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31.10.2005

Inkompetentes E-Mail-Marketing = verlorene Chancen in der Zukunft

Fehlende Personifizierung machte einen Newsletter völlig wertlos für den Empfänger. Und schädigte dadurch auch die Beziehungen zu den Kunden nachhaltig.

 

by Jakob Nielsen (deutsche Übersetzung) - 31.10.2005

 

Die Firma United Airlines sollte eigentlich ihren Betrieb einstellen. Das ist mein Eindruck, nachdem ich einen unglaublich inkompetenten Newsletter von denen bekommen habe.

Beim ersten Blick war die Nachricht gar nicht so schlecht. Sie hielt sich an rund 70% der Usability-Richtlinien für den Inhalt und das Format von E-Mail-Newsletter. Das ist ziemlich viel, wenn man bedenkt, dass die meisten andern guten Newsletter sich ungefähr im 60-70%-Bereich bewegen. Die meisten Organisationen kümmern sich nicht besonders um E-Mail-Usability und denken wahrscheinlich: "Wie viel kann denn mit der Gestaltung einer E-Mail schon schief gehen?"

Tests mit Anwendern ergaben rund 127 Richtlinien für Newsletter und 73 weitere allein für Bestätigungs-E-Mails. Demnach gibt es also ausreichend Möglichkeiten, etwas falsch zu machen.

Irrelevanter Inhalt ist ein Verbrechen

Das eigentliche Problem mit dem Newsletter der United Airlines war die Werbung, die er beinhaltete. Der Zweck der E-Mail war, das Vielfliegerprogramm zu bewerben: Die Kunden wurden über jene Destinationen informiert, auf denen noch Bonus-Sitze verfügbar sind. Theoretisch ist das eine gute Idee, denn die meisten Kunden wurden langsam sauer, weil es sehr schwierig ist, die angesammelten Bonus-Meilen irgendwie umzusetzen.

In der Praxis allerdings wurde dieses Vorhaben schrecklich umgesetzt. Im folgenden Kästchen steht der einzige spezifische Inhalt der betreffenden Mail; um zu diesem Teil zu gelangen, musste ich mich zunächst durch einen ganzen Bildschirm Marketing-Gesülze durchkämpfen.

Hier finden Sie ein paar Beispiele mit freien Bonusprogramm-Sitzen für den Zeitraum vom 1. November bis 15. Dezember 2005. Einige Sitze sind eventuell zwischen dem 18. und 28. November nicht verfügbar.

1. Chicago (ORD) -- Miami (MIA)
2. Denver (DEN) -- New York City (LGA)
3. Los Angeles (LAX) -- Kona (KOA)
4. San Francisco (SFO) -- Boston (BOS)
5. Washington, DC (IAD) -- Montreal (YUL)

Haben Sie den Fehler entdeckt? 80% der beworbenen Routen sind für jeden einzelnen Nutzer irrelevant. Ganz egal, wie schön das Wetter in Florida ist: Ein Gratisflug von Chicago nach Miami lässt jemanden aus San Franzisco vollkommen kalt.

Die Fluggesellschaft kennt ja die Adresse eines jeden Nutzers und die Flughäfen, von denen der Kunde üblicherweise abhebt. Für den Programmierer ist es demnach eine triviale Übung, jedem Empfänger eine personifizierte E-Mail mit nur jenen Routen zukommen zu lassen, die für ihn interessant sein könnten.

Zukünftige Mailings bezahlen den Preis dafür

Personifizierung ist sicherlich nicht das Allerheilmittel, als das es von den einschlägigen Software-Anbietern angepriesen wird. Aber wie der Newsletter von United Airlines zeigt, gibt es durchaus Fälle, wo der Verzicht auf personifizierte E-Mails zum Desaster führen kann.

Wenn wir nur eines aus unseren Usability-Studien gelernt hätten, dann wäre das, dass der Posteingang ein noch viel erbarmungsloseres Umfeld ist als das Web. Die Leute sind unter Zeitdruck und sehr schnell, wenn sie neue Mails durchgehen. Wird eine Mail nicht als relevant eingestuft, so führt das zu ihrer sofortigen Löschung. Im beschriebenen Beispiel würden die wenigsten Nutzer bis zur 4. Zeile mit den Flugangeboten lesen. Wenn sie erkennen, dass die ersten 3 Angebote bereits komplette Zeitverschwendung sind, dann ist die gesamte Mail bereits Geschichte.

Die eigenen Mailings gelöscht zu bekommen, auch wenn sie von niederer Qualität sind, ist sicherlich nicht besonders erfreulich. Aber der langfristige Einfluss auf schwachsinniges Internet-Marketing ist noch viel schlimmer: Ihre zukünftigen Nachrichten werden wahrscheinlich gar nicht mehr geöffnet. Wenn die Nutzer von Ihnen erst einmal nichtsnutzige Inhalte erwarten, dann achten sie gar nicht mehr auf Ihre Mails.

E-Mail-Newsletter sind auf dem Internet das beste Kundenbindungsinstrument - und jeder einzelne muss die Beziehungen zwischen der Firma und Ihren Kunden stärken. Schlechte Mailings stellen mehr dar als ein taktisches Missgeschick: Sie sind ein strategischer Fehler.

 

© Deutsche Version von Jakob Nielsens Alertbox. Institut für Software-Ergonomie und Usability AG. Alle Rechte vorbehalten.

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