Fehler in der Informationsarchitektur bleiben kostspielig
Der Erfolg beim Erledigen von Aufgaben ist, verglichen mit den Usability-Statistiken von 2004, substanziell gestiegen. Die meisten verbliebenen Misserfolge der Nutzer beruhen auf schlechter Informationsarchitektur.
by Jakob Nielsen (deutsche Übersetzung) - 16.04.2009
"Wenn der Kunde das Produkt nicht finden kann, dann kann er es auch nicht kaufen." Das war einer der ersten Web-Usability-Slogans, den ich mir ausgedacht habe. Diese Binsenweisheit ist auch heute noch aktuell, denn, zur richtigen Seite in einer Website oder einem Intranet zu gelangen, ist die unausweichliche Vorbedingung dafür, irgendetwas dort erledigen zu können.
(Wenn die Nutzer gefunden haben, was sie suchen, wird natürlich in die Usability der Inhalte entscheidend: Die Leute müssen die Informationen auf ihrer Zielseite verstehen und mögen. Aber: dorthin zu gelangen ist der lebenswichtige erste Schritt.)
Web-Usability in Zahlen: 2004 vs. 2009
2004 haben wir die Ursachen für Misserfolge der Nutzer analysiert, als wir für die erste Ausgabe unseres Kurses über grundlegende Richtlinien zur Web-Usability Nutzertests mit 25 Websites durchgeführt haben. (Seitdem haben wir das Seminar etliche Male aktualisiert - und zum Beispiel Videoclips und Statistiken aus neueren Studien hinzugefügt -, aber, wie der Name sagt, die meisten Richtlinien von 2004 waren in der Tat so grundlegend, dass sie immer noch gelten.)
Dieses Jahr haben wir für unser neues 2-Tage-Seminar zur Informationsarchitektur (IA) eine ähnlich breit angelegte Studie über 24 Websites durchgeführt. Zu diesem Thema gibt es zwar auch viele andere Kurse, aber unsere basieren auf empirischen Studien zur Frage, was bei realen Nutzern wirklich funktioniert. Das Hauptziel unserer Studie war, Usability-Richtlinien zu entwickeln und Videoclips für unsere Präsentation zu drehen, aber wir haben auch die Erfolgsraten der Nutzer beim Erledigen von Aufgaben analysiert und dabei das Klassifizierungsschema verwendet, dass wir 2004 entwickelt haben.
(Mehr über das Klassifizieren und Bewerten von Usability-Problemen erfahren Sie in unserem Buch Prioritizing Web Usability).
Erfreulich ist das durchschnittliche Ergebnis über das breite Spektrum der getesteten Websites gesehen; Die Erfolgsrate hat sich ganz schön verbessert:
- 66% in 2004
- 81% in 2009
Klar, Web-Usability hat sich in den letzten Jahren durchgesetzt, und die Internet-Manager sind zurückhaltender geworden beim Freischalten "cooler" Websites, die das Geld des Unternehmens verschwenden und es nicht schaffen, das Geschäft anzukurbeln.
Ausserdem bestätigen die Ergebnisse unserer neuen Studie die Werte für den Erfolg beim Erledigen von Aufgaben, die wir kürzlich beim Aktualisieren früherer Studien in drei Schlüsselbereichen ermittelt haben:
- Sitemaps: Die Erfolgsraten stiegen leicht von 69% auf 71% in 7 Jahren.
- "Über uns"-Informationen: Die Erfolgsraten stiegen etwas von 70% auf 79% in 5 Jahren.
- Shop-Finder und Wegweiser: Die Erfolgsraten stiegen beträchtlich von 63% auf 96% in 7 Jahren.
Das Ausmass der Steigerung ist unterschiedlich - sehr klein bei Sitemaps, die in letzter Zeit von den Web-Designern etwas stiefmütterlich behandelt wurden; immens bei Shop-Findern, mit denen man richtig Geld machen kann (denn wenn die Kunden keinen Shop finden, können sie auch nicht shoppen gehen).
Unsere Beratungsaufträge weisen das gleiche, breite Muster auf: Websites sind heute definitiv leichter zu nutzen als früher. Das gilt auch für Intranets - in der Tat, die haben sich noch mehr verbessert als Websites, weil ihre Usability anfangs besonders miserabel war.
IA-Probleme hindern immer noch beim Abschliessen von Aufgaben
Die Usability hat sich zwar insgesamt verbessert, aber die Informationsarchitektur wird mehr und mehr zur offenen Wunde, die die Websites daran hindert, ihre Geschäftsziele zu erfüllen. Die folgenden Kuchendiagramme zeigen die Erfolge und Misserfolge der Nutzer beim Erledigen von Aufgaben in den beiden breit angelegten Website-Studien:
Die Ergebnisse beim Erledigen von Aufgaben in Usability-Tests mit einem breiten Spektrum von Websites: 2004 gegenüber 2009
Ja, die Erfolge wachsen. Ja, die Misserfolge mit Ursachen ausserhalb der Informationsarchitektur haben dramatisch abgenommen. Nutzermisserfolge, die von IA-Problemen verursacht wurden, sind jedoch nur leicht geschrumpft:
- 14% der Versuche, Aufgaben zu erledigen, scheiterten 2004 an IA-Problemen.
- 10% der Versuche, Aufgaben zu erledigen, scheiterten 2009 an IA-Problemen.
Schlechte IA ist inzwischen die grösste Ursache für Misserfolge, weil sie der Stolperstein ist, wenn man irgendwo auf einer Website hingelangen will. Die Nutzer versuchen, ihren Weg durch die Websites zu finden und wenn sie besonders motiviert sind, versuchen Sie es vielleicht ein zweites Mal, wenn es beim ersten Mal nicht geklappt hat. Aber wenn die Nutzer immer wieder im Kreis geführt oder von einer schlechten Suchfunktion ins Niemandsland geschickt wurden, geben sie auf und gehen auf eine andere Website. Das ist der Grund, weshalb Mängel in Ihrer Informationsarchitektur Sie richtig viel Geld kosten können.
Jenseits des Erfolgs
Hohe Erfolgsraten sind schön, wenn es sie denn gibt, aber sie sind erst der Anfang für eine hohe Usability. Es ist zweifellos notwendig, dass die Leute in der Lage sind, Ihre Website zu nutzen. Aber die blosse Fähigkeit, gepaart mit Hartnäckigkeit dort etwas hinzukriegen, reicht nicht aus, damit die Nutzer dort ein Geschäft abschliessen. Sie müssen Ihre Website auch mögen.
Wir Usability-Experten müssen weiterhin daran arbeiten, die verbliebenen Misserfolge beim Erledigen von Aufgaben zu beseitigen. Aber die Websites müssen auch ein angenehmes Nutzererlebnis erzeugen. Dabei müssen alle Aspekte des Webdesigns zusammenwirken; die Qualität von Interaktions-Design ist wie eine Kette, die so stark ist wie ihr schwächstes Glied.
Heutzutage hindern die meisten Usability-Probleme, die wir beim Testen beobachten, die Nutzer nicht daran, die Websites zu nutzen, aber sie verärgern die Nutzer auf jeden Fall. Leider gibt es immer noch eine Menge schlechtes Webdesign, das die Leute aufhält, verwirrt oder es ihnen erschwert, Informationen zu verstehen. Viele dieser Usability-Probleme wurden schon vor mehr als 10 Jahren dokumentiert (lesen Sie zum Beispiel meine Liste der 10 grössten Webdesign-Fehler 1999).
Die Leute verlassen eine Website nicht nur dann, wenn sie überhaupt nicht damit klarkommen. Sie verlassen sie auch dann, wenn sie unangenehm zu nutzen ist. Das bedeutet: Auch wenn IA nur in 10% der Fälle eine Aufgabe scheitern lässt, machen Sie nicht bloss 10% mehr Geschäft, wenn Sie Ihre IA verbessern. Unsere Untersuchungen der Renditen aus Usability legen nahe, dass sich die Geschäftszahlen eher um rund 80% verbessern. Die 70% Zusatznutzen kommen daher, dass Sie weniger gegen Ihre Kunden anarbeiten, so dass diese mit grösserer Wahrscheinlichkeit auf Ihrer Website verweilen.
Bei den meisten Websites sollte die Verbesserung der Informationsarchitektur oberste Priorität haben (bei gemeinnützigen Websites ist sie das zweitgrösste Problem). IA-Probleme zu beheben ist nicht immer einfach, aber wenn Sie bedenken, was es kostet, wenn Sie durch eine schlechte IA Ihren Kunden die Tür zeigen, es ist das sicher wert.
© Deutsche Version von Jakob Nielsens Alertbox. Institut für Software-Ergonomie und Usability AG. Alle Rechte vorbehalten.
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