schlüssel für eine erfolgreiche Sanierung der Website

Bei der Durchführung von mehreren Tests und Studien zeigen sich meist positive Ergebnisse aus den einen und negative aus den anderen Testresultaten. Die uneinheitlichen Resultate der verschiedenen Tests stellen aber präzise dar, wie wichtig es ist verschiedene Tests durchzuführen um UI und IA unabhängig und konzentriert zu testen und zu analysieren. Sie werden zum Beispiel feststellen, dass die Testpersonen beim "geschlossenen Cardsorting" problemlos alle Kategorien richtig zuordnen konnten, der Klicktest in derselben Umgebung aber schmerzhaft schlechte Ergebnisse liefert, weil alle Teilnehmer am falschen Ort starten, wenn Sie mit der Suche beginnen. Diese 2 Tests zusammen zeigen Ihnen dass die Kategorienamen zwar gut gewählt sind, sich das Layout hingegen als problematisch erweist. In diesem Falle weiss man dann, dass in ein anderes Konfigurationsdesign investieren werden muss.

Schlechte Auffind- und Entdeckbarkeit sind Panik verursachende Probleme, die einem zu reflexhaften unüberlegten Handlungen zur Behebung der Probleme leiten können. Es ist nicht ungewöhnlich für Teams, dass die Zeit für Studien und Forschungen stark begrenzt ist, und gerade deshalb sind diese 4 Methoden so erfolgreich: Sie sind schnell vorbereitet, laufen simultan, und können remote durchgeführt werden (ohne Moderation wenn so gewünscht). Dabei ist das Kombinieren von zwei oder mehr dieser Tests eine ideale Lösung in Bezug auf Zeit und Geld. Es hilft Ihnen dabeit, die Ursache des Problems zu beheben und verhindert, dass man viel Geld und Zeit in "Keine Lösung" investiert.

Bitte beachten Sie:

Wir haben in diesem Artikel eine Reihe von verschiedenen Forschungstools aufgelistet. Wir empfehlen Ihnen zwar diese Methoden, nicht jedoch unbedingt die individuellen Tools. Als verkaufsneutrale Organisation empfiehlt die Nielsen Norman Group keine spezifischen Produkte. Jedes Tool ereignet sich individuell nach Ihren Bedürfnissen und verfügbaren Budget als mehr oder weniger geeignet. Gerne geben wir Rat bei solchen Fragen. Die Antworten werden aber in jedem einzelnen Fall sehr individuell ausfallen.

 

© Deutsche Version. Institut für Software-Ergonomie und Usability AG. Alle Rechte vorbehalten.

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