• Facebook
  • Google+
  • Twitter
  • XING
03.09.2002

Die zehn besten Intranets des Jahres 2002

Die diesjährigen Intranetdesign-Gewinner setzten auf integrierte Unterstützung internationaler Büros, lange Entwicklungszeiten (durchschnittlich zwei Jahre), "one-stop"-Startbildschirme mit "single sign-in"-Funktion und auf das Usability-Testen der Schnittstellen für Content-Verfasser.

 

by Jakob Nielsen (deutsche Übersetzung) - 03.09.2002

 

Im letztjährigen Intranet Design Annual hatten wir prognostiziert, dass nach 10 Jahren der Vernachlässigung, 2002 das Jahr des Intranets werden würde. Wenn man sich die Ergebnisse des diesjährigen Designwettbewerbs ansieht, lagen wir richtig.

Die Zahl der Nominierungen stieg enorm. Noch interessanter ist aber, dass die meisten der 2002 nominierten Designs zeigten, dass sich viele grosse Unternehmen bemühen, ihre Intranets unter Kontrolle zu bekommen. In diesem Jahr wurden 118 Intranets für den Design Award nominiert. In Anbetracht der hohen Qualität vieler Designs war es schwierig, aus der Vielzahl der Teilnehmer nur zehn Gewinner auszuwählen. Die Besten der besten Intranetdesigns des Jahres 2002 waren (in alphabeti­scher Reihenfolge):

  • ABB (Designagentur: BEKK Consulting)
  • BellSouth
  • Credit Suisse Financial Services (Designagentur: Crealogix)
  • Deloitte Touche Tohmatsu, Australien (Designagentur: Eclipse Group)
  • Lonely Planet Publications
  • Mira Networks AB
  • Northwestern Mutual
  • Wal-Mart Stores, Inc.
  • Washington Mutual (Designagentur: Towers Perrin)
  • The World Bank Group (Designagentur: Satyam Computer Services)

Die Gewinner

Washington Mutual wurde für eine Intranetanwendung für die Verwaltung der Führungskräftegehälter ausgezeichnet. Die anderen neun Gewinner waren firmenweite Intranets. Die meisten davon gehören Grosskonzernen wie Wal-Mart und ABB mit jeweils 900'000 und 160'000 Nutzern. Einer der stärksten Trends dieses Jahres zeigte sich darin, dass grosse Unternehmen erhebliche Fortschritte bei der Koordination ihrer Intranetdesigns und der Verbesserung der Usability machen.

Aber auch viel kleinere Unternehmen können grossartige Intranets gestalten. Zu den Gewinnern dieses Jahres zählten zum Beispiel Lonely Planet Publications mit 450 Nutzern und Mira Networks, eine Firma mit nur 12 Mitarbeitern. Natürlich stehen einem kleinen Unternehmen geringere Ressourcen zur Verfügung, aber auf der anderen Seite ist der Zweck ihres Intranets genauer eingegrenzt. Kleineren Firmen fällt es leichter, alle Beteiligten in den Designprozess einzubinden und so die Usability zu optimieren.

Ein unverhältnismässig hoher Anteil der Gewinner entfiel auf den Finanzdienstleistungssektor. Diesem Sektor gehörten vier der zehn Top-Intranets des Jahres 2002 an. Eine mögliche Erklärung dafür ist, dass Finanzunternehmen auf eine lange Tradition professionell gemanagter Entwicklungsprojekte zurückblicken, deren Zielsetzung es ist, die firmenweiten Dienste zu zentralisieren und zu koordinieren. Eine solche Tradition bildet eine gute Grundlage für die Entwicklung eines funktionalen Intranets mit einheitlichem Design. Da Finanzunternehmen meist gross sind und bei ihnen viel Geld auf dem Spiel steht, stellen sie bei ihren Softwareprojekten traditionell auch Produktivität und Usability in den Vordergrund. Dieser Schwerpunkt hat sich vielleicht auch auf ihre Intranetprojekte übertragen, womit sie gegenüber Unternehmen mit weniger ausgeprägten Usability-Traditionen einen weiteren Vorsprung haben. Telefongesellschaften legen ebenfalls traditionell grossen Wert auf die Bereiche Produktivität der Softwareentwicklung und Usability, und auch aus diesem Sektor stammt einer der Gewinner.

Die restlichen Gewinner kommen aus einer breiten Palette von Branchen, vom Consulting über das Verlagswesen und den Einzelhandel bis hin zur Produktion.

Bei der Managementstruktur stellten wir nur einen einzigen Trend fest: Es lässt sich nicht genau sagen, wem siegreiche Intranetteams innerhalb der Organisationen unterstellt sind. Meist waren sie den Abteilungen Informationstechnologie und Humanressourcen (HR) zugeordnet, aber wir fanden auch hervorragende Intranetteams, die der zentralen Sekretariats- oder Kommunikationsabteilung unterstellt waren. Einige Intranets schliesslich gehörten zu allgemeineren e-Solutions-Abteilungen, die sowohl für die öffentliche Internetseite als auch für das private Intranet innerhalb der Firewall verantwortlich waren.

Internationale Intranets

Grossartige Intranets finden sich in allen Teilen der Welt. Zu den Gewinnern 2002 gehörten fünf Unternehmen mit Zentrale in den Vereinigten Staaten, drei Firmen mit Zentrale in Europa (ABB in der Schweiz, dessen Designer aber in Norwegen sitzen; Credit Suisse in der Schweiz und Mira Networks in Schweden) und drei mit Sitz in Australien (Deloitte Touche Tohmatsu und Lonely Planet Publications). Und die World Bank Group hat ihre Firmenzentrale zwar in den USA, beauftragt aber eine Designagentur in Indien (Satyam Computer Services).

Die internationale Reichweite der besten Intranets des Jahres 2002 ist noch grösser als die Standorte der Zentralen der Gewinnerunternehmen vermuten liessen. Viele der Unternehmen sind Zulieferer internationaler Organisationen wie der Weltbank, deren Personal in Ländern mit langsamen Einwahlverbindungen eingesetzt ist, und die zwar viel kleinere Firma Lonely Planet unterhält trotzdem Zweigstellen in drei Ländern ausserhalb Australiens. Die Intranets verbessern die Kommunikation über die Grenzen hinweg und helfen multinationalen Unternehmen, ein Wir-Gefühl zu entwickeln, unterstützen aber auch pragmatischere Funktionen wie die gemeinsame Nutzung von Dokumenten in verschiedenen Ländern. Die Integration eines einzigen Intranets über mehrere Länder hinweg war in diesem Jahr eindeutig ein Thema. Im Gegensatz dazu unterhielten früher viele Firmen eigene Intranets für jedes Land, in dem sie tätig waren.

Ausländische Büros betreiben für lokale Inhalte und Interessen meist eigene Seiten in der lokalen Sprache. Leider verwenden manche Intranets Content-Managementsysteme, deren Navigation nicht für internationale Nutzer aktualisiert wird, so dass diese die globalen Menüs in englischer Sprache lesen müssen. Die mehrsprachige Suche ist und bleibt ein ungelöstes Problem. Wir hoffen, dass sich die zu Grunde liegende Intranet-Technologie in den kommenden Jahren entwickeln wird, um internationale Nutzer besser zu unterstützen.

Lange Entwicklungszeiten, aber kein "Grosser Knall"

Das Redesign der meisten siegreichen Intranetprojekte dauerte ungefähr zwei Jahre. Das ist ein wichtiger Hinweis für Firmen und eine Warnung vor übertriebenen Hoffnungen auf eine schnelle Umsetzung. Für Grossunternehmen ist die Neugestaltung ihres Intranets und die Vereinheitlichung des Designs über alle Abteilungen hinweg ein umfangreiches Unterfangen. Eine hervorragende Usability des Intranets und eine Verbesserung der Produktivität der Mitarbeiter erfordern mehr als nur das Aufpeppen irgendeiner Portalsoftware.

Obwohl der gesamte Prozess ungefähr zwei Jahre dauern kann, wurde bei unseren Siegerprojekten nicht abgewartet, bis alles perfekt war, bevor die neuen Intranets einer überraschten Öffentlichkeit präsentiert wurden. Zuvor hatten sich einige Firmen die Finger an Entwicklungsprojekten verbrannt, bei denen versucht worden war, alle Probleme mit einem "grossen Knall" in einer einzigen Version zu lösen, deren Entwicklung dann endlos dauerte. Stattdessen hatten sich alle Siegerfirmen für einen Stufenansatz entschieden, indem sie schrittweise neue Templates, Portale, Suchmaschinen, Personalisierungsmerkmale und andere Intranetkomponenten einführten. Ausserdem versuchten die meisten zentralen Designteams, die einzelnen Abteilungen nacheinander auf das neue Design umzustellen, anstatt zu verlangen, dass alle die Neuerung auf einmal einführten. Die Strategie des "Grossen Knalls" wäre in Anbetracht der Grösse dieser Intranets auf jeden Fall zum Scheitern verurteilt gewesen: BellSouth verfügt auf 1.000 Subsites über 3 Millionen Seiten, Credit Suisse Financial Services über eine Millionen Seiten - und sogar ein kleineres Unternehmen wie Lonely Planet hat 50.000 Seiten laufen.

Manche Projekte hatten bedingt durch organisatorische Umstrukturierungen oder Firmenfusionen sehr knappe Deadlines. Da nicht erwartet werden kann, dass grosse Unternehmen bei ihren Geschäftsstrategien Rücksicht auf die Intranetdesigner nehmen, müssen Intranetteams flexibel genug sein, um grosse, plötzliche Veränderungen bewältigen zu können. Auf diese Notwendigkeit sollten sie sich einstellen, indem sie ständig Usability-Daten und Erkenntnisse sammeln, so dass sie wissen, wo es langgeht, wenn ein plötzlicher Marschbefehl ertönt. Bei sehr rasant verlaufenden Projekten ist es eventuell nicht möglich, den Designprozess individuell zu gestalten - in diesen Fällen empfiehlt es sich, auf bereits gesammelte Usability-Kenntnisse und Richtlinien zurückzugreifen. Bei Projekten mit besonders knappen Entwicklungszeiten wurde die Usability nachträglich optimiert, und es waren die schrittweisen Verbesserungen, die diesen Intranets letzten Endes die Auszeichnung einbrachten.

Auf lange Sicht werden wir bessere Werkzeuge brauchen, um grosse Änderungen am Intranetdesign schnell durchführen zu können. Einstweilen ist es hilfreich, die Informationsarchitektur des Intranets rund um die Aufgaben und Jobziele der Mitarbeiter zu strukturieren und nicht rund um das Organigramm des Unternehmens. Selbst bei umfangreicheren Umstrukturierungen bleiben grosse Teile eines nach Aufgaben geordneten Intranets oft intakt, während nach organisatorischen Gesichtspunkten strukturierte Intranets umgestaltet werden müssen. Es ist bezeichnend, dass die meisten Sieger dieses Jahres auf Informationsarchitekturen und Navigationspläne gesetzt hatten, die in erster Linie aufgabenorientiert waren.

Killerapplikationen und One-Stop Shops

Wie nützlich ein Intranet ist, hängt davon ab, ob es gelingt, es zu einem Kommunikationswerkzeug zu machen, das von allen Mitarbeitern täglich verwendet wird. Das kann eine Herausforderung sein, vor allem, wenn das alte Intranet seiner Schwerfälligkeit und Unzweckmässigkeit wegen verhasst war, wie dies bei einigen Firmen der Fall war. Eine häufige Lösung (zusätzlich zu besserer Qualität durch Redesign natürlich) besteht darin, eine Killerapplikation an exponierte Stelle zu setzen, die so nützlich ist, dass die Leute die Intranet-Homepage freiwillig - und oft - besuchen.

Eine solche Killerapplikation ist in den meisten Firmen eine Mitarbeitersuchmaschine. Wir haben auch mehrere Unternehmen gefunden, die für diesen Zweck das tägliche Mittagsmenü verwendeten. Wofür Sie sich auch immer entscheiden, Sie sollten auf jeden Fall der Usability Ihrer Killerapplikation besondere Aufmerksamkeit schenken. Da sie von vielen Mitarbeitern verwendet wird, muss Ihre Firma für jede Schwäche in Form von Produktivitätsverlusten teuer bezahlen.

Noch wichtiger ist, dass eine sehr nutzerfreundliche Killerapplikation den Qualitätsstandard für alle anderen Intranetseiten und für die Applikationen vorgibt, die von anderen Abteilungen hinzugefügt werden. Da diese Designer die Killerapplikation ebenso verwenden wie alle anderen, werden sie die im Design eingebetteten, guten Usability-Richtlinien verinnerlichen, und sie werden davor zurückscheuen, Beiträge von erheblich schlechterer Qualität zu veröffentlichen.

Die meisten Firmen bieten ihren Mitarbeitern "One-Stop-Shops" in Form individualisierter Homepages an, die die wichtigsten Merkmale enthalten und auf die spezifischen Mitarbeiterbedürfnisse abgestimmt sind. Verschiedene Intranets, die wir sahen, waren wie eine Steuertafel gestaltet, über die die Mitarbeiter einige ausgewählte Ansichten für die verschiedenen Informationsarten, die sie benötigen, auswählen können. So fasst zum Beispiel BellSouth verschiedene Ansichten von Firmen-, Job- und persönlichen Informationen in einem einfachen, aber leistungsstarken Portal zusammen.

Dieser "Alles-unter-einem-Dach"-Ansatz wurde auch auf die Sicherheitsmerkmale der meisten siegreichen Intranets ausgedehnt. Die einmalige Anmeldung wird auf immer mehr guten Intranets zur Realität, nachdem diese Funktion von Nutzern jahrelang hartnäckig gefordert wor­den war.

CMS Usability

Content Management Systeme (CMS) sind seit einiger Zeit sehr beliebt und waren für die meisten Sieger des Vorjahrs ein wichtiges Thema. Auch die diesjährigen Gewinner setzten auf CMS, aber mit einem kleinen Unterschied: Mehrere Firmen führten Usability-Studien ihrer CMS-Designs durch, was dazu führte, dass sie viele der ersten Ansätze und Autoren-Templates verwarfen.

Natürlich ist es wichtig, die Usability des Endnutzerdesigns auf den Prüfstand zu stellen, aber wie wir in diesem Jahr gesehen haben, ist es ebenso wichtig, die Usability für Autoren zu verbessern. Damit ein Intranet aktuell und sachdienlich sein kann, benötigt es die Beiträge vieler Mitarbeiter. Wenn das CMS zu kompliziert ist, verlieren grosse Teile des Intranets rasch ihre Aktualität.

Mobiles Intranet

Für die Aktualität des Intranets gebührt Mira Networks ein Sonderpreis. Wie für Skandinavier typisch, sind die Mitarbeiter von Mira intensive Handynutzer und versenden oft SMS Nachrichten. Ein Feature des Mira-Intranets ist die Integration mobiler Textnachrichten. Es ermöglicht den Mitarbeitern, das Intranet von ihren Handys aus zu aktualisieren - zum Beispiel wenn sie unterwegs sind. So viel zu minutenaktuellem, frischem Content.

Wir gehen davon aus, dass dem mobilen Intranetzugang in Zukunft mehr Wert beigemessen werden wird als dies heute der Fall ist. Das ergibt sich daraus, dass sich Mobilgeräte stärker verbreiten und leistungsstärkere Ferninformationsdienste zulassen werden als die herkömmlichen Handys. Viele Mitarbeiter arbeiten ausserhalb des Büros, aber die meisten aktuellen Intranets unterstützen diese Nutzer nur, wenn sie sich mit einem Notebook einwählen. Es wird interessant sein zu beobachten, welche neuen Designs entstehen, die den Intranetnutzern mehr echte Mobilität ermöglichen.

Das Design gehört uns

Viele Intranets leiden an einem zersplitterten Design und der schlechten Usability, die sich daraus ergibt, dass die Nutzer bei jedem Klick mit anderen Regeln konfrontiert sind. Die siegreichen Intranets haben alle Riesenschritte in Richtung Konsistenz gemacht und zeichneten sich besonders durch die erfolgreiche Überwindung der internen Politik durch die klare Qualität eines zentralen Designs aus. Sie setzten sich überzeugend über die zweifelhaften Designs hinweg, die normalerweise von den einzelnen Abteilungen produziert werden.

Wal-Mart hat sich eine besonders nützliche Konsistenzstrategie für sein Intranet zueigen gemacht: Den Nutzern gehört der Inhalt und dem zentralen Team gehört das Design.

 

© Deutsche Version von Jakob Nielsens Alertbox. Institut für Software-Ergonomie und Usability AG. Alle Rechte vorbehalten.

Kommentare auf diesen Beitrag

    Keine Kommentare

Kommentar hinzufügen

Die mit * gekenzeichneten Felder sind zwingend auszufüllen